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Die Kommission zu den Zielen des Aktionsplans:

„Die Kapitalmarktunion ist das Vorhaben der EU, in der gesamten EU einen echten Binnenmarkt für Kapital zu schaffen. Ziel ist es, dass Investitionen und Ersparnisse in sämtliche Mitgliedsstaaten fließen, sodass sie Bürgerinnen und Bürgern, Investoren und Unternehmen zugutekommen, unabhängig davon, wo diese angesiedelt sind. Ein uneingeschränkt funktionierender integrierter Kapitalmarkt wird es der EU-Wirtschaft ermöglichen, nachhaltig zu wachsen und wettbewerbsfähiger zu sein.

Dazu meine ich: „Von einem starken und leistungsfähigen Europa profitieren alle Einwohner. Dennoch ist es wichtig, stets die Eigenheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten im Blick zu behalten. Diesen bewährten Grundsatz sollte die EU-Kommission auch bei ihren Plänen für eine EU-weite Kapitalmarktunion beachten. In ihrem Aktionsplan preist die Kommission den Kapitalmarkt als Allheilmittel für die durch die Corona-Krise gebeutelte europäische Wirtschaft an.

Doch insbesondere für den deutschen Mittelstand ist eine Finanzierung über den Kapitalmarkt nur selten eine Option. Der Mittelstand als tragende Säule der deutschen Wirtschaft benötigt Liquidität meist schneller und kleinteiliger als es ein Kapitalmarkt normalerweise ermöglichen kann. Daher ist der klassische Bankkredit, neben der Verwendung von Eigenmitteln, immer noch die Finanzierungsquelle Nummer eins für deutsche Mittelständler. Das zeigen aktuelle Zahlen der KfW (KfW-Mittelstandspanel 2019).

Es sollte damit klar sein, dass ein europäischer Kapitalmarkt zumindest für den deutschen Mittelstand keine geeignete Lösung ist. Er kann eine hilfreiche Ergänzung sein, wenn die etablierten Optionen ausgeschöpft sind oder nicht passen. Allerdings haben die vergangenen Monate gezeigt, dass es in Deutschland keine Liquiditätsengpässe, insbesondere im Mittelstand, gab. Waren Finanzmittel nötig, konnten die Hausbanken schnell und unbürokratisch unterstützen. Diese Erkenntnis aus turbulenten Tagen spricht dafür, einen EU-weiten Kapitalmarkt nicht als Heilsbringer für klamme Unternehmenskassen hochzustilisieren.

Abseits des Kapitalmarkts gibt es bessere, effektivere Wege, um die Unternehmensfinanzierung mit Fremd- und Eigenkapital zu unterstützen. So wurden dem Finanzbereich in den vergangenen Jahren immer neue regulatorische Vorgaben auferlegt. Diese zu erfüllen bindet bei den Banken Personal und Kapital. Beides steht an anderer Stelle, nämlich in der Kreditvergabe, dann nicht mehr zur Verfügung. Daher ist es fraglich, ob eine Anpassung der Vorgaben für Banken nicht ebenfalls die Finanzsituation von Unternehmen bedeutend verbessern könnte – und das schneller, effektiver und kostengünstiger als über eine europäische Kapitalmarktunion.“

Die Kommission zur Möglichkeit, Banken zum Verweis von KMU an alternative Geldgeber zu verpflichten:

Maßnahme 5: Die Kommission wird prüfen, ob es möglich und sinnvoll wäre, Banken zu verpflichten, KMU, deren Kreditantrag sie abgelehnt haben, an alternative Geldgeber zu verweisen.

Dazu meine ich: „Um den Kapitalmarkt voranzubringen, schlägt die Kommission vor, dass Banken abgelehnte Kreditanträge künftig an Geldgeber auf dem Kapitalmarkt weiterverweisen sollen. Diese Maßnahme im Aktionsplan sehe ich kritisch. Schon heute haben sich Banken dazu verpflichtet, die Gründe für die Ablehnung von Krediten offenzulegen. Eine willkürliche, irrationale oder unplausible Ablehnung eines Antrags wird somit faktisch ausgeschlossen.

Wenn Banken verpflichtet werden, diese Ablehnungsfälle weiterzuleiten, führt dies zu mehreren Problemen. Zunächst ist da eine technische Dimension: Die Idee der Weiterleitung von abgelehnten Krediten stammt aus dem angelsächsischen Raum, in dem ein etablierter Markt von Risikokapitalgebern (Venture Capital, VC) existiert. Dorthin werden derartige Kredite von Banken oftmals vermittelt. Hierzulande existiert kein derartiger Markt, sodass Bankhäuser Probleme bekommen werden, ihre abgelehnten Anträge weiterzugeben. Daher besteht die Gefahr, dass die abgelehnten Kredite in einen Teil des Finanzmarkts abwandern, der wesentlich unregulierter ist als der Bankensektor. So sammeln sich stark risikobehaftete Kredite in einem wenig regulierten Teil des Finanzmarkts und können dort, ohne umfangreiche Kontrolle, zu einer ernsthaften Gefahr anwachsen.

Damit ist die geplante Pflicht zur Weitervermittlung wenig hilfreich, um Unternehmen Liquidität zu beschaffen und drängt Finanzierungsanfragen mit fragwürdigen Ratings in weniger regulierte Bereiche.“

Die Kommission zur Provisionsberatung und zur Idee, ein Qualitätslabel für Finanzberater einzuführen:

„Maßnahme 8: Die Kommission wird die geltenden Vorschriften im Bereich der Anreize und der Offenlegung prüfen und erforderlichenfalls Änderungen am bestehenden Rechtsrahmen für Kleinanleger vorschlagen, damit sie eine faire Beratung sowie klare und vergleichbare Produktinformationen erhalten. Zudem wird sie Möglichkeiten vorschlagen, das Überangebot an Informationen für erfahrene Kleinanleger zu verringern, sofern diese dabei ausreichend geschützt bleiben. Darüber hinaus wird sie sich darum bemühen, das berufliche Qualifikationsniveau von Beratern in der EU zu verbessern, und prüfen, ob ein EU-weites Label für Finanzberater eingeführt werden könnte.

Dazu meine ich: „Neben den Fragen rund um die Unternehmensfinanzierung schlägt die EU-Kommission in ihrem Aktionsplan auch Maßnahmen vor, um den Zugang von Privatanlegern zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Für Deutschland ist dieser Ansatzpunkt richtig. Denn die Aktien- und Anlegerkultur ist hierzulande immer noch unterentwickelt. Um das zu ändern, will die Kommission auch bei der Anlageberatung ansetzen. Ein europaweites Label für Finanzberater soll die Transparenz erhöhen und eine qualitativ hochwertige Beratung signalisieren.

Für die Volksbanken und Raiffeisenbanken als Allfinanzanbieter kann so ein Label zum Qualitätsnachweis dienen. Allerdings sollte die Kommission bei der Gestaltung eines Labels nicht außer Acht lassen, dass Bankhäuser ihre Berater heute schon umfangreich schulen. Diese etablierten Ausbildungssysteme haben den Vorteil, dass sie wichtiges und aktuelles Wissen aus der Finanzberatung mit den Besonderheiten der einzelnen Bankhäuser und auch der Region verknüpfen. Daher sollte eine Zertifizierung oder ein Labelling auf EU-Ebene an das existierende Ausbildungssystem anknüpfen oder darauf aufbauen.

Damit gilt es sicherzustellen, dass die Zertifizierung durch die EU nicht an der Lebensrealität der Kunden vorbeigeht. Auch sorgt eine Verknüpfung dafür, dass regionale Besonderheiten in die Beratung miteinfließen können. Eine Verbindung von EU-Zertifizierung und bestehendem Ausbildungssystem hat außerdem den Vorteil, dass die Umsetzung schnell, qualitativ hochwertig und in der Fläche vorgenommen werden kann.

Kritisch sehe ich die Überlegungen zu einer „Überprüfung der Anreize“. Im Brüsseler Politikjargon bedeutet dies, dass die Provisionsberatung mal wieder hinterfragt werden soll. Bei den Überlegungen zur Überprüfung der Provisionsstruktur von Anlageberatungen sollte die EU-Kommission eines nicht vergessen: Erst die Beratung aufgrund von Provision ermöglicht eine gute Anlageberatung, die unabhängig vom Einkommensniveau stattfindet. Daher ist es sinnvoll, diese Form der Beratung auch in einer Kapitalmarktunion beizubehalten, wenn sichergestellt werden soll, dass alle Einkommensklassen von einer Anlageberatung profitieren können.“
 

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

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