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Herr Reinke, früher haben Sie in der ersten Wasserball-Bundesliga gespielt. Was haben Sie aus dieser Zeit für Ihr Mindset mitgenommen?

Hans Joachim Reinke: Im Leistungssport habe ich vor allem zwei Dinge gelernt, die heute immer noch wichtig sind: Disziplin und Teamgeist. Wie eine gute Mannschaft kann auch ein gutes Unternehmen nur funktionieren, wenn diese beiden Eigenschaften vorhanden sind.  Denn ganz gleich, ob im Sport oder in der Wirtschaft: Vor einer herausragenden Performance steht fast immer der Wille, etwas zu erreichen. Das klappt aber nur, wenn man in einer vertrauensvollen Umgebung auf andere zählen kann, die einen dabei auch unterstützen.

Zur Person

Hans Joachim Reinke startete seine berufliche Laufbahn 1987 bei der Volksbank Wachtberg. 1991 kam er zu Union Investment, wo er zunächst als Vertriebsberater und dann als Bezirksdirektor Vertrieb tätig war. 2004 wurde er zum Vorstandsmitglied der Union Asset Management Holding berufen. Seit 2010 ist Reinke Vorstandsvorsitzender der gesamten Union Investment Gruppe. Sein Vertrag läuft bis Ende 2026.

Sie haben nach Ihrer Banklehre zunächst bei der Volksbank Wachtberg und anschließend bei Union Investment früh Führungsverantwortung übernommen. Nun leiten Sie seit bald 14 Jahren das Fondshaus der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Was war Ihr Antrieb, sich den neuen Positionen und den damit verbundenen Herausforderungen immer wieder zu stellen?

Reinke: Mich haben neue Aufgaben immer gereizt und ich bin da auch mit einem gewissen Selbstvertrauen herangegangen, weil ich das Geschäft zu kennen glaubte. Wie sich heute zeigt, hat das immer ganz gut funktioniert. Dafür bin ich sehr dankbar. Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich das zu 20 Prozent der Tatsache zu verdanken habe, dass ich nicht ganz doof auf die Welt gekommen bin. 40 Prozent hängen damit zusammen, dass ich vergleichsweise angstfrei durchs Leben gehe und auch schwierigen Themen nicht ausweiche. Ich sehe das Leben dabei vor allem als Chance, die im Vergleich zu den Herausforderungen immer überwiegt. Und 40 Prozent sind einfach nur Glück. Dabei war eine Sache immer von ganz besonderer Bedeutung: Das waren die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Mit jeder neuen Tür, die sich für mich geöffnet hat, habe ich die Möglichkeit erhalten, mit anderen zusammen etwas zu verändern. Erst als Vertriebschef im Netzwerk mit den Primärbanken und unserem Außendienst und dann auch als Vorstand. Das war das Beste an meinem Job und hat mich immer motiviert.
 

Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie bei 1991 bei Union Investment angeheuert haben, und zu welchem Zeitpunkt konnten Sie sich vorstellen, die Position des Vorstands erfolgreich auszufüllen?

Reinke: Meine sportliche Laufbahn zeigt ja, dass ich schon immer einen gewissen Ehrgeiz hatte. Aber, und das ist ganz wichtig: Meine Mutter hat mir ebenso vermittelt, dass man im Leben ohne Demut und Einsicht nichts erreichen kann. Deshalb wäre es vermessen gewesen, bei Union vom ersten Tag an auf den Chefposten zu schielen. Ja – ich wollte sicher den einen oder anderen Schritt noch machen. Aber wenn man von einer Volksbank zu Union Investment wechselt, ist das erstmal ein großer Sprung und eine große Chance. Und da stand dann auch erstmal eher das Ankommen und weniger das Weiterkommen im Fokus.

„Nur weil ich der Chef bin, muss ich nicht immer alles besser wissen.“

Sie stehen einem Unternehmen mit einer Belegschaft von über 4.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben und an welchen Grundsätzen und Werten orientieren Sie sich?

Reinke: Das müssten Sie eigentlich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen. Ein Stück leitet sich das aus dem ab, was ich bereits gesagt habe und eng mit meiner Biografie verbunden ist: Für mich ist immer das Team der Star und so versuche ich auch zu agieren. Nur weil ich der Chef bin, muss ich nicht immer alles besser wissen. Jeder hat seine Position im Team, dadurch seine Sicht auf die Dinge und agiert auf Basis seiner Perspektive kompetent und vorausschauend. Ich muss nicht alles vorgeben, schenke lieber Vertrauen und höre zu. Aber ich muss schon wissen, was läuft – allein schon, um dann eben auch eine Entscheidung mit herbeizuführen, die für das gesamte Unternehmen am besten passt.

Als Vorstandschef müssen Sie auch harte Entscheidungen treffen. Wie gehen Sie dabei vor?

Reinke: Ich involviere die Beteiligten frühzeitig, höre mir verschiedene Meinungen und Standpunkte an und entscheide dann mit dem Team zusammen.

„Ich weiß, wann man damit aufhören muss, sich ein X für ein U vorzumachen. Denn das ist ja die große Gefahr, dass man sich irgendwann die Welt schönredet.“

Unter Ihrer Führung hat sich Union Investment stets weiterentwickelt und an neue Herausforderungen angepasst. Beispielsweise haben Sie frühzeitig die Chancen des ratierlichen Sparens aufgegriffen und entsprechende Produkte aufgelegt. Welches Mindset braucht es, um am Ball zu bleiben und sich nicht auf vergangenen Erfolgen auszuruhen?

Reinke: Ich glaube, ich bin trotz des langjährigen Erfolgs immer noch sehr gut geerdet und weiß, wann man damit aufhören muss, sich ein X für ein U vorzumachen. Denn das ist ja die große Gefahr, dass man sich irgendwann die Welt schönredet. Herausforderungen gibt es immer und überall und da gilt dann meist auch der alte Spruch: Im größten Erfolg werden die schlimmsten Fehler gemacht. Weil ich das weiß, will ich immer möglichst vor der Kurve sein und frühzeitig reagieren. Denn nur dann bleibt man auch auf Kurs.


Um Marktchancen zu erkennen, ist es wichtig, sich nicht nur auf interne Angelegenheiten zu konzentrieren. Wie lassen Sie sich inspirieren, wo erhalten Sie neue Anregungen?

Reinke: Ich habe bis letztes Jahr jedes Jahr wochenlang mit ein paar ausgewählten Kollegen eine Frühjahrs- und eine Herbsttour durch ganz Deutschland gemacht und dort die Vorstände unserer Partnerbanken getroffen. Die haben mir dann im offenen Austausch erzählt, wo bei ihnen der Schuh drückt und was sie von Union Investment benötigen. Ich habe mir praktisch mein Auftragsbuch abgeholt. Vieles, was wir so erfolgreich in den letzten Jahren umgesetzt haben, entsprang aus diesen Gesprächen.

„Finanzmarktkrise: Das war die Zeit, als wir bis tief in die Nächte zusammensaßen und sich die Pizzaverpackungen in den Büroräumen stapelten.“

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder externe Schocks, die starke Auswirkungen auf die Finanzmärkte und damit Union Investment hatten. Ein Beispiel dafür ist die Finanzmarktkrise 2008. Wie sind Sie mit solchen Situationen umgegangen?

Reinke: Zu dem Zeitpunkt war ich Vorstandsmitglied, aber noch nicht Vorstandsvorsitzender. In jenen Tagen nach dem Fall von Lehman, wo keiner wusste, ob im internationalen Finanzsystem überhaupt noch ein Stein auf dem anderen bleiben würde, hat Union Investment eine ihrer größten Stärken gezeigt: Es gab einen bedingungslosen Zusammenhalt im ganzen Haus, jeder ist die Extrameile gegangen. Und es war die Zeit, als wir bis tief in die Nächte zusammensaßen und sich die Pizzaverpackungen in den Büroräumen stapelten. Da begann ich übrigens mit dem regelmäßigen Joggen, denn mir war klar, dass dieser Lebenswandel mich sonst auf Dauer krank gemacht hätte.

Auch wenn die äußeren Umstände gut sind, läuft nicht immer alles nach Plan. Welches Mindset braucht ein Unternehmen, um mit Rückschlägen umzugehen?

Reinke: Auch das ist wie im Sport: Mal gewinnt man, mal verliert man. Glücklicherweise ist bei uns in den letzten 14 Jahren sehr viel sehr gut gelaufen. Deshalb waren die Rückschläge meist relativ leicht zu verkraften. Aber ich weiß sehr gut, dass es auch mal anders kommen kann. Da stehe ich dann mit beiden Beinen auf dem Boden und suche nach sachorientierten Lösungen. Das gilt auch bei Fehlern. Man darf sie einmal machen, aber nicht denselben Fehler ein zweites Mal. Man muss aus ihnen lernen. Nur das bringt einen weiter.


Die Fondsbranche durchläuft derzeit einen Wandel und muss Lösungen zu Mega-Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung finden. Wie lässt sich eine Haltung im Unternehmen schaffen, die offen für Veränderungen ist? Welche Rolle hat dabei der CEO?

Reinke: Die Veränderungsbereitschaft ist ein wesentliches Element zukünftiger Erfolge. Wir haben gerade auch in guten Jahren gelernt, dass diese Erfolge nicht von allein kommen und man nur dann vor der Kurve bleibt, wenn man sich immer wieder auf den Prüfstand stellt und mutig ist, Neues auszuprobieren. Das versuche ich als CEO vorzuleben und es macht mich stolz, dass unsere gesamte Mannschaft mitzieht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass es einen authentischen Gleichlauf zwischen der Außenwirkung und der Innenwirkung gibt. Am Beispiel der Nachhaltigkeit erläutert bedeutet das, nicht nur mit nachhaltigen Produkten und als aktiver Aktionär, der sich für Nachhaltigkeit bei Unternehmen, in die wir investieren, einzusetzen. Es bedeutet auch, im eigenen Unternehmen nachhaltig zu wirken, beispielsweise durch die Verfolgung und das Erreichen betriebsökologischer Ziele.

„Ein gesunder Ehrgeiz ist richtig und wichtig, um voranzukommen. Aber keiner schafft es im Leben alleine ganz nach oben.“

Welches Mindset sollte ein junger Mensch mitbringen, der gerne Führungsverantwortung übernehmen möchte?

Reinke: Ein gesunder Ehrgeiz ist richtig und wichtig, um voranzukommen. Aber keiner schafft es im Leben alleine ganz nach oben. Deswegen muss man sich mehr denn je als Teamplayer beweisen, zuhören und die Richtigen involvieren. Dann muss man entscheiden und da ist man als Führungskraft natürlich besonders gefordert. Denn wer führen will, darf sich nicht wegducken, sondern muss vorangehen. Das heißt: Man muss lernen, Verantwortung zu übernehmen, aber das muss man dann auch wollen und von sich aus die Initiative ergreifen. Mit Rückenwind ist das natürlich schöner, aber bei Gegenwind mindestens genauso wichtig.


Herr Reinke, vielen Dank für das Gespräch!

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