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Luftaufnahme der Generalversammlung der Molkerei Berchtesgadener Land, die als Autokino organisiert war.

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Herr Pointner, wenn Ihnen vor Corona jemand vorgeschlagen hätte, die Generalversammlung der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land als Autokino zu organisieren, was hätten Sie geantwortet?

Bernhard Pointner: Ich hätte geantwortet: Seien Sie mir nicht böse, aber das geht gar nicht. Die Generalversammlung ist einer der Höhepunkte im Geschäftsjahr. Vor der Veranstaltung informieren wir unsere Mitglieder über unsere vielfältigen Projekte, zum Beispiel über unser Saatgutprojekt zur Grünland-Anreicherung, über neue Produkte, geplante Kurse in unserer Wissenswerkstatt, aber auch über unsere Kooperationen, etwa mit der Enzianbrennerei Grassl, dem Radteam Maloja-Pushbikers oder dem Eishockeyverein Starbulls Rosenheim. Neben den vielen Informationen erwarten unsere Mitglieder außerdem ein anständiges Essen und Getränke auf ihrer Generalversammlung und wollen die Zeit auch für Gespräche und Austausch nutzen!

Nun ist es wegen Corona doch so gekommen. Genau genommen waren es sogar zwei Generalversammlungen an einem Tag – die nachgeholte Versammlung für 2019 sowie die für 2020. Welche Gründe und Überlegungen haben dazu geführt, die Generalversammlung für 2019 erst jetzt gemeinsam mit dem 2020er-Termin durchzuführen?

Pointner: Wir halten unsere Generalversammlung gewöhnlich Ende April ab. Da kam uns der erste Lockdown dazwischen. Planungen für einen Nachholtermin im Herbst wurden durch die zweite Welle durchkreuzt, die im Berchtesgadener Land aufgrund der grenzbedingt hohen Inzidenzzahlen schon Mitte Oktober zum Start des zweiten Lockdowns führte und im Frühjahr 2021 dann nahtlos in die dritte Welle überging.

Was unterscheidet die General- von der Vertreterversammlung?

„Bei Genossenschaften mit mehr als 1.500 Mitgliedern kann die Satzung bestimmen, dass die Generalversammlung aus Vertretern der Mitglieder (Vertreterversammlung) besteht“, lautet der erste Satz von §43a Genossenschaftsgesetz. In diesem Fall ist die Vertreterversammlung das höchste Entscheidungsorgan der Genossenschaft. Vertreter müssen Mitglied der Genossenschaft sein und dürfen weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat angehören.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, die Generalversammlungen als Autokino durchzuführen?

Pointner: Durch das Autokino-Format konnten die Abstimmungen nach Zustimmung der Mitglieder wie gewohnt per Akklamation abgewickelt werden – so wie in den vergangenen Jahren auch. Statt Handzeichen zu geben, haben die Mitglieder ein Fähnchen aus ihrem Auto gehalten. Parkeinweiser, Polizei und Rotes Kreuz waren bereits morgens um 7 Uhr im Biathlonzentrum in Ruhpolding vor Ort. Zu dieser Zeit war die Chiemgau Arena – so heißt das Stadion offiziell – noch menschenleer. So haben wir sichergestellt, dass sich zu den Versammlungen nur Stimmberechtigte und Helfer auf dem Gelände aufgehalten haben. Nur wer sich als Mitglied mit Eintrittskarte ausweisen konnte, durfte mit dem Auto auf das Gelände fahren. Alle Helfer trugen auf dem Gelände grüne Warnwesten, damit wir sie von den Stimmberechtigten unterscheiden konnten. Als Alternative hatten wir auch eine virtuelle Generalversammlung geprüft. In der Abwägung aller Vor- und Nachteile haben wir uns dann aber für die Autokino-Variante entschieden.

Was mussten Sie bei der Organisation der Generalversammlungen alles beachten, damit diese rechtlich einwandfrei über die Bühne gehen konnten?

Pointner: Die wichtigsten Punkte waren sicher eine saubere organisatorische Trennung der Versammlungen für 2019 und 2020 mit einer kurzen Pause zwischen beiden Terminen, die fristgerechten Einladungen und die satzungsgemäße Abwicklung der anstehenden Abstimmungen. Außerdem haben die Mitglieder ein Recht darauf, sich bei der Generalversammlung zu Wort melden zu können. Das mussten wir technisch sicherstellen. Der GVB hat uns wie gewohnt fundiert und engagiert bei der rechtssicheren Umsetzung der beiden Generalversammlungen unterstützt.

General- oder Vertreterversammlung für 2019 kann nachgeholt werden

Bei Genossenschaften, die 2020 wegen der Corona-Pandemie keine General- oder Vertreterversammlung für 2019 durchgeführt und diese auch noch nicht nachgeholt haben, stehen unter anderem folgende Beschlüsse aus:

  • Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat,
  • Wahlen zum Vorstand und Aufsichtsrat (sofern erforderlich),
  • Gewinnverwendungsbeschluss für das Geschäftsjahr 2019.

Die Genossenschaften können ihre General- oder Vertreterversammlung für 2019 in diesem Jahr nachholen. Dabei sind jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit verschiedene Punkte zu beachten:

  • Die Versammlung des Jahres 2020 darf am selben Tag wie die Versammlung des Jahres 2021 stattfinden. Beide Versammlungen sind jedoch gesondert mit einer eigenen Einladung einzuberufen.
  • Zwischen beiden Versammlungen ist unbedingt eine zeitliche Trennung vorzunehmen. Nur so können die Beschlüsse der 2019er-Versammlung gesetzeskonform umgesetzt werden. Die 2020er-Versammlung darf erst beginnen, wenn die 2019er-Versammlung einschließlich der Verkündung der Beschlüsse ordnungsgemäß beendet wurde.
  • Ein nachzuholender Gewinnverwendungsbeschluss für das Geschäftsjahr 2019 kann nur gefasst werden, solange der Jahresabschluss 2020 noch nicht festgestellt wurde.

Weitere Informationen, wie General- oder Vertreterversammlungen für 2019 in diesem Jahr nachgeholt werden können, erhalten GVB-Mitglieder in einem Rundschreiben im Mitgliederbereich der GVB-Webseite. Alle Informationen zur Durchführung einer General- oder Vertreterversammlung in Corona-Zeiten und mögliche Varianten gibt es auf der Corona-Sonderseite im Mitgliederbereich der GVB-Webseite.

Welche Besonderheiten mussten Sie bei der Organisation der Generalversammlungen als Autokino im Vergleich zu einer herkömmlichen Versammlung beachten?

Pointner: Vor Ort hatten wir vor allem zwei Herausforderungen zu meistern: Zum einen mussten wir ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeiten. Das haben wir mit Unterstützung des Traunsteiner Landrats Siegfried Walch, des Ruhpoldinger Bürgermeisters Justus Pfeifer sowie des Roten Kreuzes und der Polizei umgesetzt. Zum anderen mussten wir gewährleisten, dass die Mitglieder die Versammlungen aus ihrem Auto heraus problemlos verfolgen können. Dazu haben wir die Reden des Vorstandsvorsitzenden, des Aufsichtsratsvorsitzenden und der Geschäftsführung per Radiofrequenz in die Autos übertragen. Zusätzlich haben wir die Versammlungen aufgezeichnet und mit einer Drohne Luftaufnahmen gemacht, um alles zu dokumentieren.

Neuer Aufsichtsratsvorsitzender

Josef Siglreithmayr aus Traunreut, der fast 30 Jahre die Geschicke der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land als Aufsichtsratsvorsitzender begleitet hatte, wurde auf der Generalversammlung 2019 aus seinem Amt verabschiedet. Zu seinem Nachfolger wurde Anton Berger aus Teisendorf bestimmt, der auch gleich durch die Generalversammlung 2020 führte. Mehr zu dieser Personalie lesen Sie im „Profil“-Genogramm in dieser Ausgabe. Über die Themen der Generalversammlungen und die Geschäftsjahre 2019 und 2020 informiert die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land auf ihrer Webseite.

Andere Genossenschaften stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie Sie: Sie müssen General- oder Vertreterversammlungen organisieren, die einerseits ausreichend Schutz vor einer Corona-Ansteckung bieten, andererseits den rechtlichen Anforderungen genügen. Welche Tipps und Tricks können Sie aus Ihrer Erfahrung weitergeben?

Pointner: Es ist wie immer im Leben: Holen Sie sich die richtigen Partner ins Boot! Das ist das A und O einer guten Veranstaltungsorganisation. Ansonsten gilt es, durch eine gute Planung auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Folgende Punkte waren für uns besonders wichtig:

  • Zur besseren Planung der Kapazitäten haben wir unsere Mitglieder im Vorfeld befragt, wer zu den Generalversammlungen kommen will. So konnten wir die Situation besser einschätzen und ausreichend Pkw-Stellplätze und Personal vorhalten.
  • Die Reden wurden per Ultrakurzwelle übertragen. Auf diese Weise konnten die Mitglieder das Audiosignal witterungsunabhängig im Autoradio empfangen. Dafür benötigt man nicht nur die passende Tontechnik inklusive technischem Servicepersonal, sondern auch eine rundfunkrechtliche Genehmigung. Außerdem muss man bei der Bundesnetzagentur die benötigte UKW-Frequenz beantragen. Dazu kommt die passende Bildtechnik mit Leinwand. Dabei hat uns das Team des Biathlonzentrums vollumfänglich unterstützt. Mit der Firma Musik Mayer aus Nußdorf, die in der Chiemgau Arena üblicherweise die Übertragungen bei den Wettkämpfen umsetzt, hatten wir einen Profi für die Technik vor Ort.
  • Geschäftsführung, Vorstand und Aufsichtsrat der Molkerei sowie alle Helfer inklusive Techniker und Rotes Kreuz wurden vor der Veranstaltung auf Corona getestet. Dafür haben wir eine eigene Schnelltest-Station eingerichtet. Nur wer negativ getestet wurde, durfte auf das Gelände.
  • Die Mitglieder wurden nicht getestet. Dafür durften sie ihre Autos nur einzeln für einen Toilettengang oder bei einem Notfall und nur mit FFP2-Maske verlassen. Andere Mitglieder persönlich zu begrüßen und ein paar Worte zu wechseln, wie es sonst bei unseren Generalversammlungen gängige Praxis ist, war dieses Mal leider nicht möglich. Die Toiletten wurden regelmäßig gereinigt und desinfiziert. Die Parkeinweiser haben darauf geachtet, dass die Hygieneregeln eingehalten wurden.
  • Bei der Ankunft auf dem Gelände erhielt jedes Mitglied neben einem abgepackten Lunchpaket, verschlossenen Getränken und einer FFP2-Maske auch ein Fähnchen für die Abstimmungen.
  • Dazu gab es einen Flyer mit allen Informationen zur Wegeführung, zum Verhalten auf dem Platz und auf welcher Radiofrequenz die Versammlungen übertragen werden.
Foto von Bernhard Pointner auf der Generalversammlung der Molkerei Berchtesgadener Land.

Geschäftsführer Bernhard Pointner informierte die Mitglieder auf den beiden Generalversammlungen über die aktuelle wirtschaftliche Lage der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land.

Foto des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Anton Berger auf der Generalversammlung der Molkerei Berchtesgadener Land.

Anton Berger, Landwirt aus Teisendorf, führte als neuer Aufsichtsratsvorsitzender durch das Programm der 2020er-Generalversammlung der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land.

Foto des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Josef Siglreithmayr auf der Generalversammlung der Molkerei Berchtesgadener Land.

Josef Siglreithmayr wurde nach knapp 30 Jahren Ehrenamt als Aufsichtsratsvorsitzender der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land verabschiedet.

Am Tag der Generalversammlungen schien die Sonne über der Chiemgau Arena in Ruhpolding. Theoretisch hätte Ihnen das Wetter aber auch übel mitspielen können. Wie haben Sie das in Ihrer Planung berücksichtigt?

Pointner: Die Mitglieder konnten beide Generalversammlungen in Gänze über UKW im Autoradio mithören. Darauf kam es an. Die Präsentationen dienten nur zur Veranschaulichung der Reden. Wäre wie in der Vorwoche wegen Schneetreibens keine freie Sicht auf die Riesenleinwand gegeben gewesen, hätte die Veranstaltung trotzdem planmäßig umgesetzt werden können. Wir waren sogar darauf vorbereitet, dass einige Autos nach der insgesamt vierstündigen Doppelveranstaltung liegen bleiben. Tatsächlich mussten wir drei Autos Starthilfe geben, weil die Batterien leer waren. Dafür haben wir Reservesprit und einen Pannenservice vorgehalten. Auch an solche vermeintlichen Kleinigkeiten sollte man denken, um für alle Fälle gerüstet zu sein.

Unterstützung durch den GVB

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) unterstützt seine Mitglieder bei der Abhaltung ihrer General- oder Vertreterversammlung für die Jahre 2020 und 2021. Ansprechpartner für Kreditgenossenschaften sind Walter Friedrich, Leiter Marktbereich Nord, wfriedrich(at)gv-bayern.de, 089 / 28 68-35 20 und Siegfried Drexl, Leiter Marktbereich Süd, sdrexl(at)gv-bayern.de, 089 / 28 68-35 40. Gewerbliche/ländliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften wenden sich an Udo Löw, Bereichsleiter Prüfung/Betreuung Ware und Dienstleistung, uloew(at)gv-bayern.de, 089 / 2868-3560. Rechtliche Fragen beantwortet Peter Warbanow von der GVB-Rechtsberatung, pwarbanow(at)gv-bayern.de, 089 / 2868-3717.

Am Ende haben Sie beide Generalversammlungen augenscheinlich gut über die Bühne gebracht. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Pointner: Wir sind froh, dass wir die beiden Geschäftsjahre 2019 und 2020 mit den jeweiligen Generalversammlungen ordnungsgemäß abschließen konnten. Nun können wir auch die beschlossene Nachzahlung von 0,1 Cent pro Kilogramm Milch für das Jahr 2020 mit dem aktuellen Milchgeld an die Landwirte überweisen. Außerdem beruhigend zu wissen: Das Veranstaltungskonzept könnten wir jederzeit als Blaupause für eine Wiederholung verwenden. Die Organisation im Team mit Landrat, Bürgermeister, Biathlonzentrum und unseren eigenen Mitarbeitern hat reibungslos funktioniert. Dafür haben sich Geschäftsführung, Vorstand und Aufsichtsrat der Molkerei auch bei allen Beteiligten bedankt.


Herr Pointner, vielen Dank für das Interview!

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