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Genossenschaften finanzieren sich grundsätzlich über die Geschäftsguthaben ihrer Mitglieder sowie über Kreditaufnahmen bei Banken. Für Genossenschaften besteht jedoch weiterhin und zusätzlich die Möglichkeit, sich durch Darlehen ihrer Mitglieder zu finanzieren beziehungsweise Projekte zu realisieren. Je nach Größe und Umfang des zu realisierenden Projekts kann durch die Hereinnahme von Mitgliederdarlehen ein Projekt voll finanziert oder der Anteil des Eigenkapitals der Genossenschaft erhöht werden, um sich günstigere Konditionen bei der Bank zu sichern.

Gleichzeitig sind Mitgliederdarlehen geeignet, die Identifikation mit der Genossenschaft zu fördern. Mitglieder haben die Möglichkeit, in Projekte zu investieren, an denen sie durch ihre Mitgliedschaft in der Genossenschaft direkt beteiligt sind, deren Realisierung mehr oder weniger vor der Haustür stattfindet und an deren wirtschaftlichem Erfolg sie durch Zinszahlungen der Genossenschaft auch wirtschaftlich profitieren. Die Hereinnahme von Mitgliederdarlehen stellt daher insbesondere für Energiegenossenschaften oftmals das Mittel der Wahl dar, Energieprojekte zu realisieren.

Die Finanzierung von Genossenschaftsinvestitionen durch Mitgliederdarlehen kommt dabei grundsätzlich über zwei Wege in Betracht: Zum einen durch sogenannte Nachtrangdarlehen mit qualifizierter Rangrücktrittsklausel, zum anderen durch Mitgliederdarlehen nach § 21b Genossenschaftsgesetz (GenG):

Nachtrangdarlehen mit qualifizierter Rangrücktrittsklausel

Sogenannte Nachrangdarlehen spielen in der Praxis im Vergleich zu den Mitgliederdarlehen nach § 21b Genossenschaftsgesetz (siehe Punkt II.) eine deutlich größere Rolle, da diese in der Ausgestaltung deutlich flexibler sind. Da die Genossenschaft selbst die Darlehensnehmerin ist, sind zwar die Vorgaben des Verbraucherkreditrechts grundsätzlich nicht einschlägig – eine Anwendbarkeit in Ausnahmefällen (zum Beispiel vorvertragliche Informationspflichten oder Widerrufsrechte) ist einzelfallbezogen zu prüfen – jedoch gilt es auch hier einige juristische Hürden zu nehmen:

1. Erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft vermeiden
Die Hereinnahme von fremden Geldern als Einlage des sogenannten „Publikums“ stellt im Sinne von § 1 Nr. 1 Kreditwesengesetz (KWG) grundsätzlich ein Bankgeschäft dar, für das eine Genossenschaft grundsätzlich die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) benötigt.

Der Tatbestand des sogenannten erlaubnispflichtigen Einlagengeschäfts liegt jedoch nur dann vor, wenn das Darlehen als „rückzahlbar“ entgegengenommen wird. Gelder, die nicht als „unbedingt rückzahlbar“ vereinbart werden, erfüllen den Tatbestand des Einlagengeschäfts indes nicht. Diese Voraussetzung kann dabei erreicht werden, indem ein hinreichender Vorbehalt der Rückzahlbarkeit vereinbart wird, die sogenannte qualifizierte Nachrangklausel. Diese besagt im Ergebnis, dass das Mitgliederdarlehen in der Insolvenz oder der Liquidation der Genossenschaft erst nach sämtlichen anderen Gläubigern befriedigt wird und hinter diese zurücktritt.

Für das Mitglied als Darlehensgeber offenbart sich hierdurch das besondere wirtschaftliche Risiko eines solchen Nachrangdarlehens, da das wirtschaftliche Risiko des Darlehensgebers eben über das gewöhnliche Insolvenzrisiko des Darlehensnehmers hinausgeht, da eine Rückzahlung der nachrangigen Darlehen bei Insolvenz der Genossenschaft erst dann erfolgen darf, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt wurden. Darüber hinaus wird auch der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens und auf die Auszahlung von Zinsen ausgeschlossen, sofern diese Forderungen einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Genossenschaft herbeiführen würden. Dieses erhöhte Risiko für den Darlehensgeber wird in der Regel durch einen entsprechend hohen Darlehenszins kompensiert.

2. Prospekt- und Informationspflichten vermeiden
Nachrangdarlehen können somit zwar eine sich für den Darlehensgeber lohnende Vermögensanlage darstellen, die Genossenschaft als Emittent dieser Anlage hat jedoch ein berechtigtes Interesse daran, diese Vermögensanlage ihren Mitgliedern möglichst niederschwellig anzubieten, ohne in den Anwendungsbereich gesetzlicher Prospekt- und/oder Informationspflichten zu fallen.

Um gesetzliche Prospektpflichten nach dem Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) zu vermeiden, dürfen Nachrangdarlehen ausschließlich Mitgliedern der Genossenschaft angeboten werden, wobei für den „Vertrieb“ der Darlehen auch keine erfolgsabhängige Vergütung gezahlt werden darf. Sofern es alternativ erforderlich sein sollte, Nachrangdarlehen auch Nichtmitgliedern der Genossenschaft anzubieten, dürfen nicht mehr als 20 Nachrangdarlehen angeboten werden oder die Darlehen dürfen entsprechende Wertgrenzen nach dem VermAnlG nicht überschreiten.

Weiterhin schreibt das Vermögensanlagegesetz vor, dass das Mitglied im Darlehensvertrag auf die fehlende Prospektpflicht hinzuweisen ist. Zudem sind vor Vertragsschluss die wesentlichen Informationen über das Nachrangdarlehen zur Verfügung zu stellen, die insbesondere auch die besonderen Risiken der qualifizierten Nachrangklausel beinhalten müssen.

3. AGB-Recht beachten
Ein Nachrangdarlehensvertrag entsprechend den Musterverträgen des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) unterliegt grundsätzlich den Vorgaben des AGB-Rechts gemäß den §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dabei modifiziert insbesondere die Nachrangabrede den bei der Gewährung von Fremdkapital in Form eines Darlehens bestehenden Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers, für welchen als gesetzliche Grundlage die schuldrechtlichen Vorschriften der §§ 488 Abs. 1 Satz 2, 490 BGB gelten. Die Klausel weicht von der für die Rückzahlung eines Darlehens geltenden gesetzlichen Fälligkeits- und Kündigungsregelung deshalb ab, weil sie den Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers insbesondere bei einem Vermögensverfall des Darlehensnehmers einschränkt. Die qualifizierte Nachrangklausel unterliegt damit auch der AGB-rechtlichen Inhalts- und Transparenzkontrolle nach § 307 BGB. Die jeweils verwendete Nachrangklausel sollte daher stets rechtlich geprüft werden. Dabei sollte insbesondere eine Abweichung von den Vertragsmustern des GVB tunlichst vermieden werden beziehungsweise nur in Abstimmung mit dem GVB erfolgen, um unnötige Rechtsrisiken im Hinblick auf die Verwendung unzulässiger Vertragsklauseln zu vermeiden.

Mitgliederdarlehen nach § 21b GenG

Um zu vermeiden, dass Genossenschaften ein nach dem KWG unzulässiges Einlagengeschäft betreiben, wurde der § 21b in das Genossenschaftsgesetz aufgenommen. Hiernach ist es Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften sowie Agrargenossenschaften gesetzlich ausdrücklich gestattet, unter bestimmten Voraussetzungen Darlehen von ihren Mitgliedern aufzunehmen, ohne gegen das KWG zu verstoßen. Dabei müssen jedoch folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  • Die Darlehenssumme ist für Verbraucher auf 25.000 Euro begrenzt, während Unternehmer von dieser Begrenzung ausgenommen sind.
  • Das Darlehen darf nur zum Zweck der Finanzierung oder Modernisierung von Anlagevermögen der Genossenschaft verwendet werden.
  • Der Gesamtbetrag sämtlicher von Genossenschaftsmitgliedern zu dem jeweiligen Zweck gewährten Darlehen darf 2,5 Millionen Euro nicht übersteigen.
  • Der vereinbarte Sollzinssatz darf die im Gesetz festgeschriebenen Wertgrenzen nicht übersteigen.
  • Das Mitglied als Darlehensgeber ist über sein nach § 21b Abs. 4 GenG bestehendes 14-tägiges Widerrufsrecht zu unterrichten.

Vertragsmuster bieten Sicherheit

Der Überblick macht deutlich, dass – bei allem Mehrwert von Mitgliederdarlehen für die Mitglieder sowie die Genossenschaft selbst – stets die juristischen Grenzen beachtet werden müssen und bei der Erstellung entsprechender Vertragsformulare für die Mitglieder einer Genossenschaft mit größtmöglicher Sorgfalt vorzugehen ist.

Sowohl für Nachrangdarlehen als auch für Mitgliederdarlehen nach § 21b GenG hält der GVB umfangreiches Informationsmaterial sowie entsprechende Vertragsmuster vor, die auf Wunsch entsprechend den Bedürfnissen der Mitgliedsgenossenschaft individualisiert werden können. Die Steuer- und Rechtsberatung sowie die Abteilung Aufsichtsrecht des GVB stehen den Mitgliedern gerne und jederzeit für weitere Informationen und Unterstützungsleistungen zur Verfügung (siehe Kasten).


Hansjakob Faust ist Rechtsanwalt beim Genossenschaftsverband Bayern.

Der GVB unterstützt in Steuer- und Rechtsfragen sowie zum Aufsichtsrecht

Der Bereich Steuer und Recht sowie die Abteilung Aufsichtsrecht des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) unterstützen die Mitglieder des Verbands gerne in allen Steuer- und Rechtsfragen sowie zum Aufsichtsrecht. Kontakt GVB-Steuerberatung: steuer(at)gv-bayern.de oder +49 89 2868 3820. Kontakt GVB-Rechtsberatung: recht(at)gv-bayern.de oder +49 89 2868 3730. Kontakt Aufsichtsrecht: bankaufsichtsrecht(at)gv-bayern.de oder +49 89 2868 3861. Alle Dienstleistungen, Ansprechpartner und aktuelle Meldungen der GVB-Steuer- und Rechtsberatung finden Verbandsmitglieder im GVB-Mitgliederportal. Informationen und Meldungen zum Aufsichtsrecht sind im GVB-Mitgliederportal ebenfalls auf einer Themenseite gebündelt.

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