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Der Duft von frisch geschnittenem Wiesengras liegt in der Luft. Er strömt aus dem Mähguttransporter eines Landwirts, der gerade auf den Hof der Qualitätstrocknung Nordbayern eG in Unterwurmbach, einem Stadtteil von Gunzenhausen, fährt. Das Gras fällt in großen Büscheln auf den Vorplatz. Sofort schiebt es ein Schaufellader zur Produktionshalle in einen Häcksler. „Achtung, jetzt wird es laut“, sagt Geschäftsführer Simon Burkhard, als er die Halle betritt. Dort dreht sich eine große Trommel um die eigene Achse. Sie dröhnt wie ein Flugzeug, das gerade seine Triebwerke hochfährt. In der Maschine ist es bis zu 550 Grad heiß, außen ist davon jedoch nichts zu spüren.

Die Qualitätstrocknung Nordbayern veredelt Feldfrüchte zu gentechnikfreiem Kraftfutter für Tiere. Dazu werden Wiesengras, Luzerne oder Mais gehäckselt, im Trommel-Ofen auf mehrere Hundert Grad erhitzt und anschließend zu sogenannten Cobs zusammengepresst oder als Ballen verarbeitet. Damit füttern Landwirte ihre Pferde, Schweine, Rinder oder ihr Geflügel. Das Heißlufttrocknen bietet einige Vorteile im Vergleich zur Sonnentrocknung oder zur Lagerung in Silos: Die für Tiere wichtigen Eiweiße und Vitamine bleiben fast vollständig erhalten, zudem sind die Futtermittel bis zu drei Jahre haltbar, leicht zu transportieren und gut zu lagern.

Alle Cobs sind schon verkauft

Obwohl es gerade erst Mitte August ist und damit eigentlich noch Saison, arbeiten die Maschinen nur an ein bis zwei Tagen pro Woche. Normal sind es zu dieser Jahreszeit drei bis fünf. „Bis Mitte Juli lief die Ernte normal ab und wir hatten rund 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum produziert. Doch seitdem spüren wir die Folgen der Trockenheit. Wir kriegen fast keine neuen Lieferungen mehr“, sagt Burkhard. Er geht durch die Halle zu einem Rolltor, das er mit einem Knopfdruck nach oben fahren lässt. Dahinter befindet sich ein Lagerraum, der bis zur Hälfte mit Cobs gefüllt ist. In normalen Jahren wäre das Lager randvoll. Aber 2018 ist nicht normal.

Woran liegt das? Üblicherweise würde das Vieh im August und September auf der Weide grasen. Doch weil gerade in Ost- und Norddeutschland viele Felder verdorrt sind, suchen die Landwirte händeringend nach Futter als Ersatz für das versengte Gras – etwa in Bayern. Die Vertriebsmitarbeiter der Qualitätstrocknung mussten in den vergangenen Tagen viele Gespräche führen und auch einige Absagen erteilen. Denn die Genossenschaft hat ihre Ware mittlerweile weitestgehend verkauft. Was sich noch in den Lagern befindet, geht später im Jahr an die Mitglieder und Stammkunden.

„Wir haben bereits im August so viel Futtermittel abgesetzt wie normalerweise erst im Januar des Folgejahres. Einige Kunden haben bereits die Mengen abgenommen, die sie sonst bis zum April brauchen“, sagt Burkhard. Er hofft, dass es im September öfter regnet. Dann würden auf den Feldern Luzerne und Wiesengras nachwachsen, sodass die Genossenschaft vor dem Winter wieder Cobs produzieren könnte. Die aktuell hohe Nachfrage ist außergewöhnlich. „Selbst Kollegen, die mehrere Jahrzehnte dabei sind, haben so etwas noch nicht erlebt“, sagt Burkhard.

Die größte Trocknungsgenossenschaft Deutschlands

Mit rund 3.900 Mitgliedern, 130 festangestellten Mitarbeitern und einer Jahresproduktion von rund 40.000 Tonnen Futtermitteln ist die Qualitätstrocknung Nordbayern die größte Trocknungsgenossenschaft Deutschlands. Sie entstand im November 2016 aus einer Fusion von fünf vorher selbstständigen Trocknungen in Gunzenhausen, Ellingen bei Weißenburg, Röckersbühl, Wechingen und Windsbach. Ziel des Zusammenschlusses war es, die vorhandenen Ressourcen noch effizienter zu nutzen und das Angebot für die Mitglieder auszubauen. Nach knapp zwei Jahren zieht Burkhard ein positives Zwischenfazit: „Der Integrationsprozess schreitet gut voran. Mit der neuen Struktur konnten wir bereits viele Synergieeffekte nutzen.“

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Volldampf voraus: Wechingen ist einer der fünf Standorte der Qualitätstrocknung Nordbayern eG. Alle Fotos: Qualitätstrocknung Nordbayern eG
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In neue Mahl- und Mischanlagen hat die Genossenschaft zuletzt 1,2 Millionen Euro investiert.
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So sehen die Lager in normalen Jahren aus: Gut gefüllt mit Luzerneballen.
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Der Gunzenhausener Standort während der Saison. Alle Fotos: Qualitätstrocknung Nordbayern eG

Genossenschaft spielt Größenvorteile aus

Beispiele für die Synergieeffekte gibt es im Qualitäts- und Energiemanagement. Die Genossenschaft hat sich jüngst nach der Norm ISO 50001 zertifizieren lassen. Das bedeutet, dass sie sowohl ein systematisches Energiemanagement aufbauen muss als auch Ziele festlegt, wie sie ihren Energiebedarf reduzieren möchte. Solche Maßnahmen sind Voraussetzungen für die Teilbefreiung von der EEG-Umlage sowie bei Strom- und Energiesteuerrückerstattungen. „Energie ist unser größter Kostenblock. Deshalb haben wir einen hohen Eigenantrieb, die Kosten nach und nach zu senken. Mit der neuen Struktur haben wir dafür die nötigen Kapazitäten“, sagt Burkhard. Ebenso hat die Genossenschaft vor kurzem das Zertifikat „VLOG“ des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik erworben. Dadurch kann sie nachweisen, dass ihre Produkte gentechnikfrei sind. Viele Molkereien legen Wert darauf, dass die an sie gelieferte Milch von Kühen kommt, die gentechnikfreies Futter fressen.

Ein weiterer Vorteil des Zusammenschlusses ist, dass die einzelnen Standorte besser ausgenutzt werden können. Ein Beispiel: Mitte Juli kam es in Gunzenhausen zu einem Engpass, weil viele Landwirte ihr Wiesengras gleichzeitig trocknen lassen wollten. Früher hätte es längere Wartezeiten gegeben. Jetzt haben Mitarbeiter die Feldfrüchte in Lkw geladen und ins rund 60 Kilometer entfernte Röckersbühl gebracht, wo noch Kapazitäten frei waren. „In Hochzeiten sind wir nun viel flexibler. Auf diese Weise erhalten unsere Mitglieder die Cobs und Ballen insgesamt schneller zurück als früher“, sagt Burkhard.

Eine Mutter, zwei Töchter

Zur Qualitätstrocknung Nordbayern eG gehören zwei Töchterunternehmen: Die WB Qualitätsfutterwerk GmbH und die Energie TG Wechingen GmbH. Erstgenanntes Unternehmen vermarktet die Futtermittel. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Geschäftsfeld Mischfutter. So wie sich Menschen bei Mymuesli ein Müsli selbst zusammenstellen, können sich Landwirte dort das Futter für ihre Tiere mixen. Die Mitarbeiter der WB Qualitätsfutterwerk GmbH helfen ihnen dabei, die richtige Zusammensetzung zu finden. Die zweite Tochterfirma erzeugt Energie durch eine Biogasanlage mit einer Leistung von 1,2 Megawatt sowie Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 350 Kilowatt Peak. Der Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist.

Mit Innovation gegen Subvention

Im Bereich der Luzerne und Pferdecobs ist die Qualitätstrocknung Nordbayern Marktführer in Deutschland. Und sie investiert kräftig, um weiter zu wachsen: 2017 wurden 1,2 Millionen Euro für vier neue Mahl- und Mischanlagen sowie 800.000 Euro für einen neuen Brennofen investiert. In diesem Winter sollen ebenfalls zwei Brenner ausgetauscht und eine Werkstatt für den Fuhrpark aufgebaut werden. Ebenfalls von Bedeutung ist der Bereich Forschung und Entwicklung. „Wir wissen zu wenig davon, welchen Einfluss etwa der Luftdruck oder die Umgebungsfeuchte auf den Trocknungsprozess haben. Deshalb wollen wir in die Automatisierung und Digitalisierung investieren“, sagt Burkhard.

Eine automatische Steuerung, so die Hoffnung, könnte die Mitarbeiter im Produktionsprozess entlasten. Die Genossenschaft möchte im Verbund mit anderen Trocknungsgenossenschaften ein entsprechendes Forschungsprojekt anstoßen. So kann die Qualitätstrocknung Nordbayern ihre Position – gerade gegen die durch Subventionen gestützten Importe von Cobs aus Frankreich – behaupten. Damit in Gunzenhausen auch in Zukunft ein Duft von frischem Wiesengras in der Luft liegt.

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