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Die FDP im Bundestag zu einem „Corona-Moratorium“ für Finanzmarktbürokratie:

„Gerade für den Finanzmarkt hat die Bundesregierung eine Reihe an neuen Regularien geplant bzw. bereits beschlossen, welche die jeweilige Branche vor Herausforderungen stellen würde, die diese in Zeiten der Corona-Krise nicht bewältigen können. Eine Umsetzung der geplanten Maßnahmen würde daher Arbeitsplätze zusätzlich gefährden und die wirtschaftliche Rezession in Deutschland unnötig verlängern. (…) Generell sollte die Bundesregierung alle ihre geplanten Gesetzesänderungen dahingehend auf den Prüfstand stellen, ob diese in der derzeitigen Krisensituation einen zumutbaren bürokratischen Mehraufwand für die jeweilige Branche darstellen.“

Dazu meine ich: „Die Forderung der FDP, die Banken und andere Finanzmarktakteure in der aktuellen Situation von Bürokratie zu entlasten, halte ich für sinnvoll. Die Hausbanken haben dieser Tage alle Hände voll zu tun, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Unternehmen abzufedern und den Neustart der Wirtschaft mit Krediten zu unterstützen. Es wäre fahrlässig, den Banken in dieser Zeit zusätzliche regulatorische Vorgaben aufzubürden, die sie vom Tagesgeschäft abhalten.

Politik und Bankenaufsicht haben, nicht zuletzt auf Druck des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) und anderer Verbände, schon einiges getan, um den Kreditinstituten etwas Luft zu verschaffen: Die Neufassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) wurde verschoben, ebenfalls die Stresstests für den Bankensektor. Auch die finale Umsetzung des Basel-III-Regelwerks wurde um ein Jahr vertagt. Im Gegenzug sollen Reformen, die der Kreditvergabe dienen, vorgezogen werden: Auf europäischer Ebene hat die Kommission vorgeschlagen, den erweiterten KMU-Faktor früher einzuführen, was insbesondere den deutschen Mittelstand in seinen langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten stärken würde.

Obwohl Politik und Bankenaufsicht also nicht untätig geblieben sind, ist das von der FDP geforderte, generelle Moratorium für die Finanzmarktregulierung richtig. Denn noch ist nicht absehbar, wie sich die Wirtschaft in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird. Jetzt bürokratische Vorgaben aufzubauen, die später dringend benötigtes Wachstum hemmen, ist der falsche Weg. Besonders kritisch sehe ich in diesem Zusammenhang die aktuellen Pläne des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung: Durch umfangreiche Offenlegungspflichten zum Thema Nachhaltigkeit, die weit über die Anforderungen auf EU-Ebene hinausgehen, droht den Banken ein enormer Zusatzaufwand, der dringend benötigtes Personal langfristig binden würde. Hier sollten die Beratungen erst einmal zurückgestellt und alle Ressourcen für eine kraftvolle Krisenbewältigung verwendet werden.

Mit ähnlicher Sorge sehe ich die Bestrebungen des Bundesfinanzministeriums zur Umsetzung des sogenannten Risikoreduzierungsgesetzes. Dieses ist Teil des EU-weiten Bankenpakets, das bis Ende 2020 beschlossen werden muss. Hier sollte das Finanzministerium darauf verzichten, zusätzliche nationale Vorschriften auf die bestehenden EU-Vorgaben draufzusatteln. Andernfalls droht auch hier neue Bürokratie, die den Neustart der Wirtschaft verlangsamt.“

Die FDP im Bundestag zu Lockerungen der Finanzmarktregulierung auf EU-Ebene:

„Neben diesen und anderen nationalen Gesetzesvorhaben gibt es zusätzlich eine Reihe an Maßnahmen auf europäischer Ebene, die teils vor der  Corona-Krise beschlossen wurden, welche für die Finanzbranche zu  erheblichen bürokratischen Mehraufwand führen. (…) Bei den Verhandlungen zu Basel III muss sich die Bundesregierung von der Maxime leiten lassen, dass es nicht zu einer zusätzlichen Kreditklemme für deutsche Unternehmen und Privatpersonen kommt. In Kooperation mit der Europäischen Zentralbank und den Europäischen Aufsichtsbehörden ist zudem zu prüfen, welche bestehenden EU-Richtlinien (zeitlich) weiter gelockert werden können.“

Dazu meine ich: „Den Blick über die schnelle Krisenbewältigung hinaus nach Brüssel zu richten, halte ich für wichtig. Ein Moratorium kann kurzfristig in Krisensituationen für Erleichterung sorgen. Wir sollten aber langfristig denken und Lehren aus der Corona-Pandemie ziehen. In der Krise musste die Bankenregulierung im Eiltempo gelockert und angepasst werden, um die Finanzierung der Realwirtschaft zu sichern. Die bestehenden Regeln waren nicht krisentauglich. Daher ist klar, dass es jetzt kein einfaches ,Zurück auf Normalbetrieb‘ geben kann, wie jüngst der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Felix Hufeld, gefordert hat. Eine Rückkehr in den altbekannten Rhythmus der Bankenregulierung wäre höchst fahrlässig, besonders jetzt nach dem stärksten wirtschaftlichen Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg.

Vielmehr müssen wir die Bankenregulierung einem Fitness-Check unterziehen. Ziel sollte sein, alle Regeln derart zu gestalten, dass sie auch ohne nachträgliche Anpassungen so weit wie möglich krisenfest sind. Welche Maßnahmen haben sich in der Krise bewährt? Welche hingegen schränken die Kreditinstitute ein und hemmen damit ihre dienende Funktion gegenüber der Realwirtschaft, ohne dass sie einen erkennbaren Nutzen stiften? Dazu sollten wir auf die Erfahrungen und Erkenntnisse zurückgreifen, die nicht erst seit der Krise, sondern auch schon vorher gereift sind.

Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Die Finanzmarktrichtlinie MiFID II verpflichtet die Banken bei einer telefonischen Wertpapierberatung, das Gespräch ausnahmslos aufzuzeichnen und dem Kunden eine Vorab-Kosteninformation zukommen zu lassen. Kunden können dies, auch auf ausdrücklichen Wunsch, nicht ablehnen. Das führt zu einem unverhältnismäßigen Aufwand für die Banken und zu einer verzögerten Ausführung der Telefonorder. In der derzeitigen Situation ist dies ein doppeltes Problem für die Kunden: Erstens ist wegen der strengen Corona-Hygienevorschriften eine alternative Beratung von Angesicht zu Angesicht für die Kunden nur schwer möglich oder teils auch nicht gewünscht. Zweitens können sie durch die verzögerte Order kaum in angemessener Zeit auf das Marktgeschehen reagieren, was aber bei den derzeit volatilen Börsenkursen absolut notwendig wäre.

Daneben gehören die finalen Basel III-Regeln umgehend auf den Prüfstand, erst recht nach den Erfahrungen in der Corona-Krise. Ursprünglich war eine Umsetzung in nationales Recht bis Ende 2022 angedacht, die beschlossene Verschiebung um ein Jahr liefert jetzt den nötigen Spielraum, um sinnvoll nachzuarbeiten. Bei den Anpassungen sollte stets oberste Priorität sein, die Kreditvergabe an die Realwirtschaft nachhaltig zu ermöglichen. So müssen beispielsweise langfristige Unternehmensbeteiligungen stabile Risikogewichte erhalten. Das sorgt sowohl auf Banken- wie auf Unternehmensseite für Planungssicherheit und damit schlussendlich für durchdachte und ausgewogene Investitionsentscheidungen.

Wichtig ist, dass die regulatorischen Erleichterungen zeitnah kommen: Denn mit Auslaufen der Schulden-Moratorien und Krisenmechanismen zum Jahresende sind die Probleme in der Realwirtschaft nicht gelöst. Unternehmen brauchen dann erst recht Finanzmittel für die Aufrechterhaltung des Betriebs und neue Investitionen, beispielweise in die Digitalisierung. Um das allmähliche Wiederanlaufen der Realwirtschaft zu unterstützen, muss die Finanzmarktregulierung möglichst schnell unter die Lupe genommen werden.“
 

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

Bayerns Wirtschaft fordert Belastungsmoratorium

Die Bayerischen Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und der GVB haben sich für branchenübergreifende wirtschaftliche Anreize im Interesse aller Unternehmen stark gemacht. In dem „Neustart für alle“ überschriebenen Papier sprechen sie sich für ein Belastungsmoratorium sowie ein steuerliches Erleichterungs- und Investitionspaket aus. Das Papier gibt es auf der Webseite der Industrie- und Handelskammern in Bayern zum Download. Mehr dazu auch in der Rubrik „Im Fokus“ in dieser Ausgabe.

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