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Der Beitrag kurz zusammengefasst

  • Auf dem Weg hin zu einer klimafreundlicheren Landwirtschaft wirken neue Branchentrends wie ein Katalysator für neue Geschäftsmodelle.
  • Agrarhändler können von neuen Ernährungstrends profitieren, zum Beispiel als Rohstofflieferanten für vegane Fleischersatzprodukte.
  • Der digitale Handel von Agrar-Betriebsmitteln und -Rohstoffen ermöglicht allen Teilnehmern einen zeit- und standortungebundenen Zugang zu Waren und Dienstleistungen beziehungsweise Kunden.
  • Mit den steigenden Anforderungen an eine ressourcenschonendere Landwirtschaft wird auch der Einsatz von Robotern immer interessanter.
  • Der Strukturwandel bietet viele Chancen, an denen die Raiffeisen-Warengenossenschaften durch Kooperationen in einzelnen Bereichen teilhaben können, um sich so Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Seit Millionen von vor allem jungen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße gegangen sind, wird noch stärker über die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft diskutiert. Der Agrarsektor steht vor der Herausforderung, unter extremer werdenden klimatischen Voraussetzungen den Hunger einer wachsenden Weltbevölkerung zu stillen. Auf dem Weg hin zu einer klimafreundlicheren Landwirtschaft wirken neue Trends in der Branche wie ein Katalysator für neue Geschäftsmodelle. Sie werden nicht nur unser Bild von Landwirtschaft nachhaltig verändern, sondern wohl auch langfristig unsere Speisekarte.

Pflanzliche Proteine können Fleisch ersetzen

Ein hoher Fleischkonsum und die Produktion tierischer Eiweißprodukte gelten als Belastung für die Klimabilanz. Der Trend geht hin zu einem reduzierten, dafür aber ausgewählten Fleischgenuss, auch weil es für Nahrungsgüter mit tierischem Protein zunehmend Alternativen gibt, die dem Verbraucher gut schmecken. In Zukunft könnte somit pflanzenbasierter Fleischersatz häufiger auf unseren Tisch kommen. Als Rohstofflieferanten könnten Agrarhändler von solchen neuen Ernährungstrends profitieren, zum Beispiel für die Produktion veganer Fleischersatzprodukte, die zum Großteil Hülsenfrüchte und pflanzliche Öle enthalten. Im Rahmen ihrer Spezialitätenstrategie hat etwa die BayWa ihr Handelsportfolio in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert und sich so noch stärker den Markt für Spezialgetreide und -ölsaaten sowie pflanzliche Proteine aus konventionellem und Bio-Anbau erschlossen.

Apropos Bio: Auch für Öko-Erzeugnisse baut die BayWa ihre Erfassungsstrukturen im deutschen Agrargeschäft kontinuierlich aus. Hierzulande liegt der Anteil der erfassten Bio-Erzeugnisse bei der BayWa bei unter einem Prozent. Aktuell sind in Bayern und Baden-Württemberg vier BayWa-Standorte für die Annahme von Agrarrohstoffen aus ökologischem Anbau zertifiziert. So wie bei der Erfassung konventionell produzierter Ware auch, will die BayWa mittelfristig ebenso bei der Erfassung ökologischer Erzeugnisse flächendeckend vertreten sein.

Um als Agrarhändler im Bio-Markt langfristig Erfolg zu haben, sind vor allem zwei Dinge entscheidend: ausreichend Lagerkapazität – momentan der limitierende Faktor bei Bio –, und die Sicherstellung eines umfangreichen Qualitätsmanagements, damit für den Verbraucher gewährleistet ist, dass dort, wo Bio draufsteht, auch wirklich Bio drin ist.

Digitale Plattformen gewinnen an Bedeutung

Bio- und konventionelle Landwirtschaft werden sich in Zukunft einander annähern – vorausgesetzt, wir begreifen die Digitalisierung als Chance. Für eine ressourcenschonende und somit ökologisch nachhaltigere Landwirtschaft ist „Digital Farming“ eine einzigartige Lösung, um einfacheres und besseres Wirtschaften der Betriebe mit Klimaschutz und höherer Produktivität zu verbinden.

Nicht nur bei uns in Europa, auch in Afrika geht der Trend hin zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung: Es wird exakt nur so viel Dünger oder Wasser ausgebracht, wie die Pflanzen für ein optimales Wachstum brauchen. Die Datengrundlage dafür liefern Satelliten, Sensoren und Bodenanalysen. In Kombination mit neuartigen Bearbeitungstechnologien, erweiterten Fruchtfolgen mit standortangepassten Sorten sowie verbesserten Betriebsmitteln wird somit auch die Funktion des Bodens als Kohlendioxidsenke und Wasserspeicher unterstützt.

Die zusätzliche Erstellung und Verfeinerung digitaler Modelle für datengestützte Ertragsprognosen kann die Prozesse im Handel und vor allem in den nachfolgenden Lieferketten entscheidend unterstützen – zum Beispiel Agrarhändler, um anhand der zu erwartenden Warenströme notwendige Lager- und Logistikressourcen exakter planen zu können.

Herzstück derartiger Lösungen sind digitale Plattformen, deren Bedeutung in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Der Einsatz von Farm-Management-Systemen zum Beispiel – heute schon ein Treiber hin zur vernetzten Farm – wird auf immer mehr Höfen Einzug halten. Zusätzlich wird der Anteil der Landwirte, die Betriebsmittel und Landmaschinen über Online-Kanäle beziehen und ihre Erzeugnisse über digitale Handelsplätze verkaufen, in Zukunft steigen.

Der digitale Handel von Agrar-Betriebsmitteln und -Rohstoffen ermöglicht allen Teilnehmern – Herstellern, Erzeugern, Händlern, Verarbeitern – einen zeit- und standortungebundenen Zugang zu Waren und Dienstleistungen beziehungsweise Kunden. Das spart Zeit und erlaubt schnelleres Reagieren – sowohl für den landwirtschaftlichen Betrieb als auch für Händler in Richtung ihrer Kunden. Gleichzeitig erhöhen derartige Plattformen an mancher Stelle auch die Preistransparenz für Kunden und ermöglichen eine höhere Effizienz von Logistik- und Abwicklungsprozessen im Agrarhandel.

Schon heute nutzt jeder zweite Landwirt regelmäßig das Internet, 18 Prozent kaufen Umfragen zufolge ihre Betriebsmittel bereits online ein. In der COVID-19-Krise, in der der persönliche Kontakt eingeschränkt war, hat die digitale Nähe extrem an Bedeutung gewonnen: Apps, Chat-Dienste und digitale Plattformen wurden verstärkt als Informations-, Einkaufs- und Beratungskanäle genutzt. Da die BayWa in der Krise immer voll lieferfähig war und ihr Sortiment kontinuierlich erweitert hat, nutzten ebenso regionale Landhändler das BayWa-Portal als Bezugskanal, um bei ihren Kunden voll lieferfähig sein zu können. Künftige Generationen von Landwirten werden noch stärker digital unterwegs sein. Die Leistungsfähigkeit eines Agrarhändlers wird deshalb in Zukunft immer weniger an der Anzahl seiner Standorte bemessen werden, sondern darin, ob das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bereitgestellt wird.

Roboter helfen bei der Feldarbeit

Mit den steigenden Anforderungen an eine ressourcenschonendere Produktionsweise wird auch der Einsatz von Robotern in der Landwirtschaft immer interessanter. Als Teil des Strategie- und Innovationsprogramms der BayWa hat das „Agro Innovation Lab“ 2019 eine „Robotics Challenge“ ausgelobt und weltweit 127 Technologieunternehmen identifiziert, die an Agrarrobotern für den Feldeinsatz arbeiten.

Erste Prototypen, die autonom Unkraut hacken oder gezielt verbrennen, Mehltau – eine der häufigsten Krankheiten bei Gurken und Erdbeeren – mittels UV-Strahlung bekämpfen oder den Menschen bei körperlich anstrengenden Arbeiten wie der Spargelernte unterstützen, gibt es längst. Im Gegensatz zum Landhandel haben die Entwickler jedoch in der Regel keinen Zugang zum Markt und es fehlt ihnen der persönliche Kontakt zum Landwirt – erst recht, wenn sie branchenfremd sind. Das größte Plus des Landhändlers wiederum ist eine enge Kundenbindung. Somit kann er die Brücke von der Forschung in die Praxis schlagen und seinen Kunden gleichzeitig konkrete Lösungen anbieten, zum Beispiel im Umgang mit Wetterextremen, der Düngeverordnung oder restriktiveren Maßnahmen im Pflanzenschutz. Um die Lücke an Erntehelfern, die in der COVID-19-Krise aufgrund von Einreisebeschränkungen entstanden ist, zu schließen, war es aber noch zu früh: Entsprechende Geschäftsmodelle stehen hier erst am Anfang, zudem fehlt ein rechtlicher Rahmen für den Einsatz Künstlicher Intelligenz auf Ackerflächen.

Auch um das wachsende Problem fehlender Arbeitskräfte zu lösen, werden Agrarroboter gebraucht. Seit 2017 ist die BayWa an dem US-amerikanischen Start-up Abundant Robotics beteiligt. Abundant hat einen Pflückroboter entwickelt, der erntereife Äpfel visuell erkennt und schonend pflückt. Nach der Weltpremiere 2019 auf den Apfelplantagen der T&G Global hat die BayWa-Tochter den Roboter in der jüngsten neuseeländischen Apfelernte bereits im zweiten Jahr eingesetzt. So hilft sie durch den Feldeinsatz, die Funktionsweise weiter zu präzisieren. Da der Roboter vor allem in höheren Baumebenen pflückt, geht es primär darum, die körperliche Belastung für die Mitarbeiter und mögliche Sicherheitsrisiken zu reduzieren.

Teilhabe für den Raiffeisen-Warenhandel

Fazit: Die Landwirtschaft steht unter Veränderungsdruck. Das ist auch für den deutschen Agrarhandel eine Herausforderung. Der Strukturwandel bietet aber auch viele Chancen, an denen die Raiffeisen-Warengenossenschaften durch Kooperationen in einzelnen Bereichen teilhaben können, um sich so Wettbewerbsvorteile zu sichern.

So partizipiert der Raiffeisen-Warenhandel schon heute an den Ergebnissen aus dem BayWa-Versuchswesen, die in die Empfehlungen der BayWa-Pflanzenbauberatung einfließen. Das gilt ebenso für neue Geschäftsmodelle aus den Bereichen der Digitalisierung und Agrarrobotik, die die BayWa vorantreibt, um auch hierzulande frühzeitig neue Technologien zum Vorteil der Landwirte nutzbar zu machen. Ein starker Partner kann die BayWa auch auf der Erzeugnis-Seite sein – das zeigen die Bestrebungen im Spezialitätenhandel und bei Öko-Erzeugnissen.
 

Prof. Klaus Josef Lutz ist Vorstandsvorsitzender der BayWa AG.

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