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Drei Einweckgläser, unterschiedlich voll gefüllt mit Münzen (Symbolbild).

Michael Bauer, KC Risk AG: „Der Kampf um Einlagen ist zur zentralen Steuerungsdimension geworden“

Gut eineinhalb Jahre ist es her, dass die Europäische Zentralbank am 27. Juli 2022 die geldpolitische Kehrtwende einleitete und die Leitzinsen nach neun Jahren mit negativen Einlagenzinsen im Rekordtempo um viereinhalb Prozentpunkte nach oben trieb. Alsbald hieß es auch bei den Banken: Es gibt wieder Zinsen auf Einlagen, Sparen lohnt sich wieder!

Und jetzt, nachdem die Leitzinsen seit September 2023 bei 4,5 Prozent für den Hauptrefinanzierungssatz verharren und es für die Banken wieder attraktiv ist, Einlagen einzusammeln, hat sich die Lage für die Kreditinstitute normalisiert? Mitnichten, sagt Michael Bauer, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung des Kompetenzcenters Risikosteuerung – KC Risk AG in Nürnberg. Die KC Risk AG berät Genossenschaftsbanken in ganz Deutschland zu Steuerungsthemen und Risikomanagement.

„Die bedarfsorientierte Einlagenbewirtschaftung wird uns auch im Jahresverlauf 2024 noch als wichtiges strategisches Thema vollumfänglich begleiten“, sagt Bauer.  In der Niedrigzinsphase waren die Banken bestrebt, Bilanzrelationen zu optimieren und den Einlagenüberschuss zu begrenzen. Im Kontext einer ganzheitlichen Kundenberatung wichen die Institute hierbei auch verstärkt auf höher rentierliche Produkte der Verbundpartner aus.  Der Kauf von Wertpapieren versprach eine positive Rendite, die Banken konnten ihr Provisionsgeschäft stärken. „Diese Welt und die strategische Stoßrichtung hat sich komplett gedreht. Inzwischen müssen die Banken aufpassen, dass nicht zu viele Kundengelder abfließen, sodass Wachstumspotenzial verloren geht. Der Kampf um Einlagen ist zur zentralen Steuerungsdimension geworden“, sagt Bauer.

Um in der aktuellen Hochzinsphase bilanziell nicht ins Schlingern zu geraten, müssen die Banken viele Dinge im Blick behalten. Davon sind die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken nicht ausgenommen. Wie hoch müssen die Zinsen auf der Passivseite sein, um wettbewerbsfähig zu sein und Einlagenabflüsse zu verhindern? Wie hoch muss die Zinsmarge sein, um die Erträge und barwertige Reserven zu sichern? Drohen bei plötzlichen Mittelabflüssen Liquiditätsengpässe und werden aufsichtliche Kennzahlen gerissen? Welche Sparprodukte erwarten die Kunden, welche passen zur eigenen Geschäftspolitik? Wie sieht die eigene Produktstrategie aus?

Bauer könnte noch viele weitere Fragen aufwerfen, mit denen sich die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken gerade beschäftigen müssen. Denn Fehleinschätzungen in der Steuerung des Passivgeschäfts können schnell zu einem bilanziellen Problem werden. „Wenn mir durch plötzliche Einlagenabflüsse Liquidität fehlt, muss ich im Extremfall Eigenanlagen unter Buchwert veräußern und Kursverluste realisieren, um die Abflüsse auszugleichen. Das schwächt meine Ertragslage“, sagt Bauer. Banken, die in der Niedrigzinsphase stark auf Kreditwachstum gesetzt haben, müssten sich bei knappen Einlagen gegebenenfalls am Interbankenmarkt refinanzieren. Das sei sehr teuer. Liquidität sei am Bankenmarkt derzeit wieder ein knappes Gut.

Im denkbar ungünstigsten Fall könnte die Beschaffung von Kapital auf der Passivseite mehr kosten, als auf der Aktivseite durch Kreditzinsen und Eigenanlagen eingenommen wird. Das sei natürlich keine tragfähige Strategie, da mittel- und langfristig die Thesaurierungsfähigkeit der Banken geschmälert werde, meint Bauer. Schlimm wäre, wenn es zu einer Kaskade negativer Ereignisse kommt. Was dann passiere, sei am Beispiel der Silicon Valley Bank gut zu beobachten gewesen. Die amerikanische Bank war durch Einlagenabflüsse Anfang 2023 gezwungen, eigene Anleihen zu verkaufen und dabei Kursverluste in Milliardenhöhe zu realisieren. Als das ruchbar wurde, konnte eine erforderliche Kapitalerhöhung nicht mehr durchgeführt werden. Die Bank musste vom US-amerikanischen Einlagensicherungsfonds FDIC übernommen werden und wurde anschließend zerschlagen. Solche Fälle seien bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken dank ihrer soliden Geschäftspolitik sehr unwahrscheinlich, gleichwohl müssten die Risikofaktoren ernst genommen werden.

„In der Produktstrategie sollte klar definiert sein, was der Sinn und Zweck eines Produkts ist und wie das gesamte Produktportfolio aussehen soll.“

Michael Bauer, KC Risk AG

Doch der Experte der KC Risk AG will nicht schwarzmalen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken hätten ihre Zinsen sehr umsichtig angepasst und ehedem bewährte Passivprodukte wie Spar- und Termineinlagen wieder aufleben lassen. Viele Institute bieten laut Bauer Termineinlagen mit Kündigungsfrist an und vermarkten diese als Kündigungsgeld. Nun komme es darauf an, mit der richtigen Produktstrategie auf der Passivseite den Kundenerwartungen zu entsprechen, ohne die eigene Ertragslage aus dem Blick zu verlieren. „In der Produktstrategie sollte klar definiert sein, was der Sinn und Zweck eines Produkts ist und wie das gesamte Produktportfolio aussehen soll“, empfiehlt Bauer. Wichtig sei dabei, die Angebote möglichst einfach und transparent zu gestalten, damit die Beraterinnen und Berater den Kunden eine klare Empfehlung aussprechen können. Außerdem sollte es bei den Produkten möglichst wenige Überschneidungen geben, damit sich diese nicht gegenseitig kannibalisieren.

Eine gute Möglichkeit sei, mit dem Kunden eine Laufzeitstruktur aufzubauen. Das schaffe Kundennutzen und biete Anlass zur Beratung. Denkbar sei zum Beispiel eine Staffelung nach Sichteinlagen, Tages- oder Kündigungsgeldern für den kurzfristigen Liquiditätsbedarf sowie Spareinlagen und/oder eigene Inhaberschuldverschreibungen mit festen Laufzeiten bis zu fünf Jahren für die mittelfristige Geldanlage. Auf diese Weise hätten die Kunden immer Liquidität zur Verfügung, würden aber auch von höheren Zinsen profitieren beziehungsweise das Risiko fallender Zinsen absichern. Zudem seien (neue) Leuchtturmprodukte gut dazu geeignet, zinssensible Kunden an sich zu binden, ohne den Einlagenbestand generell zu verteuern. „Bankeinlagen müssen generell in der Beratung wieder einen zentralen Baustein der Vermögensanlage einnehmen.“

„Es ist sinnvoll, sich Gedanken zu machen, wie man sich beim Produktportfolio von der örtlichen Konkurrenz abgrenzen kann, um Kunden zu halten oder sogar neue zu gewinnen.“

Michael Bauer, KC Risk AG

Gleichwohl werde ein dauerhafter Vermögensaufbau bei den Kunden nur mit Bankeinlagen auch nicht möglich sein, gibt Bauer zu bedenken. Die Beimischung zinsunabhängiger Assetklassen zur Strukturierung des Vermögens und als Renditetreiber ist nach wie vor essenziell, um eine nachhaltig positive Realrendite zu erwirtschaften. Die klassischen Einlagenprodukte ließen sich zum Beispiel gut durch Fonds, Fondssparen oder Anlagen in Edelmetalle ergänzen. Das stütze auch die Geschäftsbeziehung zu den Verbundpartnern und das Provisionsergebnis. Auch innovative Geldanlagen mit nachhaltigem oder regionalem Anstrich, wie zum Beispiel die von der VR-Bank Würzburg initiierte Crowdinvesting-Plattform VR-Crowd, seien eine interessante Alternative, um die durchschnittliche Rendite des Gesamtvermögens zu optimieren. „Es ist sinnvoll, sich Gedanken zu machen, wie man sich beim Produktportfolio von der örtlichen Konkurrenz abgrenzen kann, um Kunden zu halten oder sogar neue zu gewinnen“, empfiehlt der Experte der KC Risk AG. Das funktioniere jedoch nur über die Beratungsqualität. „Die Preisführerschaft bei den Zinskonditionen anzustreben, ist im Wettbewerb mit den Direktbanken nicht realistisch.“

Deshalb brauche es Fingerspitzengefühl bei der Konditionsfindung. Bauer empfiehlt, alle Entscheidungen in einer großen Runde zu diskutieren, in die Vertrieb, Treasury und Controlling eingebunden sind. Denn neben einer klaren Produktstrategie brauche jede Bank auch Klarheit, in welchem Marktumfeld sie sich bewegt und welchen Refinanzierungsbedarf sie hat. Die Preisfindung sowohl im Einlagen- als auch Kreditgeschäft müsse bedarfsorientiert erfolgen und sollte sich an der Bilanzstruktur orientieren. „Die Kredit-Einlagen-Quote ist hier ein einfacher und sinnvoller Indikator. Nähert sich die Bank der Gefahr eines strukturellen Refinanzierungsbedarfs über den Interbankenmarkt an, ist es tendenziell ratsam, den Margenanspruch auf der Aktivseite auszuweiten und bei den Einlagenprodukten zu begrenzen – und umgekehrt“, erklärt Bauer an einem vereinfachten Beispiel.

Und natürlich wirft auch die Aufsicht ein strenges Auge auf das Geschäftsgebaren der Banken. So müssen die Kreditinstitute zum Beispiel mit der Liquiditätsdeckungsquote LCR nachweisen, dass sie in einem Stressszenario über ausreichend erstklassige Liquidität verfügen, die größer ist als alle Nettoabflüsse der nächsten 30 Tage. Darauf können die Institute mit ihrer Produktgestaltung Einfluss nehmen. „Festgelder mit   unterjährigen Laufzeiten schlagen schnell auf die LCR durch. Da auch die Marge bei solchen Produkten sehr gering ist, geht der Mehrwert für die Bank in Richtung null“, gibt Bauer ein Beispiel.

Ein anderer wesentlicher Prüfstein ist die verlustfreie Bewertung des Zinsbuchs nach der vom Bankenfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) verabschiedeten Stellungnahme IDW BFA 3. Diese verlangt, dass die Reserven im Zinsbuch größer sein müssen als die Verpflichtungen. Andernfalls müssen die Banken Drohverlustrückstellungen bilden. Hierbei müssen diverse Wirkungszusammenhänge beobachtet und gesteuert werden. Neben einer angemessenen Konditionsgestaltung sind insbesondere die Effekte aus Umschichtungen in höhere verzinste Produkte ein neuralgischer Aspekt. „Das ist bei vielen Banken ein neuer Engpassfaktor, der seit der Zinswende massiv an Bedeutung gewonnen hat. Die Stellungnahme IDW BFA 3 gibt es seit 2012, aber im Kontext stetig rückläufiger Zinsen und damit einhergehend hohen Reserven im Zinsbuch hat diese Dimension bei den meisten Banken keine Rolle in der Steuerung gespielt“, sagt Bauer.

Die Institute sollten sich deshalb intensiv damit auseinandersetzen, welche Einlagen umschichtungsgefährdet sind. Hilfreich sei ein Blick in alte Bilanzen von vor der Niedrigzinsphase, etwa der Jahre 2011 und 2012. „Auch wenn die damaligen Bilanzstrukturen wahrscheinlich nicht in Gänze wiederkommen werden, so ergeben sich doch Anhaltspunkte, wohin die Reise gehen könnte“, sagt Bauer. Wichtig sei bei der Steuerung der Bilanz, mögliche Engpässe frühzeitig in den Blick zu nehmen und darauf zu reagieren. „Dann werde ich kein Getriebener von irgendwelchen Kennziffern und bin frei in meinen strategischen Entscheidungen“, sagt Bauer.

Christian Muck, VR Bank Mittlere Oberpfalz: „Die Beratung zu Passivprodukten war das dominierende Thema im Jahr 2023“

Christian Muck bringt die Strategie für das Passivgeschäft seines Hauses auf eine einfache Formel: „Passivgeschäft muss transparent und einfach sowie rechen- und steuerbar sein“, sagt das Vorstandsmitglied der VR Bank Mittlere Oberpfalz mit Sitz in Schwandorf. Das Kreditinstitut steuert die Einlagen dabei nach dem Dreiklang Volumen, Margen und Produktnutzung. Dabei seien bei der Einlagenentwicklung im Jahresverlauf gewisse Zyklen erkennbar. „Im ersten Halbjahr ist die Entwicklung immer schwächer, im zweiten Halbjahr ziehen dann erst die gewerblichen Einlagen an und zum Jahresende die Privateinlagen“, berichtet Muck.

„Passivgeschäft muss transparent und einfach sowie rechen- und steuerbar sein.“

Christian Muck, VR Bank Mittlere Oberpfalz

Allerdings habe es nach der Zinswende eine Weile gedauert, bis das Thema bei den Kunden angekommen ist. „Wir haben unsere Kunden im zweiten Halbjahr 2022 angesprochen, dass es wieder Anlagen mit einem nennenswerten positiven Zins gibt. Aktiv geworden sind viele aber erst im Jahr 2023“, berichtet Muck. Inzwischen sprächen viele Kunden das Thema von sich aus an. „Die Beratung zu Passivprodukten war das dominierende Thema im Jahr 2023“, sagt der Vorstand. Die Bank habe unter anderem Sparbriefe mit attraktiver Verzinsung aufgelegt. „Vor allem die Laufzeiten bis drei Jahre haben eine nennenswerte Nachfrage erfahren“, berichtet Muck. Ein erheblicher Teil der Passiveinlagen bei der VR Bank Mittlere Oberpfalz sei inzwischen in Sparbriefen angelegt und nicht mehr in Sichteinlagen.

Der Bankvorstand aus der Oberpfalz begrüßt die Zinswende nachdrücklich. „Zehn Jahre lang konnten wir mit einer Hälfte der Bilanz kein Geld verdienen. Das hat sich Gott sei Dank geändert. Allerdings sind Regionalbanken auf langjährige Beziehungen ausgelegt. Deshalb bringen die Vehemenz und das Tempo des Zinsanstiegs doch einige Herausforderungen mit sich“, sagt Muck. Die Kunden hätten hohe Zinserwartungen an ihre Bank. Übertrieben gesagt erwarteten diese auf der Aktivseite weiterhin günstige Kreditzinsen am liebsten mit 20-jähriger Zinsbindung, auf der Passivseite soll das Tagegeld dagegen ebenfalls gut verzinst und jederzeit verfügbar sein. „Zwischen diesen Extremen zu moderieren ist Aufgabe der Banksteuerung und der Beratung“, sagt Muck.

Um für den Zinsanstieg gerüstet zu sein, arbeitete die VR Bank Mittlere Oberpfalz intensiv an ihrer Produktstrategie. Durch die Fusion der Raiffeisenbank im Naabtal und der VR Bank Burglengenfeld zur heutigen Kreditgenossenschaft im Jahr 2019 war das Produktportfolio auf der Passivseite zunächst sehr uneinheitlich. „Wir hatten zahlreiche Altprodukte, die nicht mehr zu unserer Strategie gepasst haben. Wir haben uns dann entschlossen, unsere Produktwelt zu straffen, alte Zöpfe abzuschneiden und unser aktives Portfolio auf eine überschaubare Anzahl von Einlagenprodukten zu begrenzen, die wir in Zukunft regelmäßig pflegen wollen“, berichtet Muck. Wichtig war der Bank, alle Produkte aus dem Angebot zu nehmen, die den Kunden die implizite Option boten, flexibel aus dem Vertrag auszusteigen, wenn sie etwa mit dem Zinssatz unzufrieden waren. Das sei zum Beispiel beim Wachstumssparen der Fall, das nach Laufzeiten gestaffelte Zinssätze mit einer schnellen Verfügbarkeit des Geldes kombiniere. Solche Produkte ließen sich nur schwer steuern.

„Im Grunde genommen ist die Renaissance des Sparens eine Renaissance des Termingelds in unterschiedlichen Ausprägungen.“

Christian Muck, VR Bank Mittlere Oberpfalz

Nun konzentriert sich das Institut bei kurzfristigen Geldanlagen auf Tagesgeld und Termingeld mit Kündigungsfristen, die sich nicht auf die Liquiditätsdeckungsquote LCR auswirken. Ebenfalls aufgenommen wurden Spareinlagen mit drei- und zwölfmonatiger Kündigungsfrist. „Im Grunde genommen ist die Renaissance des Sparens eine Renaissance des Termingelds in unterschiedlichen Ausprägungen“, hat Muck beobachtet. Für die langfristige Geldanlage bietet die Bank Sparbriefe mit einer Laufzeit von ein bis zehn Jahren an, wobei sich der Anlagehorizont der Kunden häufig auf ein Jahr beschränke. „Wir beraten die Kundinnen und Kunden dann dahingehend, dass die Zinsen auch wieder sinken könnten und sie zumindest einen Teil des Betrags in längere Laufzeiten investieren sollten, um auch längerfristig vom aktuellen Zinsniveau zu profitieren“, sagt Muck.

Zur Passivproduktstrategie gehöre auch, das Thema bei den Beraterinnen und Beratern regelmäßig auf die Tagesordnung zu setzen. „Ein Drittel unserer Beraterinnen und Berater hat zuvor noch nie zu Einlagenverzinsung beraten. Deshalb galt es, die Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und zu erklären, warum Sparprodukte wieder wichtig sind. Diese Aufgabe gehört zur laufenden Betreuung durch die Führungskräfte im Vertrieb“, sagt Muck.

Die wesentliche Herausforderung in der neuen Zinswelt sei der Spagat, die eigenen Produkte und Konditionen mit Blick auf Konkurrenzangebote am Markt so auszutarieren, dass sie für die Kunden attraktiv sind, die Bank aber trotzdem auskömmliche Margen erwirtschaftet. „Wichtig ist, regelmäßig in der Bank im Gespräch zu bleiben und sowohl die Impulse aus dem Vertrieb als auch aus der Steuerung aufzunehmen“, sagt Muck. Dazu schauen sich Vertrieb, Steuerung und Controlling alle zwei Wochen konsequent die Einlagenentwicklung und die Produktnutzung an, um bei Auffälligkeiten nachsteuern zu können. Das sei wesentlich, denn die Margen und die Marktzinsentwicklung seien noch lange nicht so stabil, wie sich die Bank das wünsche. „So intensiv musste man die Passivseite früher nicht steuern“, erinnert sich der Vorstand der VR Bank Mittlere Oberpfalz.

Michael Reif, VR-Bank Main-Rhön: „Ich bin froh, dass wir bei den Zinsen wieder in normales Fahrwasser kommen“

„In der Niedrigzinsphase waren wir in einer Situation, in der Geld keinen Wert mehr hatte. Ich bin froh, dass wir bei den Zinsen wieder in normales Fahrwasser kommen“, sagt Michael Reif, Mitglied des Vorstands der VR-Bank Main-Rhön. Auch bei der Kreditgenossenschaft mit Sitz in Schweinfurt entwickelte sich die Nachfrage der Kunden nach Sparprodukten anfangs sehr träge. „Direkt nach der Zinswende im Sommer 2022 hat sich das Kundenverhalten zunächst kaum verändert. Erst Anfang 2023 sind die Anleger aufgewacht und wollten kurzfristig investieren, um den weiteren Zinsanstieg nicht zu verpassen“, berichtet Reif.

Die VR-Bank Main-Rhön habe darauf mit einer Evolution des Produktportfolios reagiert. „Wir haben nach und nach neue Produkte auf den Markt gebracht und das Kündigungsgeld wieder aus der Schublade geholt, weil sich das wegen der Produktspezifikationen positiv auf die Liquiditätsdeckungsquote auswirkt“, berichtet Reif. Um die Kunden dazu zu bewegen, in längere Laufzeiten zu investieren, biete die Bank auch bei solchen Produkten attraktive Konditionen.

Flankiert werden die neuen Passivprodukte durch intensives Marketing in den sozialen Medien und im Online-Banking. Botschaft: „Die Zinsen sind zurück!“ Die Zinsen seien kein Grund, von seiner Heimatbank wegzugehen, betont Reif. Leuchtturmprodukt der VR-Bank Main-Rhön ist das TerminGeldTrio. Die Kunden investieren in eine feste Kombination aus drei Festgeldern. Die Mindesteinlage beträgt 12.000 Euro, jedes Jahr wird ein Drittel fällig. Aktuell zahlt die VR-Bank Main-Rhön für das Festgeld mit einjähriger Laufzeit 3,5 Prozent Zinsen, mit zweijähriger Laufzeit 2 Prozent und mit dreijähriger Laufzeit noch 1 Prozent (Stand 1. Februar 2024). „So bekommen wir Struktur in die Geldanlage unserer Kunden, die sich doch sehr zyklisch verhalten“, berichtet Reif.

„Wir steuern unser Portfolio und unsere Bilanz nie engpassorientiert, sondern stets vorausschauend, um gar nicht erst zu Adhoc-Maßnahmen gezwungen zu werden.“

Michael Reif, VR-Bank Main-Rhön

Inzwischen werde der Wettbewerb um Einlagen etwas ruhiger, hat der Vorstand beobachtet. „Im vergangenen Jahr hat jede Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank bei den Kunden wieder den Impuls ausgelöst, nach guten Zinsangeboten Ausschau zu halten. Das hat sich mit der Stabilisierung des Zinsniveaus seit September 2023 beruhigt.“ Trotzdem schaut sich Michael Reif mindestens einmal pro Woche die wichtigsten Zahlen der Passivseite an, um schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Letztlich sei die Steuerung der Passivseite nach der Niedrigzinsphase wieder Neuland gewesen. „Wir hatten wie alle Banken zehn Jahre lang keine positiven Einlagenzinsen mehr, deshalb mussten wir erst wieder ein Gefühl dafür entwickeln. Daher haben wir das bewusst kurzfristig getaktet und uns für einen Wochenrhythmus entschieden.“

Alle zwei Wochen treffen sich zudem die Vertriebsverantwortlichen der Bank, um über Einflussfaktoren auf den Vertrieb zu diskutieren und bei Bedarf darauf zu reagieren. Gesprochen wird unter anderem über die allgemeine Zinsentwicklung, Erkenntnisse aus dem Steuerungsprogramm VR-Control zu den gleitenden Durchschnitten sowie die Situation bei den Wettbewerbern. Mit diesen Informationen wird der Margenanspruch regelmäßig neu justiert. Dabei stehe nicht die Maximierung der Zinsmargen im Vordergrund, sondern ein stimmiges Gesamtportfolio. „Es gibt nicht den einen Einflussfaktor, sondern viele relevante Steuerungsdimensionen“, sagt Reif. Bei den aufsichtlichen Kennzahlen achtet die VR-Bank Main-Rhön auf große Puffer. „Wir steuern unser Portfolio und unsere Bilanz nie engpassorientiert, sondern stets vorausschauend, um gar nicht erst zu Adhoc-Maßnahmen gezwungen zu werden“, betont der Vorstand.

„In der Beratung sind Einlagenprodukte wieder als wichtiges Asset hinzugekommen. Daran müssen sich vor allem die jungen Kolleginnen und Kollegen erst gewöhnen.“

Michael Reif, VR-Bank Main-Rhön

Für Reif ist es wichtig, auch die Beraterinnen und Berater mitzunehmen und mit ihnen regelmäßig das Gespräch zu suchen. „In der Beratung sind Einlagenprodukte wieder als wichtiges Asset hinzugekommen. Daran müssen sich vor allem die jungen Kolleginnen und Kollegen erst gewöhnen. Für sie hat das Einlagengeschäft die längste Zeit keine Rolle gespielt. Nun hat es wieder eine Relevanz bekommen, die wir lange nicht hatten.“

Der Vorstand ist optimistisch, dass sich mit Passivprodukten wieder dauerhaft Geld verdienen lässt. Immerhin seien Einlagen die wichtigste Finanzierungsquelle des Kreditgeschäfts der VR-Bank Main-Rhön. Sorgen bereitet ihm jedoch die flache Zinsstruktur. Die Zinsen für kurze Laufzeiten von zwei Jahren würden sich nur wenig von jenen für Laufzeiten von zehn Jahren unterscheiden. Reif würde sich einen Unterschied von 200 Basispunkten wünschen. „Wir Banken leben normalerweise zu einem guten Teil von der Fristentransformation, indem wir kurzfristige Einlagen in längerfristige Kredite beziehungsweise Wertpapieranlagen umwandeln. Das können wir im Moment nicht oder nur mit erheblichen Risiken tun. Insofern stimmt mich die Renaissance des Einlagengeschäfts zuversichtlich, aber noch zuversichtlicher wäre ich, wenn sich auch bei der Zinsstruktur etwas ändert.“

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