Friedenssignal: Die Bellevue di Monaco eG lädt für 15. Mai 2022 zum Spendenlauf für Geflüchtete. Dafür wird der Münchner Altstadtring autofrei. Geschäftsführerin Barbara Bergau zu den Hintergründen.
Wenn es im Besprechungsraum nach Kaffee duftet, bei Konferenzen einladende Tischgedecke auf die Besucher warten und freitags die GVB-Teeküchen sauber glänzen – dann waren die Hausdamen da. Sie gehören zur Hausgemacht eG, oder besser gesagt: Ihnen gehört die Hausgemacht eG. Seit 25 Jahren bietet die Münchner Genossenschaft zuverlässige hauswirtschaftliche Unterstützung im Haus, Wohnung und Büro an – auch im Verband selbst.
25 Jahre, das ist ein Viertel-Jahrhundert und eine „sehr lange Zeit für Sozialprojekte“, sagen die Vorstandsvorsitzende Sabine Hohenemser und ihre Vorstandskollegin Silke Kamm. Ein Sozialprojekt nennen sie die Genossenschaft, auch weil die Stadt München sie von Anfang an im Zuge des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms (MBQ) unterstützte. Ziel von Stadt und Gründern ist seither, die berufliche und soziale Integration von Menschen mit keiner oder geringer Qualifikation in den ersten Arbeitsmarkt zu fördern.
Arbeit statt Arbeitslosigkeit
Der Anspruch war und ist „Arbeit statt Arbeitslosigkeit“ zu fördern, erklärt Kamm: „Wir sind insbesondere für Frauen gegründet worden, für die es aus unterschiedlichsten Gründen heraus schwierig ist, in den Arbeitsmarkt zu kommen: Sei es, weil sie ältere Arbeitslose sind, einen Migrationshintergrund mit damit einhergehenden geringen Sprachkenntnissen haben, alleinerziehend oder schon seit langer Zeit arbeitslos sind.“
„Unsere Mitarbeiterinnen sind zugleich Miteigentümerinnen des Unternehmens. Und für sein eigenes Unternehmen arbeitet man anders als für ein fremdes“, sagt Sabine Hohenemser. Das mache die Frauen selbstsicherer und stabiler. Man helfe ihnen über die eigentliche Beschäftigung hinaus, zum Beispiel bei Schwierigkeiten mit Ämtern oder bei der Kommunikation mit Schulen oder Kindergärten, in manchen Fällen seien sie sogar mit häuslicher Gewalt konfrontiert. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden von unserer Sozialpädagogin begleitet und fühlen sich deshalb gut aufgehoben.“
Bei der Hausgemacht eG sind die Mitarbeiterinnen sozial-, unfall- und haftpflichtversichert, sie werden bei Urlaub und bei Krankheit bezahlt, bekommen ihre Fahrzeiten und -kosten erstattet, und zahlen in ihr Rentenkonto ein. Jedes zu reinigende Objekt werde vor Vertragsabschluss genau angesehen und die Zeiten fair für beide Seiten – Mitarbeiter wie Kunden – kalkuliert. Es gibt bei diesem Modell auch keinen einzelnen Unternehmer, der die Gewinne abschöpft. Die erwirtschafteten Umsätze gehen zum überwiegenden Teil direkt in die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sollte dennoch am Ende des Jahres etwas übrig sein, so wird dies, soweit wie möglich, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergegeben. Trotzdem sei es oft schwierig, potenzielle Mitarbeitende davon zu überzeugen, dass eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit auch für sie besser sei als die auf den ersten Blick lukrativere Schwarzarbeit. Diese dominiert nach wie vor den Markt mit rund 95 Prozent.
In der Verwaltung der Hausgemacht eG sind aktuell sechs Mitarbeiterinnen in Teilzeit tätig: Zwei hauswirtschaftliche Betriebsleiterinnen, eine Diplomkauffrau, eine Diplombetriebswirtin sowie eine Sozialpädagogin und eine Sachbearbeiterin. Im Büro ist die Einsatzplanung die wohl komplexeste Tätigkeit. Bei der Absage eines Kunden oder auch einer Mitarbeiterin fehle plötzlich „ein Puzzleteil und dann muss alles neu justiert und zusammengesetzt werden“, sagt Kamm. Da brauche es jede Menge Geduld und Flexibilität – auf allen Seiten.
„Für sein eigenes Unternehmen arbeitet man anders als für ein fremdes.“
Die 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im operativen Bereich, davon aktuell vier Männer, sind vor allem mit Reinigung beschäftigt. Etwa 85 Prozent der Finanzierung der Hausgemacht eG erfolgt über Erlöse aus deren Dienstleistungen. Die fehlenden 15 Prozent kommen aus dem MBQ der Stadt München. Die operativen Mitarbeitenden erwirtschaften mit ihrer Arbeit ihre Löhne selbst und leisten zusätzlich einen Beitrag zur Finanzierung der Verwaltung und der Sachkosten.
Die Genossenschaft ist bunt und multikulturell, sagen die beiden Vorständinnen. Die Mitarbeitenden kämen aus der ganzen Welt, von Tonga bis Novosibirsk. Wichtig ist ihnen zu betonen, dass „bei uns alle Religionen und Nationalitäten miteinander funktionieren, weil wir stets auf einer wertschätzenden Ebene miteinander arbeiten“, sagt Kamm. Der Respekt sei überhaupt der Schlüssel zum Erfolg, ergänzt Hohenemser.
Man arbeite generell lösungsorientiert. So bietet die eG beispielsweise flexible Gestaltungsmöglichkeiten der täglichen und der Wochenarbeitszeit, damit seien die Tätigkeiten auch ausgezeichnet für Alleinerziehende geeignet. „Die positiven Entwicklungen zu sehen, das ist das Schönste. Auch, wenn die Frauen so stabilisiert und gestärkt werden, dass sie die Hausgemacht eG als Sprungbrett nutzen und einen höher qualifizierten Job im ersten Arbeitsmarkt finden. Vielleicht auch einen, der ein besseres gesellschaftliches Ansehen genießt als die Reinigung“, sagt Kamm.
„Wenn sich die Wertschätzung in Deutschland ändern würde, würden wir auch mehr Mitarbeiter aus dem Schwarzmarkt in die Beschäftigung bekommen.“
„Unsere Kundinnen und Kunden schätzen unsere Arbeit und auch die Mitarbeitenden wirklich sehr“. Doch beide sehen kritisch, dass generell in Deutschland jede Form von Care-Arbeit und das Saubermachen im Speziellen nicht besonders anerkannt sind. In Skandinavien beispielsweise sei das anders: Da würden Reinigungskräfte wie ein Teil der Familie behandelt. „Wenn sich die Wertschätzung in Deutschland ändern würde, würden wir auch mehr Mitarbeiter aus dem Schwarzmarkt in die Beschäftigung bekommen“, sagt Hohenemser. Sie wünscht sich hier auch mehr Unterstützung aus der Politik. Illegale Beschäftigung werde oft stillschweigend geduldet, es gebe zudem wenig Alternativen. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Wartezeit für neue Kunden der Hausgemacht eG manchmal bis zu eineinhalb Jahren beträgt.
Im Rückblick: Was war die größte Herausforderung für die Genossenschaft in den vergangenen Jahren? Ohne Zweifel die Corona-Zeit, da sind sich beide Vorständinnen einig. Es gab bei den Firmenkunden und bei den Privatkunden von heute auf morgen massive Auftrags-Einbrüche. Wenn es Aufträge gab, mussten die Mitarbeiterinnen immer gemäß der aktuellen Hygieneanforderungen geschult werden, alle einzeln, weil die technischen Gegebenheiten gefehlt haben. „Teils gab es 14-tägige Quarantäne-Regelungen einzuhalten. Da wurde der Einsatzplan wirklich zu einer Mammutaufgabe“, sagt Hohenemser. Aber gemeinsam haben sie es geschafft. „Und zum Glück waren viele unserer aktuell etwa 180 Kunden sehr loyal, manche haben sogar für Einsätze gezahlt, ohne dass sie stattgefunden haben, manche haben gespendet“, erinnert sie sich. Hier habe sich die gute Beziehung zwischen Kunden und Mitarbeiterinnen ausgezahlt. Auch der GVB sei der Genossenschaft in dieser schwierigen Zeit unterstützend zur Seite gestanden.
„Schmutz gibt’s immer.“
Und was ist aktuell die größte Hürde? „Schmutz gibt’s immer“, sagt Sabine Hohenemser zuversichtlich. Die größte Herausforderung sei, Mitarbeitende zu finden, die den Qualitätsstandard der Genossenschaft erfüllen können und diese dann in Arbeit zu halten. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten seien komplex, betont Silke Kamm: „Es geht nicht nur ums Putzen. Unsere Mitarbeiterinnen müssen sich organisieren können, verlässlich und pünktlich sein, gepflegt auftreten, sich mit den Materialien gut auskennen.“ Dafür brauche es innerbetriebliche hauswirtschaftliche Schulungen, sorgfältige Einarbeitung, Praxiserfahrung und langfristige Motivation.
All das meistert das Team täglich neu. Das sei überhaupt das Beste an der Rechtsform Genossenschaft, dass die Mitglieder gemeinsam durch gute wie durch schlechtere Zeiten gehen und es immer wieder schaffen, die „Nase über Wasser zu halten“, sagt die Vorstandsvorsitzende. Wer sich die Zahlen anschaut, sieht die erfolgreiche Arbeit der eG bestätigt: In den vergangenen 25 Jahren konnte die Hausgemacht eG insgesamt rund 250 Frauen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis holen. Im Schnitt zwei bis drei Kolleginnen im Jahr konnten sogar in höher qualifizierte Jobs auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden.
Beide, Silke Kamm und Sabine Hohenemser, sind hochqualifiziert und seit Jahrzehnten bei der Hausgemacht eG beschäftigt. Oft fragen die Menschen, warum sie nicht zu einem lukrativeren Arbeitgeber wechseln. Für beide komme das nicht infrage, sagen sie mit viel Idealismus und Leidenschaft. „Wenn man Menschen eine Perspektive geben kann, dann ist das für uns sinnhaftes Arbeiten und sehr erfüllend.“ Auch weil sie und ihre Frauen der Gesellschaft etwas zurückgeben könnten.