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In Hemau-Pittmannsdorf im Landkreis Regensburg fällt zwischen den Einfamilienhäusern ein Gebäude auf, das die Blicke der Autofahrer von der nahen Bundesstraße auf sich zieht. Sein neu mit Kalkplatten gedecktes Dach leuchtet in der Sonne wie frischer Schnee an einem schönen Wintertag. Im Inneren des Stadels sind Verkaufsautomaten aufgestellt, die mit regionalen Produkten gefüllt sind. Verantwortlich für die Sanierung des denkmalgeschützten Holzgebäudes und das neue Nutzungskonzept ist eine Genossenschaft: die JuraMarktStadel eG. „Wir sind froh, dass wir den Stadel erhalten und eine zukunftsfähige Verwendung finden konnten“, erzählt der Vorstandsvorsitzende Thomas Feuerer.

JuraMarktStadel eG erhält Denkmalschutzmedaille

Für ihre Verdienste zum Erhalt des Stadels in Hemau-Pittmannsdorf hat die JuraMarktStadel eG die Bayerische Denkmalschutzmedaille 2023 erhalten. Die Auszeichnung überreichte Markus Blume, Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, am 25. Juni 2023 in München. Die Denkmalschutzmedaille geht an Personen und Einrichtungen, die sich in besonderer Weise um Denkmalschutz und Denkmalpflege verdient gemacht haben.

Stadel ist 230 Jahre alt

Feuerer ist zudem seit vielen Jahren Kreisheimatpfleger im Landkreis Regensburg. Er erklärt, warum der Stadel erhaltenswert ist: Zum einen ist er sehr alt. Das Gebäude wurde um 1792 gebaut und stammt damit aus der Zeit der Französischen Revolution. Zum anderen ist das Dach mit mehreren Schichten dünner Kalkplatten gedeckt. Das sogenannte Kalkplattendach ist eine Besonderheit, die es weltweit nur im Fränkischen und Oberpfälzer Jura entlang des Altmühltals gibt. Spätestens seit dem 12. Jahrhundert haben die Menschen in der Region die ortstypischen Kalksteine genutzt, um die Dächer von Häusern und Stadeln zu decken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Dächer immer seltener mit Kalkplatten gedeckt. Andere Verfahren sind günstiger und schneller.

„In den vergangenen 70 Jahren hat sich das Erscheinungsbild der Orte im Oberpfälzer Jura, so auch in der Gegend von Hemau, rasant verändert. Abgesehen von der Kirche sind die Baustile der Vergangenheit im Ortsbild kaum noch sichtbar. Im Gemeindegebiet der Stadt Hemau gibt es vielleicht noch 40 Gebäude mit Kalkplattendächern, die Tendenz ist rückläufig. Wir können diese Entwicklung nicht aufhalten, aber einige markante Gebäude als überregional bedeutende Kulturdenkmäler erhalten. Der JuraMarktStadel eignet sich ideal, da er nicht nur einer der ältesten erhaltenen Stadel in der Region ist, sondern auch einer der letzten seiner Art“, erklärt Feuerer.

Für eine umfassende Sanierung fehlte das Geld

2019 und 2020 gaben die zuständigen Behörden Bauarbeiten in Auftrag, um die Statik zu sichern und besonders gefährdete Stellen zu reparieren. Das historische Kalkplattendach musste abgenommen und durch ein Provisorium ersetzt werden. Das Tragwerk aus alten Holzlatten blieb erhalten. Für eine umfassende Sanierung des Dachs fehlte jedoch das Geld.

Ungefähr zur selben Zeit wurde in Hemau erstmals eine Messe organisiert, auf der regionale Erzeuger ihre Waren präsentieren konnten. „Das hat uns anschaulich gezeigt, dass vor Ort eine große Bandbreite an Lebensmitteln produziert wird“, betont Feuerer. In der Folge reifte die Idee, eine dauerhafte Verkaufsfläche für regionale Produkte zu schaffen. Der Stadel bot dafür gute Gegebenheiten. Denn Pittmannsdorf ist zwar nur eine kleine Ortschaft. Aber auf der früheren Bundes- und heutigen Staatsstraße, die durch die Siedlung führt und Regensburg sowie Hemau verbindet, verkehren täglich 10.000 bis 12.000 Autos. Zudem gibt es im Ort eine Bushaltestelle.

Genossenschaftsanteile und Zuschüsse brachten 400.000 Euro

So nahm das Projekt Fahrt auf. Um die Bürger bei dem Projekt einzubinden, entschieden sich die Initiatoren um Thomas Feuerer dafür, eine Genossenschaft zu gründen. „Wir möchten den Menschen vor Ort die Gelegenheit bieten, sich demokratisch und unkompliziert zu beteiligen. Dafür ist die Rechtsform eG genau richtig“, sagt er. Insgesamt zeichneten 114 Mitglieder über 400 Anteile à 250 Euro. Auf diese Weise kamen rund 100.000 Euro zusammen. Weitere 300.000 Euro an Zuschüssen gaben Einrichtungen wie das Amt für ländliche Entwicklung, das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz.

Ein teures Kalkplattendach

Für die Instandsetzung des Stadels sowie die Ausstattung mit Verkaufsautomaten waren die Zuschüsse auch nötig. Besonders teuer war die Neueindeckung des Dachs mit Kalkplatten. Denn die Arbeiten an so einem Dach sind aufwändig, außerdem gibt es nur noch wenige Handwerker mit dem nötigen Know-how. Das treibt die Preise. „Für Privatpersonen ist es finanziell kaum mehr möglich, ein Kalkplattendach zu errichten – es sei denn, Geld spielt keine Rolle“, sagt Feuerer. Alles in allem hat die Genossenschaft für das neue Kalkplattendach auf dem JuraMarktStadel rund 200.000 Euro investiert. „Auch wenn es teuer war, hat es sich aus unserer Sicht definitiv gelohnt, um das Kulturdenkmal zu erhalten“, betont Feuerer. Die Steine wurden per Hand abgebaut und zwischen Juni und Oktober 2022 in traditioneller Handwerkstechnik vor Ort händisch mit Zange und Hammer zugerichtet sowie verlegt.

Verkaufsautomaten bieten Produkte aus der Region

Zwei Jahrhunderte lang wurde der Stadel genutzt, um dort Getreide zu lagern und anschließend zu dreschen. Seit November 2022 stehen im Innenraum neun Verkaufsautomaten, davon acht für Lebensmittel. Vertrieben werden beispielsweise Eier, Honig, Kaffee, Öle, Säfte, Milch oder Joghurt. Der neunte Automat ist mit sonstigen Produkten gefüllt, etwa Taschen, Kissen oder Geschenkkörbe. Diese stammen fast alle aus dem Stadtgebiet vom Hemau, die größte Distanz zu einem der Erzeugerbetriebe beträgt rund 30 Kilometer. Die Automaten sind montags bis sonntags von 6 bis 22 Uhr zugänglich. Bezahlt werden kann mit Karte oder Smartphone. Zudem gibt es die Möglichkeit, eine Kundenkarte zu erwerben und darauf ein Guthaben zu laden. So geht das Bezahlen noch schneller.

Am Samstag ist Markttag

Nach einem guten Start ist die Kaufbereitschaft der Kunden in den Wintermonaten zunächst zurückgegangen. Dazu kamen technische Probleme mit den Automaten, die mittlerweile behoben sind. „Wir sind in einer schlechten Zeit gestartet, Stichwort Inflation. Gleichwohl kommt das Konzept bei den Menschen gut an, wir erhalten sehr positive Resonanz. Das macht uns Mut und wir sind überzeugt, dass wir uns als Anlaufstelle für regionale Lebensmittel und weitere Produkte etablieren können“, betont Feuerer. Um zusätzliche Kunden zu gewinnen, hat die Genossenschaft einen Markttag eingeführt. Jeden Samstagvormittag bieten ein Gemüsebauer sowie ein Bio-Bäcker ihre Produkte im Stadel an. Zudem gibt es die Idee, dass regionale Produzenten regelmäßig vorbeikommen und zeigen, wie sie ihre Waren herstellen.

Gute Erfahrungen mit Rechtsform Genossenschaft gemacht

Die Genossenschaft hofft, mit dem JuraMarktStadel „ein Leuchtturmprojekt“ für die Neunutzung von denkmalgeschützten Gebäuden geschaffen zu haben. Denn die moderne Landwirtschaft habe keine Verwendung mehr für die traditionellen Stadel, erklärt Feuerer. Auch die Umwandlung in Wohnfläche sei häufig nicht praktikabel. „Mit den Verkaufsautomaten haben wir dem Stadel neues Leben eingehaucht“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Zudem verweist er auf die guten Erfahrungen mit der Rechtsform Genossenschaft: „Gemeinsam konnten wir Dinge bewegen, die wir allein nicht geschafft hätten. Ich kann nur empfehlen, solche Projekte genossenschaftlich umzusetzen“, sagt er.

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Thomas Feuerer, Vorstandsvorsitzender der JuraMarktStadel eG, stellt die Genossenschaft vor. Video: Christof Dahlmann und Karl-Peter Lenhard, Genossenschaftsverband Bayern

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