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Die EU-Kommission möchte die Macht der EU-Finanzaufsichtsbehörden für Banken (EBA), Finanzmärkte (ESMA) und Versicherungen (EIOPA) ausweiten. Im Herbst 2017 hatte sie dazu einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der den drei sogenannten ESAs neue Befugnisse und Kompetenzen zulasten der nationalen Aufsicht zuspricht.

Diese Pläne stoßen nun auf Widerstand im EU-Parlament. Die zuständigen Berichterstatter des EU-Parlaments, der deutsche Christdemokrat Burkhard Balz und die französische Sozialdemokratin Pervenche Berès, kritisieren den Ansatz der Kommission. Sie fordern entscheidende Nachbesserungen bei den zukünftigen Befugnissen der europäischen Aufsichtsbehörden, bei deren Finanzierung und bei ihrer politischen Kontrolle. Damit folgen die Parlamentarier in vielen Punkten den Anregungen des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Der GVB hatte sich mit seiner Kritik an den Kommissionsvorschlägen an Balz gewandt.

Befugnisse der europäischen Aufsichtsbehörden

Die Abgeordneten fordern, dass die Befugnisse über die Kontrolle der europäischen Banken und Finanzdienstleister weitgehend bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben sollen. Lediglich vereinzelt sollen die ESAs neue Kompetenzen erhalten. Die EU-Kommission hatte hingegen vorgeschlagen, dass EBA, ESMA und EIOPA künftig in „strategischen Aufsichtsplänen“ die Arbeitsschwerpunkte beispielsweise der BaFin in Deutschland und anderer nationaler Aufseher definieren sollen. Bezüglich der „Aufsichtspläne“ herrscht unter den beiden Berichterstattern zwar im Detail Uneinigkeit. Sie betonen jedoch, dass die Ziele und Prioritäten der nationalen Kontrolleure von den „strategischen Aufsichtsplänen“ der ESAs unbeschadet bleiben sollen. Außerdem sollten die ESAs nach dem Willen der Kommission ermächtigt werden, Auskunftsersuchen unmittelbar an die Finanzinstitute zu richten. Auch das lehnen die Parlamentarier ab.

Der GVB begrüßt diese Positionierung. Die Vorschläge der Abgeordneten stellen sicher, dass die Unabhängigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden weitgehend gewahrt bleibt. Eine dezentrale Struktur mit starken nationalen Aufsehern hat den Vorteil, dass die Besonderheiten der lokalen Märkte – wie etwa das Drei-Säulen-Modell im deutschen Bankensektor – ausreichend Beachtung finden.

Finanzierung der Aufsichtstätigkeiten

Strittig ist außerdem die Frage, wie die drei europäischen Aufsichtsbehörden künftig finanziert werden. Geht es nach der Kommission, soll der Finanzsektor künftig einen Großteil der Kosten tragen und damit die Budgets der nationalen Aufseher entlasten. Diese kommen – neben der EU – bislang für die Tätigkeit der ESAs auf. Die ESAs erhielten zudem die Möglichkeit, die Gebühren für den Finanzsektor nach eigenem Ermessen zu erheben. Dies lehnen die EU-Abgeordneten ab. Sie wollen grundsätzlich an der dualen Finanzierung aus EU-Haushalt und durch nationale Aufsichtsbehörden festhalten. Nur falls den ESAs direkte Aufsichtsbefugnisse zugesprochen werden, würden Beiträge durch die Institute in Betracht gezogen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die ESAs direkte Aufsichtsbefugnisse erhalten sollen, ist jedoch unter den Parlamentariern umstritten. 

Der grundsätzliche Ansatz der EU-Abgeordneten, am bisherigen Finanzierungsmodell festzuhalten, ist richtig. Die Kontrolle der ESA-Budgets durch die EU-Institutionen, insbesondere durch das EU-Parlament, funktioniert einwandfrei. Diese Kontrolle darf nicht dadurch ausgehebelt werden, dass die ESAs dem Finanzsektor Ausgaben in beliebiger Höhe in Rechnung stellen dürfen. Ein politisch unkontrolliertes Kostenwachstum sowie eine Verselbstständigung der Behörden wären zu befürchten.

Politische Kontrolle

Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Finanzindustrie – darunter auch der GVB – haben in der Vergangenheit kritisiert, dass die ESAs bei der Ausarbeitung von Leitlinien („Level-3-Maßnahmen“) wiederholt über ihr gesetzliches Mandat hinausgegangen sind. In ihrem Gesetzesvorschlag hatte die EU-Kommission daher einen Kontrollmechanismus ins Spiel gebracht: Die Kommission selbst möchte darüber wachen, dass die ESAs ihre Mandatsgrenzen beachten. Dies würde jedoch dazu führen, dass eine Behörde von einer anderen Behörde kontrolliert wird. Ob eine solche Konstruktion eine wirksame Überwachung gewährleisten könnte, ist mehr als fraglich. Die Berichterstatter des Parlaments fordern daher ihrerseits entsprechende Kontrollrechte. Die Vorschläge beinhalten unter anderem ein Fragerecht der Politiker sowie regelmäßig stattfindende Anhörungen mit den Chefs der ESAs. 

Die Kontrolle der ESAs durch gewählte Abgeordnete des EU-Parlaments ist der richtige Ansatz. Als Co-Gesetzgeber können sie am besten einschätzen, ob eine ESA-Leitlinie der Intention der zugrunde liegenden Gesetze entspricht. Schon heute zeigen die Volksvertreter großes Engagement bei der Überwachung der ESAs. Der GVB begrüßt daher die vorgeschlagenen Maßnahmen für eine stärkere Kontrolle durch das Parlament.

Ausblick

Die Nachbesserungen der Berichterstatter werden derzeit im federführenden Parlamentsausschuss für Wirtschaft und Währung diskutiert. Aufgrund der vielen Streitpunkte ist ungewiss, wann eine Einigung über die Reform der ESAs gelingt. Die EU-Finanzminister haben bisher noch keine gemeinsame Position gefunden. Die Mitgliedsstaaten stehen einer Ausweitung der Befugnisse der ESAs äußerst kritisch gegenüber, da viele nationale Aufsichtsbehörden befürchten, Kompetenzen an die europäischen Aufsichtsbehörden abtreten zu müssen. Aufgrund dieser Interessenlage ist eine rasche Einigung noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 unwahrscheinlich. Der GVB wird den weiteren Gesetzgebungsprozess aktiv begleiten.
 

Henning Herter ist wirtschaftspolitischer Referent in der Stabsabteilung des Genossenschaftsverbands Bayern.

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