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Die Urkunde hängt noch nicht im Büro. „Die wird gerade gerahmt“, sagt Florian Riedl. Doch der Stolz ist dem Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Schongau eG (WBV Schongau) mit Sitz in Peiting auch ohne offizielles Dokument an der Wand anzumerken. Mitte Oktober hat die Genossenschaft den „Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaftung“ erhalten, der alle zwei Jahre vom bayerischen Forstministerium ausgelobt wird. Staatsministerin Michaela Kaniber überreichte die Auszeichnung bei einem Festakt in der Münchner Residenz. „Seit bereits mehr als zehn Jahren setzt sich die WBV Schongau bei ihren Mitgliedern vorbildlich für einen nachhaltigen Waldumbau und eine breite Vielfalt bei der Baumartenwahl ein“, lobte Kaniber bei der Preisverleihung.

Der Umbau des Walds sei dringend nötig, erklärt Riedl. Um zu begründen, warum das so ist, reicht dem Diplom-Ingenieur für Forstwirtschaft eine Zahl: 90 Prozent. So hoch ist der Anteil der Fichte im Geschäftsgebiet der Genossenschaft. Dieses umfasst den 1972 im Zuge der Gebietsreform aufgelösten Landkreis Schongau. Die Beliebtheit der Fichte hat historische Gründe: Bei den großflächigen Aufforstungen in der Nachkriegszeit setzten viele Förster in der Region Pfaffenwinkel – so wie in ganz Bayern – auf diese Baumart, da sie vergleichsweise anspruchslos ist und schnell wächst.

Die Genossenschaft im Kurz-Portrait

Die Waldbesitzervereinigung Schongau eG (WBV Schongau) wurde 1970 als Verein gegründet und 2007 in eine Genossenschaft umgewandelt. Zu den 1.200 Mitgliedern zählen vor allem Privatwaldbesitzer, aber auch Kirchenstiftungen und Kommunen mit eigenen Wäldern. Gemeinsam gehören ihnen rund 6.000 Hektar Wald. Hauptzweck der Genossenschaft ist es, die Teilhaber in allen Fragen der Waldbewirtschaftung zu unterstützen. Dazu zählen beispielsweise Beratung und Vermarktung. Ein Geschäftsanteil kostet lediglich zehn Euro. Allerdings müssen potenzielle Neumitglieder nachweisen, dass sie Wald im Alt-Landkreis Schongau besitzen. Geschäftsführer der WBV Schongau ist Florian Riedl, Andreas Schmid sein Stellvertreter. Jürgen von der Goltz arbeitet im Bereich Holz, Dienstleistung, Logistik und Betriebsführung. Alle drei sind Diplom-Ingenieure für Forstwirtschaft.

Die Probleme des „Brotbaums“

Der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft bereitet Riedl heute große Sorgen. Denn die Fichte kommt nur bedingt mit den veränderten klimatischen Bedingungen wie hohen Temperaturen und geringen Niederschlägen zurecht. Weil sie im Gegensatz zur Tanne nur flach im Erdreich wurzelt, nimmt die Fichte auf trockenen Böden nur schwer Wasser auf. Dadurch produziert sie zu wenig Harz, um sich gegen Schädlinge wie den Borkenkäfer zu schützen. Außerdem knickt sie bei heftigen Stürmen wie dem Orkan Niklas im Frühjahr 2015 leicht um. Die Lösung für das Problem: „Wir möchten weg von der Monokultur Fichtenwald hin zu gemischten Wäldern mit einem deutlich höheren Anteil an Laubhölzern“, sagt Riedl.

Gesagt, getan? So einfach ist ein Waldumbau nicht. Denn zunächst einmal müssen die Flächen verfügbar sein. Ein Fichtenwald wächst rund 80 bis 100 Jahre, bis er reif für die Ernte ist. Es braucht folglich Jahrzehnte, bis die Monokulturen verschwinden. Dazu kommt, dass die Genossenschaft bei manchen Mitgliedern viel Überzeugungsarbeit leisten muss. Schließlich wird das Wissen traditionell von Generation zu Generation weitergegeben und viele Waldbesitzer kennen sich nur mit der Fichte aus. „Wir spüren aber, dass immer mehr Mitglieder offen für den Waldumbau sind, da sie über die negativen Folgen der Monokultur Bescheid wissen“, sagt Riedl.

Als Alternative zur Fichte bieten sich einerseits Baumarten an, die in der Region seit jeher beheimatet sind. Dazu zählen etwa Buche, Bergahorn oder Kirsche. Andererseits experimentiert die Genossenschaft mit nicht-heimischen Baumarten wie Schwarznuss, Scheinzypresse oder Riesenmammutbaum. Um herauszufinden, wie diese mit den klimatischen Bedingungen vor Ort zurechtkommen, hat die WBV Schongau 2011 gemeinsam mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf eine Versuchsfläche eingerichtet. „Die ersten Erfahrungen sind vielversprechend, belastbare Aussagen lassen sich aber erst in einigen Jahren treffen“, sagt Riedl (siehe Video).

800.000 neue Bäume in acht Jahren

Die WBV Schongau unterstützt ihre Mitglieder aktiv beim Waldumbau. Beispielsweise informiert sie nicht nur über alternative Baumarten, sondern auch über die Pflege. Zudem übernimmt sie auf Wunsch die Pflanzarbeiten. In den vergangenen acht Jahren hat die Genossenschaft – in enger Abstimmung mit dem regionalen Forstamt – insgesamt 800.000 neue Bäume setzen lassen. Dabei hilft sie den Mitgliedern, Fördermittel zu beantragen. Im Rahmen des Programms „Waldumbauoffensive 2030“ stellt der Freistaat Bayern Waldbesitzern, die ihre Bestände klimastabil umbauen, insgesamt 200 Millionen Euro zur Verfügung. Auf diese Weise hat sich der Laubholzanteil bei der WBV Schongau im Bereich der Neuanpflanzungen von 20 Prozent im Jahr 2010 auf aktuell knapp 50 Prozent erhöht.

Waldpflegeverträge: Alles aus einer Hand

Die WBV Schongau erhebt einen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Dafür bündelt und vermarktet die Genossenschaft die Holzernte der Mitglieder. Weitere Leistungen sind beispielsweise eine halbe Stunde kostenlose Beratung, Ausflüge und Lernfahrten sowie Informationen per Rundschreiben und Newsletter. Zusätzlich können Mitglieder sogenannte „Waldpflegeverträge“ abschließen. Dann kümmert sich die Genossenschaft komplett um die Pflege der Bestände. Das ist vor allem für Waldbesitzer interessant, die nicht dauerhaft vor Ort wohnen oder die Arbeiten im Wald nicht leisten können oder wollen.

In Zukunft möchte die Genossenschaft vermehrt die Chancen der Digitalisierung nutzen. Dazu hat sie die 1.000 Euro, die sie für den Staatspreis erhalten hat, in eine Forst-App investiert. Diese soll Waldbesitzern helfen, beim Spaziergang durch ihre Bestände einen Ort exakt per GPS zu bestimmen und damit einen Auftrag zu verknüpfen, beispielsweise: „Diese fünf Bäume fällen.“ Das kommt vor allem denjenigen Mitgliedern zugute, die nur am Wochenende in die Region kommen. Die App ist gerade in der Erprobungsphase und soll im Laufe des Jahres 2020 marktreif sein.

Florian Riedl ist optimistisch, dass die WBV Schongau den Wald in den kommenden Jahren noch stärker als bisher umbauen kann. Das Ergebnis werden erst die nächsten Generationen in einigen Jahrzehnten sehen. Für viele Förster mache genau dieser Umstand den besonderen Reiz des Berufs aus, erklärt Riedl: Nicht nur an heute und morgen, sondern an übermorgen zu denken. „Unsere Aufgabe ist es, den Wald zukunftsfest aufzustellen. Sind wir erfolgreich, sieht er in 100 Jahren bunter, strukturierter und auch schöner aus.“ Für einen Indian Summer müsse dann niemand mehr nach Kanada fliegen. „Den gibt es dann auch bei uns im Pfaffenwinkel“, sagt Riedl.

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