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Kurz zusammengefasst

  • Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München hat im Auftrag der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern die Studie „Sustainable Finance – Eine kritische Würdigung der deutschen und europäischen Vorhaben“ erstellt.
  • Darin untersucht das ifo Institut die Auswirkungen der deutschen Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen und des EU-Aktionsplans „Sustainable Finance“ auf den Mittelstand und die Finanzmärkte.
  • Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stellen die zusätzlichen Informationsanforderungen eine große Belastung dar.
  • KMU könnten durch die Einführung von Schwellenwerten bei Berichts- und Offenlegungspflichten sowie durch Subventionen von den zusätzlichen Kosten entlastet werden. Darauf würde auch die öffentliche Bereitstellung von relevanten Informationen abzielen.

Der EU-Aktionsplan Sustainable Finance

Der Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung nachhaltiger Entwicklung gehören derzeit zu den zentralen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Anliegen. Die EU-Kommission schreibt dem Finanzsystem mit der Vorlage des EU-Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen (Sustainable Finance) eine Schlüsselrolle zu. Ziel der Sustainable Finance-Maßnahmen ist es, das Finanzwesen so zu regulieren, dass es einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten kann. Obwohl sich die unterschiedlichen Akteure über die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Wirtschaft einig sind, gehen die Vorstellungen über die konkrete Ausgestaltung auseinander.

Ziele und Maßnahmen des EU-Aktionsplans

Die Ziele des EU-Aktionsplans lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:

  1. die Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen lenken,
  2. die finanziellen Risiken managen, die sich aus ökologischen und sozialen Problemen ergeben, und
  3. die Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit fördern.

Das Kernstück des EU-Aktionsplans bildet die sogenannte Taxonomie, die bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten als nachhaltig klassifiziert. Grundsätzlich soll die Taxonomie beurteilen, ob eine Aktivität umweltgerecht (Environment) ist, sozial (Social) ist und einer guten Unternehmensführung (Governance) entspricht. Bislang wurden noch nicht alle drei ESG-Ziele operationalisiert. Vielmehr hat die Taxonomie mit der Ausarbeitung der Kriterien für die Umweltziele begonnen und diese für zwei der sechs Umweltziele vorgelegt. Damit wirtschaftliche Aktivitäten als ökologisch nachhaltig beurteilt werden, müssen sie

  1. einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele leisten,
  2. die anderen Umweltziele nicht beeinträchtigen („Do no significant harm“, DNSH) und
  3. einen Mindestschutz von Arbeitnehmern gewährleisten.

Auf Basis der Taxonomie sollen Kriterien für grüne Finanzprodukte geschaffen werden. Daneben sieht der EU-Aktionsplan die Festlegung von Pflichten für Vermögensverwalter und institutionelle Investoren in Bezug auf Nachhaltigkeit, die Stärkung der Transparenz der Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und die Einführung eines „Green Supporting Factors“ in die EU-Aufsichtsregeln für Banken und Versicherungen vor.

Kritische Auseinandersetzung mit dem EU-Aktionsplan

Bei der Beurteilung der regulatorischen Maßnahmen stellt sich die Frage, wie gut sich der Begriff Nachhaltigkeit definieren und standardisieren lässt. Außerdem gilt es zu bewerten, wie die Maßnahmen die Finanzierungsneutralität beeinflussen und inwieweit sie geeignet sind, die genannten Ziele zu erreichen. Da der Mittelstand für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung ist, sollte zudem geklärt werden, wie sich die Anforderungen auf Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) auswirken.

Die Schwierigkeiten bei der Definition und Messung von Nachhaltigkeitskriterien werden durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Sie zeigen, dass vor allem die Operationalisierung und Gewichtung von ESG-Kriterien zwischen bestehenden Ratings zum Teil stark variiert. Auch die Erfahrungen bei der Erarbeitung der Taxonomie führen das hohe Maß an Unsicherheit bei der Beurteilung von Nachhaltigkeit vor Augen. Die Taxonomie sollte daher nur eine von vielen Möglichkeiten liefern, Nachhaltigkeit umzusetzen. Dies gilt umso mehr als sich auch die Präferenzen der Anleger für unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit unterscheiden.

Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken wird sich im Wesentlichen auf die Außenfinanzierung von Unternehmen auswirken, also dann greifen, wenn Unternehmen einen Kredit beantragen oder Mittel am Kapitalmarkt aufnehmen. Allerdings sind nicht alle Unternehmen auf eine externe Finanzierung angewiesen. Manche Unternehmen haben zum Beispiel ausreichend Eigenmittel, um ihre Investitionen zu finanzieren. Somit ist die Finanzierungsneutralität bei den Sustainable Finance Vorgaben nicht gegeben. Weniger nachhaltige Unternehmen könnten einen Anreiz haben, auf Innenfinanzierung, auf unregulierte Finanzinstrumente oder auf Banken im Ausland, bei denen Nachhaltigkeitskriterien keine oder nur eine geringe Rolle bei der Kreditvergabe spielen, zurückzugreifen.

Für das Ziel, Kapital in nachhaltige Investments zu lenken, stellt sich die Frage, ob die Anleger einen zusätzlichen Anreiz benötigen. Zahlreiche empirische Studien legen nahe, dass mit nachhaltigen Investments (für ein gegebenes Risiko) oft höhere Erträge erzielt werden. Falls die Nachfrage nach als nachhaltig klassifizierten Investments schneller wächst als das Angebot, besteht zudem die Gefahr einer Blasenbildung, die mit einem erheblichen Reputationsverlust für den Markt nachhaltiger Anlagen einhergehen würde.

Ursachenadäquate Lösungen durch umweltpolitische Instrumente

Wie also umgehen mit finanziellen Risiken aus dem Klimawandel und der nachhaltigen Transformation? Sinnvoll wäre es, die Risiken nicht bei der Finanzierung zu regulieren, sondern dort, wo sie entstehen, also bei den Unternehmen. Die Risiken würden direkt eingepreist und könnten von den Banken und anderen Kapitalgebern bei der Finanzierung berücksichtigt werden. Zielführend wären zum Beispiel umweltpolitische Maßnahmen. Damit würden nicht nur Unternehmen erfasst, die sich extern finanzieren. Eine Unterstützung der klassischen Umweltpolitik könnte jedoch notwendig sein, wenn die umweltpolitischen Maßnahmen das gewünschte Umweltziel nicht (vollständig) erreichen.

Die Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit können in Unternehmen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen schaffen. Allerdings sollten dem Nutzen die Kosten gegenübergestellt werden.

Herausforderungen für KMU

Gerade für KMU stellen die zusätzlichen Informationsanforderungen eine große Belastung dar. Die Proportionalität der Maßnahmen wird selbst in der Taxonomie als Herausforderung für KMU erwähnt. Wie könnten KMU also entlastet werden? Eine Möglichkeit wäre es, sie durch die Einführung von Schwellenwerten von Berichts- und Offenlegungspflichten auszunehmen. Allerdings sollten sich KMU als Zulieferer ohnehin auf umfangreichere Berichts- und Offenlegungspflichten gegenüber ihren Abnehmern einstellen, da viele größere Unternehmen ihre Nachhaltigkeit auch entlang der Lieferkette dokumentieren möchten oder im Rahmen der Non-Financial Report Directive dazu verpflichtet werden. Somit wäre die Wirkung von Ausnahmetatbeständen beschränkt. Alternativ könnten KMU beispielsweise durch Subventionen von zusätzlichen Kosten entlastet werden. Auf jeden Fall könnten durch die öffentliche Bereitstellung von relevanten Informationen die Kosten der erhöhten Transparenz für alle Unternehmen gesenkt werden.


Dr. Christa Hainz ist Stellvertretende Leiterin des ifo Zentrums für Internationalen Institutionenvergleich und Migrationsforschung.

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