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Das Zukunftsfinanzierungsgesetz der Bundesregierung soll den Finanzstandort Deutschland durch Digitalisierung und Entbürokratisierung attraktiver machen. Dazu gehört zwingend, die Rechtslage seit dem AGB-Urteil vom April 2021 klarzustellen. Denn die Situation seit dem Urteil zeigt, wie wir uns in Deutschland bei der Zukunftsfähigkeit oft im Weg stehen. Statt Verbraucher und Banken zu entlasten, sehen sich beide Seiten einer bürokratischen Mehrbelastung ausgesetzt, die für das breite Privatkundengeschäft untauglich ist. Die Signalwirkung des Urteils gilt auch für andere Branchen. Deshalb ist eine Neuregelung gefordert, für die sich der GVB stark macht.

AGB-Urteil hilft niemandem – am wenigsten den Verbrauchern

In den zwei Jahren nach der BGH-Entscheidung sind die Implikationen des Urteils deutlich geworden, und diese sind nicht im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher. Banken müssen bei AGB-Änderungen seitdem aktiv die Zustimmung ihrer Kunden einholen, während zuvor eine Information zum Widerspruchsrecht die Interessen der Verbraucher schützte. Wer denkt, das Urteil sei eine Stärkung von Verbraucherrechten, hat in der Praxis nicht viel mit Verbrauchern zu tun. Die Zustimmungspflicht hat nämlich die Reaktionslast stark auf den Kunden verlagert. Denn antworten die Kunden nicht, geht daraus nicht hervor, ob ein Widerspruch oder eben eine Nicht-Reaktion abzuleiten ist. Die Kundinnen und Kunden bekommen also fortlaufend Nachrichten von ihrer Bank – gerade bei Kunden, die nicht besonders digitalaffin sind, bedeutet das viel Papier und hohe Kosten. Dabei möchten die allermeisten Kunden bei ihrer Bank bleiben, das zeigen die hohen Zustimmungsquoten von inzwischen bis zu 98 Prozent bei unseren Volks- und Raiffeisenbanken. Die zwei Prozent, die einer Änderung letztlich nicht zustimmen, konnten auch unter der früheren Widerspruchslösung in einfacher Weise ihren Willen ausdrücken. Es stellt sich damit die Frage, wen die Verbraucherschützer mit ihrer Klage eigentlich schützen wollen? Denn es ist mit dem Zusatzaufwand für die Verbraucher noch nicht getan. Versäumen sie es, ihrer Bank auch nach mehrmaligem Aufruf ihre Zustimmung mitzuteilen, sind Banken im Zugzwang, die Geschäftsverbindung als Ultima Ratio zu kündigen. Denn für die Bank entsteht durch die Nicht-Reaktion eine prekäre Situation. Zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit muss sie in der Lage sein, die Konditionen im Massengeschäft uniform anzupassen. Kann sie das nicht, werden die Altverträge zunehmend zur finanziellen Belastung. So haben laut Medienberichten viele Banken und Sparkassen seit dem Urteil Hunderttausende Kündigungen ausgesprochen.

Zusammengefasst haben die Verbraucher also außer der Gefahr einer unbeabsichtigten Kündigung ihres Kontos nur Verwaltungsaufwand hinzugewonnen. Um ihren Kunden entgegenzukommen, haben manche Banken und Sparkassen einen unkonventionellen Weg gewählt. Sie sprechen vorsorglich die Kündigung aus, nutzt der Kunde das Konto im Anschluss aber weiter, werten sie dies als Zustimmung. Diese Situation ist von einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit geprägt. Es sagt viel über die politischen Verhältnisse aus, dass dieser Zustand nun seit zwei Jahren ungeregelt fortbesteht. So stellt sich auch die Frage, ob wir in Deutschland in der Lage sind, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der uns hilft, die großen Herausforderungen wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit innovativ zu bewältigen, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, AGBs praxistauglich zu regeln.

Was ist zu tun?

Es gibt eine Lösung, das BGB sachgerecht anzupassen, an der auch der GVB gearbeitet hat. Der Gesetzgeber tut sich schwer, diese umzusetzen, da er nicht in den Verdacht geraten möchte, die Verbraucherrechte auszuhöhlen. Die oben beschriebene Realität zeigt aber, dass das Urteil nur in der Theorie im Verbrauchersinne ist. Der Bundesrat teilt diese Ansicht inzwischen und hat in seiner Stellungnahme zum Zukunftsfinanzierungsgesetz die Empfehlung an die Bundesregierung gerichtet, das BGB entsprechend anzupassen. Es wäre ein wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland, denn ansonsten könnte sich die aktuelle, auf dem BGH-Urteil basierende Regelung durch die Rechtsprechung bald auf alle Branchen ausweiten. Durch die aktive Zustimmungspflicht wäre die deutsche Wirtschaft gelähmt, wieder einmal aufgrund unnötiger Bürokratie.

Die Situation erklärt stellvertretend für viele Bereiche, warum wir in Deutschland bei Innovationen nicht vorankommen. Die Intention steht im Vordergrund, nicht das Ergebnis, in diesem Fall für den Verbraucherschutz. Gleiches gilt im Zusammenhang mit der EU-Kleinanlegerstrategie, die als Intention den „Anlegerschutz“ hat, diesen aber als Bevormundung versteht und so den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zum Kapitalmarkt erschwert, was sich negativ auf die Altersvorsorge der Menschen auswirken würde. Auch im Zusammenhang mit Digitalisierung wird oft die Frage gestellt, ob beispielsweise Datenschutzvorschriften dem besten Interesse der Verbraucher häufig entgegenstehen.

In den nächsten zwei Jahren stehen viele politische Richtungsentscheidungen an. Ob die AGB-Neuregelung des Bundesrats sich durchsetzt, kann deshalb als Indikator gesehen werden, wie sich der Wirtschaftsstandort Deutschland in Zukunft entwickelt.
 

Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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