Impuls: Welchen Prinzipien der Bürokratieabbau folgen muss, um den Mittelstand wirklich zu entlasten, erklärt GVB-Präsident Gregor Scheller in seiner Kolumne „Impuls“.
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Der Bankensektor gehört zu den am meisten regulierten Branchen. Das ist gut und richtig so. Schließlich vertrauen Millionen von Sparerinnen und Sparern den Instituten ihr hart erarbeitetes Geld an. Man kann nicht dem Zufall überlassen, ob die Einlagen sicher sind oder nicht. Regulierung leistet einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems. Die Banken wiederum sind professionell agierende Einrichtungen, die mit Auflagen umgehen können.
Regulatorik erfüllt eine zentrale Aufgabe. Sie schafft für die Verbraucher Sicherheit und definiert Standards, die von allen einzuhalten sind. Gleichzeitig braucht es aber zwingend einen funktionierenden Wettbewerb. Denn Wettbewerb schafft Mehrwert – durch bessere, kostengünstigere Angebote. Beides muss fair in Balance gebracht werden, sonst verkehren sich die guten Absichten ins Gegenteil.
Wirkung kann sich ins Gegenteil verkehren
Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die vielen, komplexen und nicht immer schlüssig ineinandergreifenden Vorgaben der unterschiedlichen Aufsichtsbehörden und Gesetzgeber entweder nicht das bewirken, was sie sollen, oder gar an einer Stelle eingreifen, an der sie nicht wirken sollen: dem Wettbewerb und damit dem freien Markt. Grundsatz muss immer sein: Gleiche Geschäftsmodelle müssen gleichbehandelt werden. Ansonsten gilt es, zu differenzieren.
Es ist ähnlich wie im Straßenverkehr. Verbindliche Regeln gelten für alle gleichermaßen. In geschlossenen Ortschaften gilt eine maximale Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern. An ein Überholverbot müssen sich alle halten und wenn es nicht anders geregelt ist, gilt an Kreuzungen und Einmündungen rechts vor links.
Nicht immer wird mit gleichem Maß gemessen
„Level playing field“ lautet hier das Stichwort. Wer sich im Banking tummelt, hat auch die Banking-Auflagen zu erfüllen. Punkt! Was so einfach klingt und auch für weite Teile der Branche stimmt, wird aber nicht in allen Fällen so gehandhabt. Das ist auf Dauer kaum hinzunehmen. Denn so etwas stellt nicht nur eine Gefahr für Einlagen und andere Assets dar – es verzerrt auch den Wettbewerb und ist damit unfair und nicht zielführend.
Beispiel eins: Wird wirklich von der Aufsicht überall gleichermaßen genau hingesehen? Der Skandal um einen einstigen Zahlungsdienstleister und dessen anschließender Zusammenbruch legen zumindest den Eindruck nahe, dass hier eben nicht so genau hingesehen wurde, wie es notwendig gewesen wäre. Begeistert davon, dass hier aus Deutschland heraus ein neuer globaler Wettbewerber am Entstehen ist, der in der Lage sein sollte, den amerikanischen Platzhirschen Paroli zu bieten, ließ sich wohl der eine oder andere blenden. Vom Investor bis hin zu denen, die solche Entwicklungen gar nicht erst zulassen sollten.
Schattenbanken mit Wettbewerbsvorteil
Beispiel zwei: Ein Bereich im Finanzsystem unterliegt kaum einer Regulierung, die sich mit der für Banken vergleichen ließe: das weite Feld der sogenannten Schattenbanken. Von ihnen werden gigantische Milliardensummen verwaltet. Bei ihnen handelt es sich um Institutionen, die bestimmte Bankenfunktionen ausüben, aber nicht den gleichen regulatorischen Anforderungen wie traditionelle Banken unterliegen. Der Begriff Schattenbanken bezieht sich auf eine Vielzahl von Finanzintermediären, einschließlich Investmentfonds, Geldmarktfonds, Hedgefonds, Wertpapierleihunternehmen und andere Einrichtungen, die bankenähnliche Funktionen erfüllen. Auch wenn diese nicht eins zu eins klassischen Banken entsprechen, und beispielweise keine Einlagen einsammeln und somit auch nicht der Einlagensicherung unterliegen, haben diese gegenüber klassischen Kreditinstituten einen Wettbewerbsvorteil.
Wann es Sonderregelungen braucht
„Gleiche Regeln für alle“ kann aber nur dann gelten, wenn es auch um vergleichbare Angebote geht. Es muss auch Sonderregelungen geben. Auch das ist wie im Straßenverkehr: Für Lastwagen gelten nicht dieselben Regeln wie für Pkw. Lastwagen dürfen in der Regel maximal 80 Stundenkilometer schnell sein – bei Gefahrguttransporten gelten noch niedrigere Tempolimits und sie brauchen gegebenenfalls weitere Genehmigungen. Gefahrguttransporte sind wichtig und oft genug auch unerlässlich – aber es gelten aufgrund des höheren Risikos, das von ihnen ausgeht, auch strengere Regeln. Ungleiche Sachverhalte werden also auch unterschiedlich geregelt, abhängig vom Risiko. Das sollte auch in der Bankregulierung gelten.
Nur wenige Erleichterungen für kleine Banken
Allerdings wird im Bankwesen oft zu wenig differenziert. Es wird zwar über Proportionalität in der Bankenregulierung geredet, aber diese fällt in der Praxis gering aus. Kleine, nicht systemrelevante Banken wie die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken, die aufgrund eines einfachen, regionalen und risikoarmen Geschäftsmodells solide unterwegs sind, können nicht auf viel Nachsicht hoffen. Ja, sie haben gegenüber anderen Instituten aufsichtliche Erleichterungen. Diese aber fallen so gering aus, dass sie in der Praxis kaum ins Gewicht fallen.
Wettbewerbsnachteil für weniger bedeutende Institute
Ein Beispiel ist der SNCI-Status, der ein Institut als klein und nicht komplex einstuft. Solche Institute sind keine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems, da ihr Bilanzsummenmaximum nur ein Sechstel des Schwellenwerts beträgt, der ein Institut als nicht systemrelevant einstuft (LSI – weniger bedeutende Institute). SNCI sind also weit weg davon, eine Gefahr für das Finanzsystem darzustellen. Aufgrund ihrer geringen Größe schlagen die administrativen Lasten der Regulierung aufgrund fehlender Skaleneffekte aber besonders hart auf sie durch, was einen klaren Wettbewerbsnachteil darstellt.
Leider bringt der SNCI-Status bisher kaum eine Erleichterung. Tatsächlich beschränkt sich diese weitgehend auf einen Punkt, die Anwendung der vereinfachten strukturellen Liquiditätsquote (sNSFR). Die Einführung der sNFSR und anderer Erleichterungen wie vereinfachter Meldebögen in manchen Bereichen des Meldewesens ist gut gemeint und geht in die richtige Richtung, trifft aber den Kern des Problems nicht ganz.
Die zur Meldung benötigten Daten müssen meist in gleicher Weise wie bei größeren Instituten gesammelt und aufbereitet werden. Die Reduzierung der gemeldeten Zahlen, indem diese zum Beispiel aggregiert geliefert werden, ändert am Erfüllungsaufwand für die Banken wenig. Wichtiger wäre es zu evaluieren, ob gewisse Meldeanforderungen und Offenlegungspflichten ganz gestrichen werden können.
Eine Mehrbelastung ohne Nutzen
Die Säule-III-Offenlegung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht soll für Transparenz sorgen, damit Investoren ihre Entscheidungen am Kapitalmarkt besser lenken können. SNCI sind nicht kapitalmarktorientiert. Während sich für große Institute die Offenlegung lohnen kann, da sie Investoren anlockt und den Aktienkurs positiv beeinflussen kann, können SNCI von diesem Mechanismus nicht profitieren. Für SNCI ergibt sich nur eine Mehrbelastung ohne Nutzen. Der EU-Gesetzgeber tut sich dabei sogar schwer, SNCI nicht noch neue Offenlegungsvorschriften aufzuerlegen, wie die Trilogverhandlungen zu Basel-IV zeigen.
Große Institute, die ein anderes Geschäftsmodell verfolgen und beispielsweise eine Investmentsparte betreiben, haben ungleich höhere Risiken zu tragen. Aufgrund ihrer Größe haben sie de facto einen klaren Wettbewerbsvorteil – weil zum Beispiel im Meldewesen der Aufwand zwar höher ist, aber im Verhältnis zur Bilanzsumme deutlich weniger ins Gewicht fällt als bei kleinen Banken. Wirklich spürbare Proportionalität schaut anders aus.
Genossenschaftliche Institutssicherung übertrifft die diskutierte europäische Einlagensicherung
Ein weiteres Beispiel: Seit Jahren geistert immer wieder die Debatte um eine europäische Einlagensicherung herum, sei es unter dem Akronym EDIS oder aktuell unter CMDI (Krisenmanagement und Einlagensicherung). Es geht darum, für sämtliche europäische Banken eine einheitliche Regelung zu etablieren, was im Fall einer Bankenpleite passieren soll. Klingt logisch. Was allerdings in der Debatte immer wieder unter den Tisch fällt, ist die unterschiedliche Ausgangssituation der Banken.
Volks- und Raiffeisenbanken haben beispielsweise mit der Institutssicherung ein eigenes funktionierendes Sicherungssystem. Dieses ist auf Prävention ausgelegt – greift also ein, wenn sich ein mögliches Problem am Horizont abzeichnet. Das Ergebnis: Noch nie hat eine Sparerin oder ein Sparer aufgrund der Schieflage einer Volks- und Raiffeisenbank sein Geld verloren. Und staatliche Rettungseingriffe gab es bislang ebenso wenig. Das heißt: die genossenschaftliche Institutssicherung übertrifft schon heute alles, was für Europa unter dem Schlagwort EDIS oder CMDI diskutiert wird. So steht im europäischen Krisenmanagement die schnelle Abwicklung im Vordergrund, Prävention ist nicht vorgesehen. Es geht nur um die Reaktion, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Die Folge: Die ohnehin risikoarm agierenden Volks- und Raiffeisenbanken müssten im Fall der Fälle riskant agierenden Banken andernorts finanziell zur Seite springen. Ihr eigenes System würde unter die Räder geraten und Begehrlichkeiten von Akteuren wecken, die ihrerseits nicht bereit sind, ihr Risiko zu minimieren. Ein freiwilliger und selbst finanzierter Wettbewerbsvorteil würde zugunsten eines Systems beiseitegeschoben, das der Logik folgt: Gewinne behalte ich, Risiken verteile ich auf die Schultern von Unbeteiligten.
Mehr Vertrauen in die Kräfte des Markts
Diese Aufzählung ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Es gibt also noch viel zu tun, um die Bankregulierung in die richtige Balance zu bringen: Sicherheit schaffen, Unterschiede anerkennen und gleichzeitig Wettbewerb ermöglichen. Hilfreich wäre mehr Vertrauen in die Kräfte des Marktes. Manchmal ist weniger mehr – das gilt auch in der Regulierung. Mehr Konsistenz, das Anerkennen von Unterschieden und das wirkliche Ineinandergreifen der Vorgaben der unterschiedlichen Regulatoren könnten hier einen Beitrag leisten.
Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).
Dieser Beitrag erschien zunächst im Magazin „bank und markt“ vom 16. Januar 2024 (hier lesen; Bezahlschranke).