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Es war ein Sieg der Mentalität – da waren sich die Beobachter einig. Im Dezember 2023 gewann die Nachwuchs-Nationalmannschaft das Finale der U17-Fußball-WM in Indonesien. Gegen Frankreich lagen sie 2:0 vorne, kassierten dann den Ausgleich, lagen im Elfmeterschießen zurück und setze sich am Ende doch mit 4:3 durch. „In der Mannschaft ist einfach eine unfassbare Mentalität vorhanden, eine Überzeugung, dass, egal wie es steht, wir das Spiel immer noch drehen und gewinnen können“, sagte Verteidiger David Odogou nach dem Sieg.

Wenige Tage vorher hatte die Männer-Nationalmannschaft 2:0 gegen Österreich verloren. Welche Gründe es für die Niederlage gab? „Unser größtes Problem ist unsere Mentalität“, schimpfte Ex-Nationalspieler Markus Babbel. Es gebe kein Zusammengehörigkeitsgefühl, die Mannschaft kämpfe nicht füreinander. „Die Spieler denken, sie seien besser, als sie sind. Sie machen ihre Arbeit nicht.“ Wenn sie ihre Einstellung nicht änderten, so prophezeite er, werde die Mannschaft bei der Fußball-EM 2024 schon in der Vorrunde ausscheiden.

„Mentalität ist vor allem dann wichtig, wenn ich gegen einen Spieler antrete, der ein ähnliches Level hat.“

Thomas Baschab

Ist Erfolg also allein eine Frage der Mentalität? Ganz so einfach ist es nicht, betont der Mentaltrainer Thomas Baschab: „Mentalität ist unterschiedlich wichtig. Wenn ich gegen Roger Federer Tennis spiele, dann spielt die mentale Verfassung keine Rolle. Selbst an seinem schlechtesten und meinem allerbesten Tag gewinnt er haushoch. Die Mentalität ist vor allem dann wichtig, wenn ich gegen einen Spieler antrete, der ein ähnliches Level hat. Wenn dann meine Energie und meine Mentalität um ein Prozent besser als die des anderen, dann kann das ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage sein.“

Thomas Baschab hat in seiner 37-jährigen Karriere als Mentaltrainer zahlreiche Spitzensportler gecoacht, ist aber auch viel in Unternehmen tätig. Daher weiß er, dass Mentalität nicht nur für den persönlichen Erfolg wichtig ist. Auch in Unternehmen spielt sie eine wichtige Rolle. „Der Erfolg eines Unternehmens hängt maßgeblich davon ab, welche Energie dort herrscht. Wenn alle am gleichen Strang ziehen, die gleichen Ziele verfolgen und gleichermaßen bereit sind, Kraft zu investieren, dann ist das eine geballte Energie.“ Und diese Energie wird Baschab zufolge unter anderem von der Mentalität der handelnden Personen im Unternehmen bestimmt.

Zur Person: Thomas Baschab

Thomas Baschab (Foto) ist bekannt geworden als Managementtrainer und als Mentalcoach zahlreicher Spitzensportler. In seinen Seminaren vermittelt er, wie man Ziele erreichen kann, die man bisher für unerreichbar gehalten hat. In Kürze startet sein neues Seminar „Unternehmer-Evolution“, das sich an Unternehmer und Führungskräfte richtet. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter „Träume wagen! Der mentale Weg zum Erfolg“. Sein weiterer Buchtipp zum Thema: Stephen Covey, „Die 7 Wege zur Effektivität“.

Mentalität, Mindset, Einstellung – so unterschiedlich die Begriffe, so ähnlich der Grundgedanke: Die Haltung, mit der man an Herausforderungen herangeht, beeinflusst das Ergebnis. Das wird umso wichtiger, je komplexer und unvorhersehbarer die Aufgaben sind, denen sich die Unternehmen stellen müssen. In der heutigen Zeit sind die Herausforderungen vielfältig. Die Digitalisierung verändert die Geschäftsmodelle. Kriege und Krisen schicken die Weltwirtschaft, die Preise und die Zinsen auf Berg- und Talfahrten. Die wirtschaftliche Entwicklung wird dadurch weniger gut planbar. Auch der Fachkräftemangel, der zunehmend härtere Wettbewerb und die immer strengere Regulatorik erfordern, dass Unternehmen sich anpassen und verändern. Und mit ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Organisation.

Veränderung setzt die richtige Einstellung voraus

Auch Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), hat sich in seiner Karriere intensiv mit dem Thema Mindset beschäftigt. In seiner Zeit als Bankvorstand in Forchheim hat er die Erfahrung gemacht, dass ein positives und agiles Mindset die Innovation und Anpassungsfähigkeit fördert. Wenn Mitarbeiter Herausforderungen als Chance begreifen, trägt dies wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bei.

Scheller betont, dass es aufgrund der aktuellen Entwicklung sehr wichtig ist, sich mit dem Thema Mindset auseinanderzusetzen. „Wie gehe ich mit Herausforderungen um, das wird zur entscheidenden Frage“, sagt der GVB-Präsident. „Alle reden von Transformation. Doch Veränderung setzt eine entsprechende Einstellung voraus: Die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und sich zu verändern. Ohne die richtige Mentalität helfen die besten Prozesse und Werkzeuge nichts. Wenn ich die Grundhaltung im Unternehmen nicht habe, werde ich keinen Erfolg haben.“

„Die Formel für die richtige Grundhaltung in Unternehmen: Lösungen finden, statt Probleme suchen.“

Gregor Scheller

Doch wie sieht die richtige Grundhaltung aus? Scheller bringt es auf die Formel „Lösungen finden, statt Probleme suchen“. Er habe immer gute Erfahrungen damit gemacht, positiv an die Dinge heranzugehen, sich innerlich frei zu machen und sich auf die eigenen Fähigkeiten zu verlassen. Dieser Ansatz trage dazu bei, Hindernisse zu überwinden und eine proaktive Denkweise zu fördern. So können Unternehmen positive Veränderungen herbeiführen, eine resiliente Unternehmenskultur aufbauen und auch in schwierigen Zeiten bestehen.

Stärker mit einem „growth mindset“

Eine solche Haltung, die Herausforderungen als Chance begreift, bezeichnet die bekannte Motivationspsychologin Carol Dweck von der Stanford University in Kalifornien als „growth mindset“ (in der deutschen Übersetzung: „dynamisches Selbstbild“). Sie hat dieses zunächst bei Schülern erforscht. Kinder mit einem „growth mindset“ sind überzeugt davon, dass sie alles lernen können, wenn sie nur wollen. Sie schrecken auch vor schweren und anstrengenden Aufgaben nicht zurück, weil sie wissen, dass sie aus Feedback und Fehlern etwas lernen. Mit dieser Einstellung erzielen sie einen deutlich höheren Lernerfolg als Kinder mit einem „fixed mindset“ (deutsch: „statisches Selbstbild“). Letztere sind überzeugt, dass Talente angeboren sind. Wer gut in Mathe ist, ist gut in Mathe. Solche Kinder sind nur an positivem, bestärkenden Feedback interessiert und fürchten sich vor Misserfolgen, weil diese ihr Talent infrage stellen würden. Deshalb meiden sie Herausforderungen – und lernen entsprechend weniger dazu.

Ein Mindset lässt sich ändern

Die gute Nachricht: Ein Mindset lässt sich ändern. Wenn man zum Beispiel Schülern vermittelt, dass sie ihre geistigen Fähigkeiten durch harte Arbeit, Lesen, Bildung und das Annehmen von Herausforderungen entwickeln können, steigt ihr Lernerfolg und ihre Lernmotivation.

Dweck hat ihr Konzept auch auf Unternehmen angewendet und ist dort zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Auch Unternehmen können von einem „fixed mindset“ bestimmt sein. Gerade wenn solche Unternehmen zeitweise großen Erfolg haben, führt das bei den handelnden Personen zu der Überzeugung, naturgegeben besser zu sein als andere. Sie verlassen sich auf die eigene Genialität und suchen nur noch Bestätigung der eigenen Haltung. Eher werden Ergebnisse geschönt, als dass man Fehler zugibt. Deshalb warnt Carol Dweck: „Ein Unternehmen, das nicht zur Selbstkorrektur in der Lage ist, kann nicht erfolgreich sein.“

Zur Person: Carol Dweck

Carol Dweck ist Professorin für Psychologie an der Universität in Stanford, USA. Sie zählt zu den weltweit profiliertesten Wissenschaftlern auf dem Bereich der Motivations- und Entwicklungspsychologie. Über die Wissenschaft hinaus bekannt geworden ist sie unter anderem mit ihrem Buch „Mindset: The New Psychology of Success“ (deutsch: „Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt“) und über ihre bei YouTube veröffentlichten Vorträge und Reden zum Thema (zum Beispiel „Developing a Growth Mindset“ von Stanford Alumni).

Unternehmen, in denen ein „growth mindset“ vorherrscht, nehmen dagegen neue Entwicklungen auf, versuchen aus Fehlern zu lernen, sich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Mit dieser Haltung können sie sich auf Marktveränderungen besser einstellen und sind dadurch langfristig erfolgreicher.

Das Mindset wird von oben geprägt

Wie schafft man es also, ein „growth mindset“ im Unternehmen zu etablieren? Carol Dweck schreibt, dass das Mindset im Unternehmen von oben geprägt wird. So wie die oberste Führungsebene sich verhält und leitet, so strahlt es ins Unternehmen hinein. Dafür führt sie in ihrem Buch viele positive Beispiele (Jack Welch bei General Electric, Lou Gerstner bei IBM, Anne Mulcahy bei Xerox) und auch negative Beispiele (Kenneth Lay bei Enron, Albert Dunlap bei Sunbeam, Steve Case und Jerry Levin bei AOL Time Warner) an. Für ein „growth mindset“ braucht es Führungskräfte, die zuhören, offene Diskussionen und die gemeinsame Suche nach der besten Lösung fördern, die Mitarbeiter wertschätzen und ihnen Raum zur Weiterentwicklung lassen. Ganz im Sinne des Zitats von Stahl-Tycoon Andrew Carnegie, das Dweck in ihrem Buch aufführt: „Als Grabinschrift wünsche ich mir: Hier liegt ein Mann, der so klug war, Männer anzustellen, die klüger waren als er“.

Kundenorientierung hilft, Probleme zu lösen

Das Wort „Mindset“ hat bei Reinhold Nastvogel nie eine Rolle gespielt. „Ganz ehrlich, wir haben das Wort nie verwendet“, berichtet der langjährige Vorstand der Raiffeisen-Volksbank Haßberge. Aber seine Karriere in der Bank war davon geprägt, dass er immer offen für neue Herausforderungen war. „Ich war Sachbearbeiter, Berater, habe dann die Kreditabteilung geleitet und aus der Not heraus auch mal kommissarisch die Marketingabteilung. Ich habe immer angepackt und meine Arbeit gemacht, egal ob ich Abteilungsleiter, Mitarbeiter oder Vorstand war.“ In knapp über zehn Jahren hat er sich so vom Praktikanten zum Vorstand hochgearbeitet und die Bank dann 28 Jahre geleitet, bis zum Eintritt in den Ruhestand im Oktober 2023.

Auf die Frage, auf welche mentale Einstellung er bei Personalentscheidungen besonderen Wert gelegt hat, hat Nastvogel eine klare Antwort: „Die Kundenorientierung war für mich zentral. Ich habe immer Menschen gesucht, die mit Kunden zu tun haben möchten. Um kundenorientiert zu arbeiten, sollte man freundlich und hilfsbereit sein, aktiv auf Menschen zugehen gehen können. Und wer sich so eine Verhaltensweise angeeignet hat, der geht auch aktiv mit Problemen innerhalb des Betriebs um.“

„Wenn wir uns zehn Jahre lang nicht verändern und dann kommt plötzlich die große Veränderung, dann weiß keiner, wie es geht.“

Reinhold Nastvogel

Als Vorstand hat er einen großen Wert darauf gelegt, dass sich das Unternehmen stets weiterentwickelt. Sein Prinzip: Kein Jahr ohne Veränderung: „Wir müssen schauen, dass wir immer am Ball bleiben und gewohnt sind, Dinge zu verbessern. Wenn wir uns zehn Jahre lang nicht verändern und dann kommt plötzlich die große Anpassung und Veränderung, dann weiß keiner, wie es geht.“

Nastvogel selbst ist passionierter Marathonläufer. Braucht man die Mentalität eines Ausdauersportlers, um dieses Tempo an Veränderungen durchzuhalten? „In der täglichen Praxis ist nicht das Durchhalten wie beim Marathon das Wichtigste. Wichtiger ist die schnelle Umsetzung. Man sollte Projekte nicht lange hinziehen. Lieber weniger Projekte machen, diese aber schnell umsetzen. Dann vermeidet man Phasen der Langeweile oder Lethargie, in denen man sich fragt: Muss ich die Veränderung wirklich angehen?“ Eine Parallele zieht Nastvogel aber dennoch zum Sport: „Im Sport muss man sich Ziele setzen. Das muss man im Unternehmen auch, wenn man Veränderungen umsetzen will. Daher habe ich es immer positiv gesehen, wenn Mitarbeiter sportlich aktiv waren.“

Zur Person: Reinhold Nastvogel

Reinhold Nastvogel (Foto) arbeitete 39 Jahre für die Raiffeisen-Volksbank Haßberge und ihre Vorgänger, davon 28 Jahre als Vorstand. Für seine verdienstvolle Tätigkeit für die bayerische Genossenschaftsorganisation erhielt er die Goldene Ehrennadel des GVB. Er war in zahlreichen Gremien der genossenschaftlichen FinanzGruppe aktiv, unter anderem in der Vertreterversammlung des GVB und als langjähriger Vorstand des Verbands Genossenschaftlicher Geschäftsleiter in Bayern. Sein Buchtipp zum Thema Mentalität: „Simplify your life: Einfacher und glücklicher leben“ von Werner Tiki Küstenmacher und Lothar Seiwert.

Ein gemeinsames Mindset braucht Moderation

Gibt es aus Sicht des Praktikers so etwas wie ein Mindset des Unternehmens? „Ja, auf jeden Fall“, antwortet Reinhold Nastvogel. „Aber das gibt es nicht auf Knopfdruck. Jedes Unternehmen bildet eine Kultur und bildet auch ein Mindset. Man sieht auch häufig bei Fusionen, dass zwei unterschiedliche Kulturen zusammenkommen. Da muss man gut moderieren, um ein gemeinsames Mindset zu entwickeln. Meine Strategie: Mit den Mitarbeitern reden, sagen, wo man hinwill, das sind unsere Ziele, diese Veränderungen und Projekte gehen wir an, dann hat immer die große Mehrheit der Leute mitgezogen.“

Für Nastvogel war es dabei selbstverständlich, dass er als Vorstand mit gutem Beispiel vorangeht. „Mir war wichtig, selbst anzupacken, nicht andere schuften zu lassen und selbst im Sessel zu liegen. Und wenn wir in einem Projekt einen Workflow geändert haben, dann hat der Workflow auch für den Vorstand gegolten und nicht nur für den Berater.“

Die richtige Mentalität ist eine Führungsfrage

Das deutet auf einen Punkt hin, bei dem sich Wissenschaftler und Praktiker einig sind: Die richtige Mentalität ist nicht nur eine Frage, mit der sich jede Person selbst beschäftigen kann und sollte. Im besonderen Maße ist sie eine Führungsfrage. Das zeigt sich in den oben erwähnten Studien von Carol Dweck zum „Growth Mindset“. Und auch Thomas Baschab bestätigt dies. Er berichtet, er erlebe es oft in Unternehmen, dass Führungskräfte der Meinung sind, man könne der Belegschaft die richtige Einstellung quasi „mit der Spritze“ verabreichen. Dann werde beispielsweise er als Mentaltrainer gebucht, arbeite mit der Belegschaft und versuche, positive Ansätze zu liefern. „Aber die Führungskraft ist in der Lage, alles Positive in nur einer Minute wieder zu zerstören, wenn ihr Verhalten nicht zu dem passt, was sie gegenüber den Mitarbeitern predigt.“

Auf die Frage danach, was eine Führungskraft tun kann, wenn sie das Gefühl hat, im Unternehmen herrsche nicht die richtige Einstellung, antwortet er: „Ganz einfach. In den Spiegel schauen. Um die Situation insgesamt zu verbessern, kann ich als erstes mich verbessern. Ich muss als Führungskraft eine Ausstrahlung entwickeln, damit Menschen sich in meiner Gegenwart wohlfühlen. Dass sie sich wertgeschätzt fühlen, dass sie sich energetisch aufgeladen fühlen, dass sie das Gefühl haben, es besteht ein Interesse daran, dass sie wachsen, dass sie ihre beste Form zeigen können.“

Die Anstrengung lohnt sich

Die Anstrengung lohnt sich aber, betont Baschab – nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich: „Stell dir vor, in einem Unternehmen werden die Menschen wertgeschätzt. Sie finden Sinn in ihrer Arbeit. Sie haben attraktive Arbeitsmodelle, sie werden herausragend gut geführt. Das Ergebnis davon kannst du in der Bilanz ablesen. Deswegen ist die Antwort auf die Frage, wie groß die Rolle ist, die Mentalität in einem Unternehmen spielt, nur mit einem Wort zu beantworten: gigantisch.“

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