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Eine halbe Stunde, bevor der Gottesdienst losgeht, betritt Pater Martin Müller die Hauskapelle der Volksbank Straubing. Die ersten Besucher sind schon da, Pater Martin schüttelt jedem die Hände. Anschließend geht er zu einer massiven Holzkommode im hinteren Teil des Gebetsraums und holt das Messgewand aus einer Schublade. „Ich freue mich jedes Mal darauf, wieder hier zu sein“, sagt er und lacht, bevor er sich die Kleidung überstreift.

Der Pfarrer von Hunderdorf und Dekan von Bogenberg-Pondorf kennt die Volksbank Straubing gut. Von 1988 bis 1991 absolvierte Pater Martin dort eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Danach entschied er sich jedoch gegen eine Karriere in der Finanzbranche und für ein Theologiestudium. Zehn Jahre später wurde er zum Priester geweiht. Die Verbindung zur Bank riss jedoch nie ab und seit 2011 kehrt Pater Martin regelmäßig im Dienst des Herrn an seinen früheren Arbeitsort zurück: Zum Jahresbeginn sowie zum Patrozinium „Maria Heimsuchung“ im Juli feiert er Messen in der Hauskapelle der Volksbank Straubing.

Eine Bank mit eigener Hauskapelle? Das dürfte in Deutschland einmalig sein. 1936 erwarb die Volksbank Straubing ihr heutiges Stammhaus am Ludwigsplatz – inklusive dem etwa 25 Quadratmeter großen Raum für Gottesdienste im ersten Stock. Die Hauskapelle ist wesentlich älter, sie stammt aus dem Jahr 1466. Wilhelm Zeller, der einer der wohlhabendsten Bürgerfamilien der Region entstammte, ließ sie errichten.

In Straubing gab es einst 20 Hauskapellen

Einst gab es in Straubing rund 20 Hauskapellen. Sie waren im Besitz besonders reicher Bürger, die in ihren privaten Räumen eine Andacht halten wollten. Heute existieren in der niederbayerischen Stadt noch drei: In der Volksbank Straubing, im Verlagsgebäude des Straubinger Tagblatts sowie im oberen Betschwesternhaus in der Bürg.

Pater Martin Müller
Pater Martin Müller bei der Wandlung
Hauskapelle Volksbank Straubing.
Die Hauskapelle der Volksbank Straubing vereint Elemente aus drei Architektur- und Kunstepochen: Der Gotik, dem Barock und dem Rokoko. Der Altar im Barockstil stammt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Stuckarbeiten schuf Mathias Obermayr in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Er hat in der Region zahlreiche Kirchen und Kapellen gestaltet.
Hauskapelle Volksbank Straubing
Es gibt noch mehr Kunstschätze: Das Fresko zeigt, wie der Heilige Georg gegen den Drachen kämpft. Es stammt wahrscheinlich auch aus dem 18. Jahrhundert
Hauskapelle Volksbank Straubing.
Hängt schon Jahrhunderte in der Hauskapelle: Das Holzkruzifix wurde vor etwa 350 Jahren angebracht.
Aus dem 15. Jahrhundert und damit der spätgotischen Zeit stammt die blechbeschlagene Eingangstür…
Hauskapelle Volksbank Straubing.
…ebenso wie das spitzbogige Fenster zum Innenhof.
Bankmitarbeiterin Hildegard Aichinger
Bankmitarbeiterin Hildegard Aichinger bereitet den traditionellen Gottesdienst zum Jahreswechsel vor und zündet eine Kerze an.

Die Volksbank Straubing hat die Hauskapelle Anfang der 1980er-Jahre sanieren lassen. Der Raum wird vor allem für die beiden Gottesdienste genutzt. Dazu kommen in der Regel rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Pensionäre zusammen. Zudem gibt es Führungen für Touristen oder Kommunionskinder. Und ab und an finden sich auch Bankmitarbeiter ein, um zu beten.

Eine Hochzeit im kleinen Rahmen

Herbert Schwarzmüller, Leiter der Hausverwaltung und Vorsitzender des Betriebsrats bei der Volksbank Straubing, hat in der „Volksbank-Kapelle“, wie sie im Volksmund genannt wird, sogar den wohl schönsten Tag in seinem Leben gefeiert: seine Hochzeit. 2005 haben sich seine Frau Birgit und er dort trauen lassen. „Wir wollten im kleinen Rahmen feiern, dafür hat die Hauskapelle sehr gut gepasst“, sagt Schwarzmüller. Eine andere Mitarbeiterin hat dort ihr Kind taufen lassen.

Nach dem Gottesdienst verabschiedet Pater Martin Müller jeden der Besucher. Als die letzten aus der Hauskapelle getreten sind, geht er erneut zur Holzkommode im hinteren Bereich. „Ich freue mich schon auf das Patrozinium im Juli“, sagt Pater Martin, als er das Messgewand ablegt, zusammenfaltet und zurück in die oberste Schublade legt.

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