Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Herr Erdmann, die DZ Bank unterstützt die Volksbanken und Raiffeisenbanken dabei, ihre Firmenkunden im beziehungsweise ins Ausland zu begleiten. Welche Bedeutung hat das Auslandsgeschäft für die mittelständischen Firmenkunden und die Kreditgenossenschaften?

Torsten Erdmann: Wenn man sich den derzeitigen Marktanteil der genossenschaftlichen FinanzGruppe im Auslandsgeschäft anschaut, dann ist da sicher noch sehr viel Entwicklungspotenzial vorhanden. Denn ein großer Teil der mittelständischen Firmenkunden ist im Ausland aktiv. Beispielsweise haben im Marktsegment Oberer Mittelstand im Schnitt sieben von zehn Unternehmen Geschäfte mit dem Ausland. Das Auslandsgeschäft sollte insofern integraler Bestandteil des Firmenkundengeschäfts der Kreditgenossenschaften sein. Es ist eine ganz wichtige Komponente bei der Begleitung unserer Firmenkunden. Als international tätige Bank kann die DZ Bank Auslandsgeschäft. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es nun, die Kompetenzvermutung breiter in den Markt zu tragen, und damit auch den Stellenwert des Auslandsgeschäfts in seiner ganzen Vielfalt in der genossenschaftlichen FinanzGruppe sowie bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken zu erhöhen.
 

Welche Leistungen fassen Sie unter dem Begriff „Auslandsgeschäft“ zusammen?

Erdmann: Beim Auslandsgeschäft denkt man erstmal an drei Säulen: als Erstes den Auslandzahlungsverkehr, darunter fällt sowohl der SWIFT- als auch der SEPA-Auslandszahlungsverkehr, als Zweites das Devisengeschäft, beginnend mit einfachen Foreign Exchange-Transaktionen bis hin zu Absicherungen im Devisengeschäft, und als Drittes Export und Trade Finance. Letzteren Punkt verantworte ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Wir strukturieren, finanzieren und sichern Export- und Importgeschäfte von Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken – egal, ob mit einer Zahlungsgarantie, einem Inkasso, einem Akkreditiv, einer kurzfristigen Handels- oder langfristigen Exportfinanzierung.

„Wir sind als FinanzGruppe gefordert, die Versorgungskette in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen und Kunden entsprechend zu begleiten.“

Eine breite Palette an Leistungen…

Erdmann: Wir finden sicher die richtige Antwort auf die Fragen der deutschen Firmenkunden und häufig auch auf die Fragen der Geschäftspartner der Unternehmen im Ausland, wenn es um Finanzierungen im Ausland geht. Aber eigentlich sollten wir das Auslandsgeschäft noch viel breiter fassen: Nehmen wir beispielhaft Vorfinanzierungen oder Absicherungen von Zulieferungen – wir sind als FinanzGruppe gefordert, die Versorgungskette oder Supply Chain, wie es so schön heißt, wirklich in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen und Kunden entsprechend zu begleiten.

„Wir sehen weiterhin eine ungebrochene Nachfrage nach der Begleitung von Handelsgeschäften.“

Wie entwickelt sich der Bedarf der mittelständischen Unternehmen in diesem Bereich? Welche Trends erkennen Sie?

Erdmann: Trotz geopolitischer Spannungen in verschiedenen Regionen der Welt, Lieferkettenproblemen oder einer Neubewertung der Globalisierung in den letzten Jahren – der deutsche Mittelstand ist sehr stark international verflochten. Das wird sich auch nicht so schnell ändern. Daher sehen wir weiterhin eine ungebrochene Nachfrage nach der Begleitung von Handelsgeschäften, wenn auch die Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht spurlos am Außenhandel vorbeigegangen ist. So sind etwa die Anzahl und Volumina von Akkreditiven insgesamt rückläufig, aber es werden mehr Bestätigungen von Akkreditiven nachgefragt – die Unternehmen beschäftigen sich also intensiver mit der Risikoabsicherung. Wir sehen dazu noch einen Trend im Zusammenspiel zwischen Kunde und Bank: Auch der Mittelstand digitalisiert zunehmend seine Buchhaltung und seinen Zahlungsverkehr. Dafür fragt er multibankfähige Lösungen nach, was wiederum Fintechs auf den Plan ruft und Druck auf die etablierten Finanzdienstleister ausübt, Lösungen anzubieten.
 

Wie wirken sich die gestiegenen Zinsen auf das Auslandsengagement deutscher Unternehmen aus?

Erdmann: Die deutlich gestiegenen Zinsen im Euro-Raum machen Exportfinanzierungen für ausländische Abnehmer weniger attraktiv, aber es gibt immer noch Märkte, wo der direkte Vergleich des Zinsniveaus zugunsten des Euros ausfällt.

Die Covid-Pandemie und der russische Angriff auf die Ukraine haben die globalen Lieferketten gehörig durcheinandergewirbelt. Aktuell ist viel von Re- und Nearshoring die Rede, also der Rückverlagerung von Produktionsstätten in geografisch nähergelegene, politisch stabile Regionen. Inwiefern wirken sich diese Entwicklungen auf das Auslandsgeschäft der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus?

Erdmann: Auslandsgeschäft war in der Vergangenheit immer auf die Begleitung von Lieferungen und die Erbringung von Leistungen im Ausland fokussiert – also die klassische Begleitung von Exporteuren und Importeuren. Gerade die Verlagerung von Produktionsstätten ist eine neue Dimension: Es geht um die Begleitung von Tochtergesellschaften im Ausland. Das heißt, es werden Lösungen gesucht für Zahlungsverkehr, Cash Pools, Abzweiglinien und das Managen von Fremdwährungspositionen. Die Nutzung von Niederlassungen der DZ Bank ist eine Option, die Zusammenarbeit mit Partnerbanken im Ausland eine weitere. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Volksbanken und Raiffeisenbanken, die über enge Kontakte zu den Firmenkunden vor Ort verfügen, die gesamte Leistungspalette und das internationale Netzwerk der DZ Bank nutzen.

„Da wir das Auslandsgeschäft in der Vergangenheit zu wenig thematisiert haben, ergibt sich nun eine Art Überraschungseffekt für die Firmenkunden: Oh, die können das ja auch.“

Ergeben sich aus diesen Entwicklungen auch Chancen für das Auslandsgeschäft der Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Erdmann: Ja, unbedingt. Da wir das Auslandsgeschäft in der Vergangenheit in der genossenschaftlichen FinanzGruppe zu wenig thematisiert haben, ergibt sich nun eine Art Überraschungseffekt für die Firmenkunden: Oh, die können das ja auch. Insbesondere bezüglich der Abwicklungsgeschwindigkeit und der Kundennähe durch fünf regionale Standorte der DZ Bank für die Abwicklung des dokumentären Auslandsgeschäfts im gesamten Bundesgebiet bekommen wir derzeit sehr viel Zuspruch durch die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie durch deren Kunden im Auslandsaval- und Akkreditivgeschäft.
 

Wo sehen Sie sonst noch besondere Vertriebspotenziale im Auslandsgeschäft? Welche spezifischen Finanzdienstleistungen werden von Unternehmen, die im Ausland aktiv sind, aktuell besonders nachgefragt?

Erdmann: Wir sehen eine Neupositionierung beziehungsweise auch Neusegmentierung von Kunden bei unseren Wettbewerbern – hier sehe ich Potenzial für die Volksbanken und Raiffeisenbanken und die DZ Bank, den Kunden einen sicheren Hafen für ihr Auslandsgeschäft zu bieten. Das Produkt des Jahres ist die Anzahlungsgarantie: In Zeiten gestiegener Zinsen sind die Liquiditäts- und Finanzierungskosten für viele Unternehmen gestiegen, also versucht man einen Teil der notwendigen Vorfinanzierungen über Anzahlungen darzustellen. Dies erfordert sehr häufig die Herauslegung einer Anzahlungsgarantie, damit die Käufer die Anzahlung auch wirklich leisten.

Welche Kompetenzen hält die DZ Bank in diesem Bereich noch vor? Wann sollten VR-Banken darüber nachdenken, diese Kompetenzen in Anspruch zu nehmen?

Erdmann: Neben den bereits erwähnten Abwicklungsabteilungen im dokumentären Auslandsgeschäft verfügt die DZ Bank über German Desks und Repräsentanzen in den wichtigen Wirtschaftsregionen sowie über ein weltweites Netz von Korrespondenzbanken. Wir halten Linien für Akkreditivbestätigungen vor und wir besitzen ein hervorragendes Rating, um über Garantien die Geschäfte der Kunden abzusichern. Wir empfehlen den Kreditgenossenschaften, die Auslandsfachberater, also die Spezialisten der DZ Bank im Auslandsgeschäft, möglichst frühzeitig ins Boot zu holen.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken im Auslandsgeschäft konkret ab?

Erdmann: Wir stellen den Volksbanken und Raiffeisenbanken Know-how, Beratungs- und Abwicklungskapazitäten zur Verfügung. Für die Zusammenarbeit im dokumentären Auslandsgeschäft haben wir in Abhängigkeit des Grads der Kooperation zwei grundlegende Modelle. Ferner machen wir den Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken Angebote im digitalen Bereich, dazu gehört der Service VR International für das Auslandsgeschäft, den die Unternehmen entweder mobil per App und/oder auf der Homepage der VR-Banken nutzen können, sofern dieser dort verfügbar ist. Außerdem verfügen wir über ein „Kompetenzzentrum VR International“, das über Telefon oder E-Mail erreichbar ist und speziell für das Auslandsgeschäft aufgebaut wurde. Darüber hinaus stehen unsere regionalen Auslandsfachberater für den persönlichen Austausch mit den Banken, für gemeinsame Kundentermine, für Potenzialanalysen und für Seminare und Workshops bereit. Erwähnen möchte ich auch das bundesweite Webinar-Angebot „VR International Kompakt“, wo wir in regelmäßigen Abständen Themen rund um das Auslandsgeschäft aufnehmen und gemeinsam mit VR-Banken vorstellen.

„Durch das Zusammenspiel mit der DZ Bank erschließen sich die Kreditgenossenschaften einen globalen Auftritt, der sich nicht von dem der großen Privatbanken unterscheidet.“

Wie profitieren die Firmenkunden von der Zusammenarbeit der Volksbanken und Raiffeisenbanken mit der DZ Bank im Auslandsgeschäft?

Erdmann: Die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind erster Ansprechpartner für die Firmenkunden vor Ort. Die DZ Bank unterstützt und bei Bedarf berät sie und wickelt das Auslandsgeschäft ab. Durch das Zusammenspiel mit der DZ Bank erschließen sich die Kreditgenossenschaften für ihre Firmenkunden einen globalen Auftritt, der sich nicht von dem der großen Privatbanken unterscheidet.
 

Wenn Sie kurz nochmal die wichtigsten Punkte zusammenfassen: Was sind die größten Herausforderungen und Chancen im Auslandsgeschäft der Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Erdmann: Die größte Herausforderung sehe ich darin, das Thema als strategischen Bestandteil des Firmenkundengeschäfts zu positionieren, in Kundenterminen anzusprechen und intern die Voraussetzungen zu schaffen, um es dann gemeinsam mit der DZ Bank abzuwickeln. Beim derzeit noch geringen Marktanteil der genossenschaftlichen FinanzGruppe sehe ich enorme Wachstumschancen, wenn wir das Auslandsgeschäft gemeinsam einfach machen!
 

Herr Erdmann, vielen Dank für das Interview!

Artikel lesen
Topthema