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Die Zeit fliegt. Mitte Februar feierte das Zukunftshaus in Würzburg ein kleines Jubiläum. 500 Tage sind bereits seit der Eröffnung vergangen. Der Kuchen im Video hat zwar weniger als 500 Kerzen, aber das hinderte das das Team um das Vorstandstrio Matthias Pieper, Lisa Spängler und Ulrich Emmerling nicht daran, den Tag auf Instagram zu würdigen. Seit Oktober 2022 können die Würzburger im Zukunftshaus ökologisch und fair hergestellte Produkte kaufen, Werkzeug mieten, Kleider tauschen oder Elektrogeräte reparieren lassen – alles so nachhaltig wie möglich. Denn das ist das Ziel der Genossenschaft Zukunftshaus eG, die hinter dem Projekt steht: Nachhaltigen Konsum alltagstauglich gestalten – und damit den Alltag der Menschen nachhaltiger machen.

Mischung aus Boutique, Biomarkt und Kaufhaus

Wer das großzügige Ladengeschäft in der Augustinerstraße 4 betritt, findet immer etwas zum Anschauen. Der Verkaufsraum ist eine Mischung aus Boutique, Weltladen, Biomarkt und Kaufhaus. Trotz dieser bunten Vielfalt wirkt er aufgeräumt. Zum Kaufsortiment gehören Taschen aus alten Luftmatratzen, Rucksäcke aus Airbags und Gürtel aus Rennradreifen genauso wie Pullover aus wiederverwendeter Kaschmir-Wolle und Schuhe aus ökologischer Herstellung, nachhaltig produziertes Porzellan, Emaille-Kochgeschirr aus recyceltem Metall oder vegane Bio-Schokolade.

Geöffnet hat das Zukunftshaus Montag bis Samstag von 10 bis 18 Uhr. Seit März 2023 sind die drei Vorstände Matthias Pieper, Lisa Spängler und Ulrich Emmerling sowie zwei Verkäuferinnen und eine Minijobberin fest bei der Genossenschaft angestellt. 125 Stunden werden ihnen pro Woche bezahlt, um alle anfallenden Arbeiten zu erledigen. Und das ist eine Menge: Kunden beraten, Ware nachbestellen, Regale einräumen, nach neuen Produkten und Lieferanten suchen, Mietgegenstände herausgeben, Reparaturen annehmen – und natürlich die Buchhaltung, die jeder Laden mit sich bringt. Langweilig wird dem Team jedenfalls nie.

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Das Zukunftshaus Würzburg im Video-Porträt. Video: Florian Christner, Christof Dahlmann und Karl-Peter Lenhard (Schnitt), Genossenschaftsverband Bayern

Jeder Tag ist anders

Für das Video hat das Vorstandsteam ein paar Zahlen zusammengestellt, was die Genossenschaft mit Unterstützung ihrer Mitglieder bisher geschafft hat: Zehntausende nachhaltige Produkte wurden verkauft, 380 Mietgegenstände zusammengetragen und an über 750 Kunden vermietet. Außerdem wurden über 600 Geräte repariert und die Kunden tauschten Zehntausende Artikel. Nach 500 Tagen Zukunftshaus haben sich schon viele Dinge eingespielt. „Trotzdem ist jeder Tag ist anders. Es gibt fantastische Tage, wo ganz viele Kunden kommen und uns einen fantastischen Umsatz bescheren, dann gibt es wieder triste Tage, wo kaum etwas los ist“, fasst Matthias Pieper seine Erfahrung zusammen.

Alternative zu ungezügeltem Wachstum

Angefangen hat alles im Sommer 2018 mit einem Vortrag von Niko Paech, der den Begriff der „Postwachstums-Ökonomie“ geprägt hat. Bei Pieper hinterließ der Ökonom einen nachhaltigen Eindruck. „In der Wirtschaft zählt nur Wachstum. Wir wollen immer mehr, aber das funktioniert auf Dauer nicht. Effizienzsteigerungen werden durch Wachstum wieder aufgefressen. Der Kühlschrank ist effizienter, aber dafür größer. Flugzeuge verbrennen weniger Kerosin, aber immer mehr Menschen wollen fliegen. Wohnungen werden gedämmt, aber wir beanspruchen immer mehr Wohnraum“, gibt Pieper drei Beispiele. Also habe er angefangen zu überlegen, was er mit seiner Familie in Würzburg anders machen könne, um diesem ungezügelten Wachstum etwas entgegenzusetzen.

Schon lange vor der Gründung des Zukunftshauses beschäftigte sich Pieper mit fairem Handel und Nachhaltigkeit. Seine Frau stammt aus Peru, die beiden haben drei Kinder. Der Vorstand importiert mit seinem Fairhandels-Unternehmen „mariposa fair trade“ Strickwaren aus peruanischer Alpakawolle. 2019 hielt er in einem Würzburger Buchladen einen Vortrag über nachhaltiges Wirtschaften. Dort skizzierte er seine noch vage Idee, in der Stadt ein Angebot zu schaffen, das nachhaltigen Konsum alltagstauglich macht.

Nachhaltigkeit in den Alltag der Menschen integrieren

Einige Zuhörerinnen und Zuhörer waren bereit, zusammen mit Matthias Pieper die Idee weiterzuentwickeln. „Es haben sich zehn Leute in die Liste eingetragen. Daraus ist dann eine Runde entstanden, die einmal im Monat diskutiert hat, wie man nachhaltigen Konsum am besten zu den Menschen bringt“, erzählt Pieper. Auch Ulrich Emmerling ist seitdem dabei. Die dritte Vorständin Lisa Spängler kam erst 2021 hinzu. Sie fing als Werkstudentin für Nachhaltigkeitsmanagement beim Verein Zukunftswerk an, konnte sich aber schnell vorstellen, sich stärker zu engagieren, und ließ sich vom Aufsichtsrat in den Vorstand der Genossenschaft wählen.

Zwar gebe es auch in Würzburg schon nachhaltige Angebote, diese ließen sich aber häufig schwer in den Alltag integrieren, sagt Pieper. „Man muss viele verschiedene Orte aufsuchen, die zum Teil nur abends geöffnet haben. Tauschbörsen finden häufig spontan statt. Wenn man berufstätig ist und vielleicht auch noch Kinder hat, dann findet man nur schwer die Zeit, alle Aktivitäten unter einen Hut zu bringen.“ Zudem seien Angebote wie Kleidertauschbörsen oder Repair-Cafés für sich genommen nur für einen begrenzten Nutzerkreis interessant.

Ein Verein bereitet der Genossenschaft den Weg

Was aber, wenn man alle Angebote unter einem Dach bündelt, um es den Menschen möglichst einfach zu machen, nachhaltigen Konsum zeitsparend in ihren Alltag zu integrieren? Das könnte funktionieren. Die Runde einigte sich darauf, diese Idee weiterzuverfolgen, und arbeitete innerhalb von neun Monaten ein detailliertes Konzept aus: ein Zukunftshaus für Würzburg. Um das Projekt vorzubereiten, gründete der Kreis im Frühjahr 2019 den Verein „Sonntagskind Zukunftshaus“, seit Mai 2020 firmiert er unter „Zukunftswerk“. Die Vereinsgründung war der erste Schritt zur Umsetzung des Zukunftshauses. „Unsere Vision ist eine Gesellschaft, die im Einklang mit der Natur lebt. Das heißt für uns, dass wir nicht auf Kosten unserer Kinder und Enkel leben, sondern nur so viele Ressourcen nutzen, wie die Erde uns nachhaltig bereitstellen kann“, erklärt Ulrich Emmerling, der sowohl in der Genossenschaft als auch im Verein im Vorstand aktiv ist.

In der Corona-Zeit werden weiter Pläne geschmiedet

Anfang 2020 besichtigten Emmerling und Pieper eine erste Immobilie für das Zukunftshaus, doch dann brachte die Corona-Pandemie jedes öffentliche Leben zum Erliegen. „Wir haben uns kurz geschüttelt und beschlossen, erstmal abzuwarten. Es ergab keinen Sinn, während der Pandemie einen Laden zu eröffnen, wenn sonst alles geschlossen ist“, erzählt Emmerling. Untätig blieb der Verein trotzdem nicht. Sozusagen auf Vorrat gründeten die Aktiven im Herbst 2020 eine Genossenschaft, die Zukunftshaus eG. Das ganze Gründungsprozedere wurde in der Pandemiezeit durchgezogen. „Wir wollten sofort loslegen können, sobald sich nach Corona wieder eine Gelegenheit ergibt“, berichtet Ulrich Emmerling.

Die Entscheidung, für den Betrieb des Zukunftshauses eine eigene Genossenschaft aus dem Verein heraus zu gründen, fiel aus wirtschaftlichen Erwägungen. „Wir wollten das Zukunftshaus als eigenständigen Wirtschaftsbetrieb in der Rechtsform eG aufbauen. So können Leute, die unsere Idee toll finden, das Vorhaben mittragen, indem sie Mitglied der Genossenschaft werden. Außerdem klingt Zukunftshaus GmbH längst nicht so gut wie Zukunftshaus eG“, erklärt Pieper und lacht.

Ladengeschäft in bester Lage

Im Jahr 2022 entdeckten die Genossenschaftsgründer schließlich das leerstehende Ladengeschäft in der Augustinerstraße 4, zentral in der Würzburger Altstadt gelegen. Die vor allem bei Touristen beliebte Alte Mainbrücke ist nur einen Steinwurf entfernt, direkt vor dem Haus liegt die Haltestelle Rathaus, die von fast allen Straßenbahnlinien angefahren wird. „Die Lage ist ideal. Früher befand sich in dem Haus ein Schuhgeschäft. Wir konnten die Vermieter von unserem Konzept überzeugen. Im August 2022 haben wir mit der Renovierung begonnen und Anfang Oktober 2022 schließlich eröffnet“, erzählt Pieper.

Ein Konzept mit vier Säulen

Zwei Monate lang arbeiteten die Genossenschaftsgründer und freiwillige Helfer, um das Geschäft auf Vordermann zu bringen und nach ihren Vorstellungen einzurichten. „Dank der Hilfe zahlreicher Unterstützerinnen und Unterstützer haben wir es geschafft, dass aus einer großen Baustelle ein schicker Laden wurde“, erzählt Pieper. Mit dem Kapital aus den Genossenschaftsanteilen der Mitglieder wurden die Anschubkosten und der Kauf der ersten Waren finanziert. Die Stadt Würzburg unterstützt die Genossenschaft ideell, indem sie zum Beispiel auf ihren Kanälen auf Veranstaltungen und Aktionen im Zukunftshaus aufmerksam macht. Das Konzept des Zukunftshauses ruht auf vier Säulen:

  • Kaufen: Im Zukunftshaus gibt es eine buntes Sortiment an nachhaltigen Produkten. Die Auswahl reicht dabei von Kleidung und Schuhen über Schreibwaren und IT, Haushalt und Wohnen, Reinigung und Kosmetik, Taschen und Rucksäcken bis zu Lebensmitteln. Bieten mehrere Lieferanten vergleichbare Artikel an, entscheidet sich das Team des Zukunftshauses immer für das nachhaltigste Produkt in diesem Sortimentsbereich. Dabei fließen Nachhaltigkeitskriterien wie Herstellungsort, Herkunft der Rohstoffe, Reparierbarkeit oder die Nutzung erneuerbarer Energien bei der Produktion in die Bewertung mit ein. Jedes Produkt im Laden ist mit einem QR-Code ausgestattet. Wenn die Kunden den Code mit ihrem Smartphone scannen, werden sie auf die Webseite des Zukunftshauses geführt. Dort können sie nachlesen, wie und wo der Artikel hergestellt wurde. Außerdem können Interessenten auf der Webseite die Waren betrachten und sogar umfangreich nach Kriterien und Schlagwörtern sortieren. So können die Nutzer zum Beispiel nach Produktionsbedingungen, Lieferanten, Kategorien (Bad, Büro, Bekleidung, etc.) sowie Siegeln und Zertifikaten (Blauer Engel, Bioland-Produktsiegel, etc.) suchen.
  • Mieten: Dinge, die man nur selten braucht, kann man im Zukunftshaus mieten. Die Artikel können termingenau über einen Online-Mietshop oder im Zukunftshaus reserviert werden. Verliehen werden Artikel aus den Bereichen Werkzeug (Stichsäge, Bohrmaschine, Flex, etc.), Haushaltsgeräte (Eismaschine, Raclette-Set, Dörrautomat, etc.), Party (Lichtmaschine, Boxen, Geschirr, etc.), Reisen (Koffer, Zelt, Isomatte, etc.) und „Besuch kommt“ (Kinderreisebett, Kinderautositz, Brettspiele, elektrische Eisenbahn, etc.). Rund 90 Prozent der mittlerweile über 350 Mietartikel stammen aus Spenden.
  • Tauschen: In zwei Räumen des Zukunftshauses betreibt der Verein Zukunftswerk dauerhaft einen Tauschmarkt. Betreut wird dieser ehrenamtlich von den Vereinsmitgliedern. In ersten Raum kann Kleidung getauscht werden, im zweiten Raum wird zu einem monatlich wechselnden Thema getauscht. Abgabe und Mitnahme sind nicht miteinander verknüpft. Die Besucher können auch nur etwas mitnehmen oder nur etwas abgeben. Die Abgabe ist auf fünf gut erhaltene Teile pro Tauschraum beschränkt. Die monatlichen Tauschthemen veröffentlicht das Zukunftshaus auf seiner Webseite. Im März werden zum Beispiel Heimtextilien, Deko und Bastelzubehör getauscht, im April zum Start der Gartensaison sind es Dinge rund um Garten und Outdoor sowie Pflanzen. Kaputte Gegenstände werden nicht zum Tauschen angenommen. „Eine Hose mit einem Loch nimmt keiner mit“, sagt Ulrich Emmerling dazu.
  • Reparieren: Das Zukunftshaus vermittelt Elektrogeräte (Haushaltsgeräte, Audio/Hifi, Lampen, etc.) an ehrenamtliche Reparateure. Dafür wird eine Bearbeitungsgebühr fällig. Außerdem verlangt das Zukunftshaus zehn Euro Kaution, die bei Abholung des Geräts wieder erstattet wird. Der Reparateur meldet sich beim Kunden und klärt das weitere Vorgehen ab. Wenn für die Reparatur ein Ersatzteil nötig ist, wird der Preis vorab mitgeteilt und im Auftrag des Kunden besorgt, sofern dieser einverstanden ist. Weitere Infos zum Reparaturservice gibt auf der Zukunftshaus-Webseite.

Reparaturservice und Tauschbörse laufen am besten

Am besten entwickeln sich der Reparaturservice und die Tauschbörse. Fünf ehrenamtliche Reparateure hat das Zukunftshaus mittlerweile engagiert. „Das sind richtige Tüftler und Bastler, die Spaß daran haben, Dinge wieder zum Laufen zu bringen“, erzählt Ulrich Emmerling. Einer von ihnen ist immer Mittwochnachmittags vor Ort, um sich die Geräte direkt anzuschauen. Rund 75 Prozent der angenommenen Geräte werden repariert, allerdings ohne Gewährleistung. Auch das Raumschiff Enterprise wurde schon instandgesetzt, allerdings nur im Modell. „Bereits am Eröffnungstag des Zukunftshauses wurden uns drei Geräte zum Reparieren gebracht, dabei hatten wir da das Angebot noch gar nicht bekannt gemacht“, erzählt der Vorstand. Doch nicht jeder Defekt lässt sich auch reparieren. Offensichtlich irreparable Geräte werden deshalb abgelehnt. „Wir erhalten das Dreifache an Anfragen im Verhältnis zu dem, was wir zur Reparatur annehmen“, schätzt Emmerling.

Auch die Mietartikel werden intensiv nachgefragt. „Da verzeichnen wir von der Häufigkeit die steilste Kurve. Es gibt Tage, wo wir 15 Dinge oder mehr verleihen“, berichtet Matthias Pieper. Er geht davon aus, dass die Nachfrage mit der Zeit noch steigen wird. Viele Dinge würden immer noch gekauft, obwohl sie nur kurz benötigt werden und die restliche Zeit im Keller ungenutzt herumliegen, etwa Werkzeug – gängigstes Beispiel ist die Bohrmaschine – oder Campingartikel. „Die Menschen müssen erst noch lernen, Dinge auszuleihen. Uns ist das fremd, weil wir damit nicht groß geworden sind.“ Solche Gewohnheiten umzustellen, brauche Zeit.

Medien berichten überregional

Mit dem neuartigen Konzept erregte das Zukunftshaus nicht nur in Würzburg, sondern überregional große Aufmerksamkeit. Zahlreiche Medien vom örtlichen Mainecho bis zum Bayerischen Rundfunk haben schon berichtet. „Man spricht über uns und unser innovatives Konzept“, freut sich Matthias Pieper. Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniere. Viele Kunden bringen Freunde und Bekannte mit in den Laden, um ihnen das Zukunftshaus zu zeigen. Allein: „Davon, dass man über uns spricht, können wir die Miete nicht bezahlen. Die Leute müssen auch etwas kaufen“, sagt Pieper. Die Genossenschaft hat sich zum Ziel gesetzt, dass sich das Zukunftshaus nach zwei Jahren selbst trägt. Die hohen Anfangsinvestitionen in das Sortiment haben viel Kapital der Genossenschaft gebunden, und auch jetzt wollen Lieferungen bezahlt werden, bevor die Waren verkauft werden können. Die Genossenschaft muss also finanziell immer in Vorleistung gehen.

Umsatz deutlich gesteigert

Matthias Pieper und Ulrich Emmerling sind trotzdem optimistisch, dass ihr Konzept für das Zukunftshaus aufgeht. „Im Vergleich zum ersten Jahr haben wir unseren Umsatz schon deutlich gesteigert, aber es muss noch besser werden“, sagt Pieper. Aktuell arbeitet das Team daran, weitere Stammkunden zu gewinnen und sich neue Käuferkreise zu erschließen. Denn das ist den beiden Vorständen wichtig: „Wir wollen nicht nur eine bestimmte Klientel, sondern die breite Bevölkerung für uns gewinnen“, sagt Emmerling. Und die sei mehrheitlich nicht im alternativ-ökologischen Milieu unterwegs. „Viele Menschen glauben, sie passen mit ihrer Einstellung nicht zu uns, und kommen deshalb erst gar nicht“, bedauert Pieper. Diese Personen wolle man erreichen, denn das Zukunftshaus richte sich an alle Menschen. „Wir könnten von der Aufmachung auch eine nette Boutique sein, die für jeden Geldbeutel etwas zu bieten hat“, sagt Pieper. Darauf sei auch das Konzept aus Kaufen, Tauschen, Reparieren und Mieten ausgerichtet. Wer nur wenig Geld zur Verfügung hat, kann in den Tauschräumen des Vereins kostenlos Sachen mitnehmen. Wem nachhaltige Produkte etwas wert sind, entscheidet sich dagegen vielleicht für einen Pullover aus recycelter Kaschmir-Wolle. „Nachhaltigkeit muss nicht teuer sein“, ist Matthias Pieper wichtig zu betonen.

Angebote für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel

Um allen Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden, setzt das Zukunftshaus auf ein breites Spektrum an Waren. „Wir haben unser Sortiment und die Lieferanten im Vergleich zum Start verdoppelt. Anfangs hatten wir unterschätzt, wie viel Ware auf die Verkaufsfläche passt. Da sah der Laden doch recht leer aus“, berichtet Pieper. Mittlerweile sind die Regale und Ausstellungsflächen gut gefüllt, ohne dass es beengt wirkt. In Zukunft sollen weitere Lebensmittel das Sortiment ergänzen. „Lebensmittel sind Verbrauchsgüter. Das heißt, die Leute kommen regelmäßig wieder, wenn sie etwas gefunden haben, was ihnen schmeckt“, sagt Pieper.

Bereits über 300 Mitglieder

Im Laden wirbt das Team des Zukunftshauses auch um neue Mitglieder – sehr erfolgreich, wie Ulrich Emmerling und Matthias Pieper zufrieden feststellen. „Vor der Eröffnung des Ladens hatten wir unter 50 Mitglieder, jetzt sind es schon deutlich über 300“, freut sich Emmerling. Mit jedem Genossenschaftsanteil, den Mitglieder erwerben, steigt der finanzielle Spielraum der Zukunftshaus eG. Jedes Mitglied muss mindestens einen Anteil für 200 Euro zeichnen, maximal können 100 Anteile erworben werden. Ein Mitglied hat das bereits getan. „Er hatte etwas Geld übrig und wollte uns unterstützen. Das freut uns natürlich sehr“, sagt Emmerling. Die Anteile sind für drei Jahre festgeschrieben und können anschließend jährlich gekündigt werden. Eine Nachschusspflicht hat die Genossenschaft in ihrer Satzung ausgeschlossen. Und wie bei jeder Genossenschaft gilt: Jedes Mitglied hat eine Stimme in der Generalversammlung. Die Anzahl der Genossenschaftsanteile spielt für das Mitbestimmungsrecht keine Rolle.

Zukunftshaus wird als Pilotprojekt gefördert

Pieper und Emmerling hoffen, dass das Zukunftshaus-Konzept über kurz oder lang von anderen Initiativen übernommen wird. „Es kommen immer wieder Touristen zu uns in den Laden, die bedauern, dass es so etwas woanders nicht gibt“, berichtet Pieper. Ein erster Schritt dazu ist getan. 2023 suchten die auf Klima, Umwelt und Entwicklung spezialisierte Denkfabrik adelphi und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im Auftrag des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts deutschlandweit nach Pilotprojekten für nachhaltigen Konsum und Innenstadtentwicklung. „Wir haben uns beworben und sind nun eines von drei deutschlandweiten Pilotprojekten! Das ist ein riesiger Motivationsschub für unsere Arbeit“, freut sich Emmerling.

Als Pilotprojekt wird das Zukunftshaus vom Umweltbundesamt finanziell gefördert. Außerdem wird die Arbeit der Genossenschaft zwei Jahre lang konzeptionell von adelphi begleitet. „Wir werden mit der Förderung unsere Onlinepräsenz stärken und ein komplettes Manual ,How to Zukunftshaus‘ erstellen, das von adelphi europaweit verbreitet werden soll“, berichtet Emmerling. Die Blaupause soll anderen Initiativen dabei helfen, vergleichbare Projekte auf die Beine zu stellen, damit das Zukunftshaus viele Nachahmer findet. Das Handbuch soll so aufgebaut sein, dass die Nutzer entweder das ganze Konzept übernehmen können oder sich einzelne Kapitel rauspicken, die zu ihren eigenen Plänen passen.

Ein Wagnis zum Erhalt unserer Erde

Mit Unterstützung der Mitglieder und der rund 50 Helferinnen und Helfer vom Verein Zukunftswerk hofft der Vorstand der Genossenschaft, bald dauerhaft in die schwarzen Zahlen zu kommen. Damit das Zukunftshaus eine Zukunft hat – und Mitglieder wie Kunden Mitte kommenden Jahres 1.000 Tage Geschäftseröffnung feiern können. „Was wir machen, ist ein Wagnis, aber wir sind optimistisch, dass wir es schaffen. Unsere Erde gibt es nur einmal. Wir wollen mit unserem Engagement dazu beitragen, sie lebenswert zu erhalten“, sagt Matthias Pieper.

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