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Ein Traktor von John Deere bearbeitet ein Feld.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ländliche Genossenschaften spielen eine wichtige Rolle für die Lebensmittelproduktion in Bayern. Die genossenschaftliche Durchdringung der Wertschöpfungskette ist sehr hoch.
  • Die ländlichen Genossenschaften investieren in ihre Betriebe, um ihren Mitgliedern und Kunden auch in Zukunft einen zeitgemäßen Mehrwert bieten zu können.
  • Die Winzergemeinschaft Franken eG (GWF) hat 16 Millionen Euro in eine zentrale Kelterstation an ihrem Hauptstandort in Kitzingen-Repperndorf investiert.
  • Die Winzer Sommerach eG treibt den nachhaltigen Weinbau voran.
  • Die Futtertrocknung Altusried eG betreibt ihren Trocknungsofen mit heimischen Holzhackschnitzeln.
  • Die Raiffeisen Waren GmbH Oberbayern Südost vertreibt in ihren Fachmärkten hochwertige, regionale Lebensmittel.
  • Die Bio-regionale Genossenschaft Oberpfalz (BIregO) investierte 6,8 Millionen Euro in ein ökologisches Aufbereitungs- und Lagerzentrum für Bio-Druschfrüchte.

Wie wichtig sind ländliche Genossenschaften für die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion in Bayern? „Sehr wichtig“, sagt Professor Reiner Doluschitz. Der Agrarökonom und Leiter der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Universität Hohenheim macht das exemplarisch an zwei Punkten fest:

  1. Wer einen Landwirt finden will, der in keiner Genossenschaft Mitglied ist, muss sehr lange suchen. „Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass die meisten Landwirte Mitglied mehrerer Genossenschaften sind. Sie bringen ihre Feldfrüchte zur Trocknungsgenossenschaft, beziehen ihre Produktionsmittel vom Raiffeisen-Warenhandel und die Milch ihrer Kühe wird von der Molkereigenossenschaft verarbeitet“, gibt Doluschitz ein Beispiel.
  2. Der genossenschaftliche Anteil an der Wertschöpfungskette vom Acker bis auf den Teller hängt zwar stark von der Produktgruppe ab. „Allgemein ist die genossenschaftliche Durchdringung in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion aber traditionsreich und sehr hoch“, sagt Doluschitz. Bei der Milchverarbeitung und dem Getreidehandel sind genossenschaftliche Unternehmen besonders stark vertreten. Und auch die fränkischen Winzer sind in einem hohen Maße genossenschaftlich organisiert.

Aktiv in unterschiedlichsten Bereichen

Wie vielfältig die ländlichen Genossenschaften in Bayern aufgestellt sind, zeigt sich auch an den unterschiedlichen Sparten, in denen sie aktiv sind. 451 Mitglieder, die im ländlichen Genossenschaftswesen aktiv sind, zählte der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) Ende 2020 in seinen Reihen:

  • 47 Bezugs- und Absatzgenossenschaften (Raiffeisen-Handel und sonstige ländliche Handelsgenossenschaften)
  • 43 Volksbanken und Raiffeisenbanken mit Warengeschäft
  • 8 Molkereigenossenschaften
  • 92 Milchgenossenschaften (Verarbeitung, Lieferung und sonstige)
  • 14 Sennereigenossenschaften
  • 5 Vieh- und Fleischgenossenschaften
  • 7 Zuchtgenossenschaften
  • 23 Obst-, Gemüse und Gartenbaugenossenschaften
  • 6 Winzergenossenschaften (davon 4 mit eigener Kellerei)
  • 24 Trocknungsgenossenschaften
  • 43 Wassergenossenschaften
  • 47 Weidegenossenschaften
  • 16 Forstgenossenschaften
  • 8 Maschinengenossenschaften
  • 68 sonstige ländliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften.

Die Bedeutung der ländlichen Genossenschaften für Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion hat sich über viele Jahrzehnte hinweg entwickelt und bis jetzt erhalten. „In Bayern sind die landwirtschaftlichen Betriebe auch heute noch vergleichsweise kleinteilig strukturiert. Umso wichtiger sind Genossenschaften als Intermediäre zwischen den einzelnen Mitgliedern und den Märkten. Sie bündeln den Einkauf von Produktionsmitteln und den Absatz der landwirtschaftlichen Produkte. Dadurch stärken sie die Marktposition der Mitglieder“, sagt Doluschitz.

Gleichwohl stehen die Genossenschaften genauso wie die Landwirtschaft insgesamt vor Herausforderungen. An erster Stelle nennt Doluschitz den Strukturwandel im ländlichen Raum, der seit Dekaden ungebrochen ist. Viele kleine Höfe geben auf, dafür werden die verbleibenden Betriebe immer größer und professioneller. Dadurch verändern sich nicht nur die gehandelten Mengen, sondern auch die Erwartungen der Mitglieder an ihre Genossenschaft. „Einen Lkw mit Düngemitteln frei Hof zu liefern, das kann jeder private Landhändler auch. In diesem Umfeld müssen sich die Genossenschaften behaupten, zum Beispiel durch die Kombination von Warenaustausch und kompetenten Beratungsleistungen.“

Unterschiedliche Herausforderungen

Viele weitere Herausforderungen der ländlichen Genossenschaften sind eng mit globalen Megatrends verknüpft. Beispielhaft nennt Doluschitz

  • den Klimawandel mit seinen immer häufiger auftretenden Wetterextremen wie Dürren oder Überschwemmungen, so hatte etwa Nordbayern in den vergangenen Jahren mit extremer Trockenheit zu kämpfen;
  • den zunehmenden Kampf um Flächen und Ressourcen, der eine möglichst hohe Ressourceneffizienz bedingt;
  • die fortschreitende Globalisierung sowie als Antwort darauf die Regionalisierung;
  • das enorme Tempo bei der Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft, auch in der Landwirtschaft;
  • der Trend zu nachhaltigen Wirtschaftsformen;
  • Landflucht auf der einen und Verstädterung auf der anderen Seite;
  • die immer älter werdende Bevölkerung;
  • veränderte Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, dazu zählt auch der Trend zu Bio-Lebensmitteln;
  • sowie nicht zuletzt die Corona-Pandemie.

Die ländlichen Genossenschaften sind von diesen Herausforderungen ganz unterschiedlich betroffen, entsprechend unterscheiden sich auch die Antworten der einzelnen Unternehmen. Vereint sind sie jedoch alle in dem Bestreben, die Herausforderungen bestmöglich zu meistern und nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Sie investieren in ihre Betriebe, um ihren Mitgliedern und Kunden auch in Zukunft einen zeitgemäßen Mehrwert bieten zu können.

Die Winzergemeinschaft Franken eG (GWF) zum Beispiel hat an ihrem Hauptstandort in Kitzingen-Repperndorf 16 Millionen Euro in eine zentrale Kelterstation investiert. „Im vergangenen Herbst haben wir die neue Kelterstation auf Herz und Nieren getestet und bereits die Lese von 500 Hektar Anbaufläche dort gekeltert. Der Testbetrieb verlief so erfolgreich, dass wir dieses Jahr dort die gesamte Lese unserer Winzer erfassen und alle elf bisherigen, dezentralen Kelterstationen abschalten“, berichtet Andreas Oehm, Vorstandsvorsitzender der GWF. Insgesamt verarbeitet die GWF die Lese von 1.250 Hektar Weinbergen. Ein Pumpen der Maische ist nicht mehr nötig, weil bei der Verarbeitung die Schwerkraft ausgenutzt wird. „Dieses Verfahren und die kurzen Wege der Trauben in den Keller bringen unseren Weinen einen weiteren Qualitätssprung“, sagt Oehm. Bisher sei die GWF gut durch die Krise gekommen. Steigende Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel und im Onlineshop der GWF hätten die Umsatzausfälle in den Vinotheken weitgehend kompensiert.

Jedes Jahr ein Stückchen nachhaltiger

Die Winzer Sommerach eG hat die Corona-Pandemie dagegen härter erwischt. „Corona hat unsere Vertriebswege komplett durcheinander gewirbelt. Ein Sommeracher Silvaner ist ein Klassiker auf vielen Weinkarten der bundesdeutschen Gastronomie. Die Schließung der Restaurants und auch die Einschränkungen im Weinfacheinzelhandel treffen uns hart. Ebenso fehlen uns in Sommerach die Tagesgäste, die gerne in unserer Vinothek ihre Weinvorräte aufgefüllt haben“, klagt Frank Dietrich, Geschäftsführer der Winzer Sommerach eG. Doch die Genossenschaft hat das Beste aus der Situation gemacht. „Da unsere Kunden im Moment nicht bei uns vorbeikommen können, bieten wir den Weinfreunden attraktive Versandkonditionen.“ So soll der Umsatzausfall zumindest zum Teil kompensiert werden.

Im Weinberg geht die Arbeit trotz Corona weiter. Und da tut sich bei der Winzer Sommerach eG einiges. „Wir haben uns vorgenommen, jedes Jahr ein Stückchen nachhaltiger zu wirtschaften“, sagt Dietrich. Ein großer Meilenstein sei 2019 die Zertifizierung mit dem Siegel „fair’n green“ für nachhaltigen Weinbau gewesen. 2018 hat die Genossenschaft die Behandlung der Weinreben mit dem Totalherbizid Glyphosat verboten. Alle mechanisierbaren Flächen werden ohne jegliche Herbizide bewirtschaftet, Insektizide und mineralischer Stickstoff werden soweit wie möglich vermieden.

„Unsere Genossenschaft bezuschusst vielfältige und blühende Begrünungen, um lebendige Lebensräume in den Weinbergen zu schaffen“, berichtet Dietrich. Um Klima und Umwelt zu schonen, verwendet die Genossenschaft nachhaltig erzeugte Verpackungsmaterialien und leichtere Glasflaschen, um Transportgewicht zu sparen. Davon haben letztendlich alle etwas, findet Dietrich: „Das Engagement unserer kleinstrukturierten Winzerfamilien, die größtenteils Weinbau im Nebenerwerb betreiben, erhält das soziale Leben in unseren Winzerdörfern, bewahrt die Kulturlandschaft durch nachhaltige Nutzung und belässt die Wertschöpfung in der eigenen Region.“

CO2-neutrale Futtertrocknung in Altusried

Nachhaltigkeit ist auch bei der Futtertrocknung Altusried eG ein großes Thema: Die Genossenschaft betreibt ihren Trocknungsofen bereits seit 2001 mit heimischen Holzhackschnitzeln statt mit Erdgas. 1,3 Millionen D-Mark investierte die Genossenschaft damals. „Ich bin von dem Brennstoff nach wie vor überzeugt. Wir produzieren CO2-neutral und die Hackschnitzel kommen in einem Umkreis von 100 Kilometern direkt aus dem Wald“, sagt Geschäftsführer Norbert Schweikart. Auf diese Weise bleibe die Wertschöpfung in der Region. Das nachhaltige Engagement der Futtertrocknung Altusried gefällt auch den Mitgliedern. „Bei uns liefern viele überzeugte Biolandwirte ihr Grünfutter zum Trocknen an. Die tun sich natürlich leichter mit einer Trocknung, die mit nachwachsenden Rohstoffen heizt“, berichtet Schweikart. Auch bei der Bevölkerung kommt das sehr gut an. „Seit wir auf Hackschnitzel umgestellt haben, erfahren wir eine ganz andere Akzeptanz.“

Abgesehen davon seien die Grascobs der Futtertrocknung sehr eiweißreich und bestens dazu geeignet, Soja zu ersetzen. „Jedes Kilogramm hochwertiges Eiweißfuttermittel, das wir regional produzieren, brauchen wir nicht aus Übersee importieren. Das schont die Umwelt und das Klima, denn überall dort, wo heute in Übersee Soja angebaut wird, war früher Regenwald. Das ist ein wahnsinniges Plus für heimische Futtermittel“, sagt Schweikart. Die Zahlen geben ihm recht. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir unseren Umsatz um 50 Prozent auf zuletzt 3,4 Millionen Euro gesteigert“, berichtet der Geschäftsführer.

Regionale Wirtschaftskreisläufe fördern

Heimische Futtermittel? Dafür ist auch Roland Petzke zu haben. Regionale Wirtschaftskreisläufe sind für den Geschäftsführer der Raiffeisen Waren GmbH Oberbayern Südost ein wichtiger Faktor, um sich vom Wettbewerb abzuheben. „Der Landwirt kauft bei uns Saatgut und Düngemittel, um sein Getreide anzubauen. Wir nehmen ihm dann einen Teil seiner Ernte ab, trocknen und reinigen das Getreide und vermarkten es dann weiter an regionale Mühlen. Die stellen daraus Mehl, Müsli oder andere Spezialitäten her. Oder wir packen das Getreide in 25-Kilo-Säcke ab und verkaufen es als regionales Tierfutter für Geflügel und Kleintiere. Mehr Regionalität geht eigentlich nicht“, sagt Petzke.

Geht doch. Im Frühjahr 2020 ließ Petzke im Raiffeisenmarkt in Siegsdorf eine eigene Verkaufsfläche für hochwertige regionale Lebensmittel freiräumen. Dort gibt es seitdem Suppen von Diemer aus Traunstein, „Federvieh und Feines“ aus Langmoos, frisches Obst und Gemüse vom Gemüsebau Steiner aus Kirchweidach oder Nudeln vom Langenspacher Hof aus Grabenstätt, alles fein säuberlich präsentiert in Regalen, die sich vom restlichen Raiffeisenmarkt abheben.

Bei den Kunden kommt das gut an. „In Siegsdorf haben wir unseren Umsatz im Lebensmittelbereich nahezu verdoppelt“, berichtet Petzke. Inzwischen ist auch der Markt in Petting umgebaut, der Markt in Fridolfing soll folgen. Die Hersteller der regionalen Lebensmittel spricht Petzke ganz direkt an, ob sie ihre Waren nicht auch im Raiffeisenmarkt verkaufen wollen. „Häufig werden wir auf Wochenmärkten oder bei Direktvermarktern fündig“, berichtet Petzke. Die Lieferanten schätzen das Angebot sehr. „Für sie ist der Verkauf in unseren Märkten ein zusätzliches Standbein neben ihrem eigenen Hofladen oder den Wochenmärkten. Wir können ihnen eine ganz andere Reichweite und Kundenfrequenz bieten. Allein bei unserem Markt mit Tankstelle in Petting sind es rund 40.000 Kunden pro Jahr. So stützen wir auch die heimische Wirtschaft“, sagt Petzke.

Vom Vertrieb regionaler Lebensmittel profitieren aber nicht nur die Kunden und Produzenten, sondern auch die Raiffeisen Waren GmbH Oberbayern Südost selbst. Petzke verfolgt ein einfaches Kalkül. „Durch den neuen Lebensmittelbereich locken wir neue Kunden an, die in unseren Märkten jetzt auch ihren täglichen Bedarf decken können. Wir hoffen, dass sie dann nicht nur Tomaten kaufen, sondern auch gleich noch Blumenerde oder Heimtiernahrung.“ Das stärke die Raiffeisenmärkte und letztendlich das gesamte Unternehmen, denn im landwirtschaftlichen Warenhandel und auch bei Brennstoffen sind die Preise sehr volatil. „Unsere Raiffeisenmärkte tragen neun Prozent zum Gesamtumsatz bei, aber 30 Prozent zum Ertrag. Indem wir die Märkte stärken, bringen wir Stabilität in das gesamte Unternehmen, denn die Marktumsätze sind planbar“, erklärt Petzke.

Mitglieder als „kritische Freunde“

Eine wesentliche Stärke der ländlichen Genossenschaften sind für Professor Doluschitz von der Universität Hohenheim die langjährige Zugehörigkeit der Mitglieder und die drei genossenschaftlichen Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. „Das sind stabile Leitplanken, damit sich Genossenschaften in einem dynamischen Umfeld erfolgreich weiterentwickeln können“, sagt Doluschitz. Die Mitglieder seien eine wertvolle Ressource, die Genossenschaften für gute Ideen und den Aufbau von Know-how noch stärker nutzen könnten. Mitglieder sollten „kritische Freunde“ der Genossenschaft sein, die Impulse und Feedback geben. Zur Partizipation böten sich zum Beispiel Beiräte an. „Das macht die Mitgliedschaft nochmal attraktiver, erhöht die Transparenz und hilft dabei, dass die Mitglieder notwendige Strategiewechsel akzeptieren oder sogar positiv begleiten“, sagt Doluschitz. Genossenschaften seien wie keine andere Rechtsform mitgliedergetragene Unternehmen. „Das bietet nach wie vor enormes Potenzial“, betont der Professor.

Eine Genossenschaft für Bio-Landwirte

Dieses Potenzial haben auch 64 Bio-Landwirte und Verarbeiter von Bioprodukten aus der Oberpfalz erkannt. Sie gründeten 2016 in Velburg-Lengenfeld die Bio-regionale Genossenschaft Oberpfalz (BIregO). Während die herkömmliche Landwirtschaft entlang der Produktionskette auf eine ausgedehnte Infrastruktur mit kurzen Wegen zugreifen kann, haben Biolandwirte in diesem Bereich häufig noch mit strukturellen Defiziten zu kämpfen. Für die meisten Biobetriebe ist die professionelle Aufbereitung und Lagerung von Druschfrüchten eine große Herausforderung. Nur vereinzelt können sie ihre Erzeugnisse am eigenen Hof aufbereiten und einlagern. Zentrale Dienstleister, die diese Arbeit im Biobereich übernehmen, gibt es deutschlandweit nur sehr wenige.

„Biolandwirte müssen teilweise sehr weit fahren, um ihre Ernte zu vermarkten oder auch nur einzulagern“, sagt Markus Schenk, Vorstandsvorsitzender der BIregO und selbst Biolandwirt. Als der Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz 2014 zur Ökomodellregion ernannt wurde, war das auch der Anstoß für die Biobauern, nach neuen Vermarktungswegen zu suchen. Im Arbeitskreis Druschfrüchte reifte schließlich die Idee, ein ökologisches Aufbereitungs- und Lagerzentrum zu errichten. Bei der Suche nach einer geeigneten Rechtsform stießen die Mitglieder des Arbeitskreises auf die Genossenschaft.

„Wir wollten die gesamte Wertschöpfungskette von der landwirtschaftlichen Urproduktion bis zum fertigen Produkt abbilden. Das geht am besten in einer Genossenschaft, weil Erzeuger und Verarbeiter die gleichen Mitspracherechte haben“, sagt Schenk. Nach der Gründung machte sich die Genossenschaft auf die Suche nach einem geeigneten Standort für ihr ökologisches Aufbereitungs- und Lagerzentrum. Fündig wurde sie in Harenzhofen. Mittlerweile steht das Lagerhaus. „Momentan arbeiten wir im Probebetrieb, bis zur Ernte 2021 werden alle Anlagen bereit sein“, kündigt Schenk an. Insgesamt investierte die Genossenschaft 6,8 Millionen Euro.

Die Genossenschaft sieht sich laut Schenk als Dienstleister, der für Bioerzeuger und Bioverarbeiter ökologisch erzeugte Druschfrüchte wie Getreide und Mais trocknet, reinigt und lagert. Im Biolandbau ist das komplizierter als bei traditionellen Betrieben, da die verschiedenen Bioverbände verschiedene Vorgaben machen. „Wir arbeiten mit Bioland, Demeter, Naturland und Biokreis zusammen, die jeweils eigene Lager erfordern. Dann brauchen wir Zellen für Roggen, Hafer, Dinkel, Weizen, Emmer, Mais, Braugerste und Futterweizen. Dazu noch Lager für Umstellungsware von Betrieben, die gerade auf Bio umstellen. Insgesamt wird unser ökologisches Aufbereitungs- und Lagerzentrum über 52 Einzelzellen mit einer Kapazität zwischen 25 und 100 Tonnen verfügen sowie über vier Außensilos mit je 500 Tonnen Kapazität. Alles in allem kommen wir auf eine Lagerkapazität von 6.800 Tonnen“, zählt Schenk auf.

Erzeuger und Verarbeiter unter einem Dach

Durch leistungsfähige, auf die Bedürfnisse des Biolandbaus ausgerichtete Reinigungs- und Trocknungsanlagen soll für Erzeuger wie Vermarkter eine gleichbleibende Qualität der Druschfrüchte gewährleistet werden. „Alles passiert unter einem Dach, weil sowohl Erzeuger als auch Verarbeiter Mitglied der Genossenschaft sind. So minimieren wir Transportwege und sorgen für Transparenz. Außerdem gewährleisten wir für alle Seiten faire Bedingungen und Preise“, erläutert Schenk.

Das Konzept überzeugt immer mehr Biolandwirte und Verarbeiter. „Wir haben mit 64 Gründungsmitgliedern angefangen, jetzt sind wir bei 180 Mitgliedern und jede Woche werden es mehr“, berichtet Schenk. Auch das für seine Biobiere bekannte Neumarkter Lammsbräu hat Anteile gezeichnet und bei der Genossenschaft Lagerfläche gemietet. Die Biobraugerste kommt von der Erzeugergemeinschaft Neumarkter Lammsbräu, die ebenfalls Mitglied ist. „Für die Landwirte ist das eine echte Erleichterung, denn sie müssen ihre Braugerste nur noch am Lagerhaus anliefern, um alles Weitere wie Aufbereitung, Lagerung und Abrechnung kümmern wir uns“, sagt Schenk.

Farbausleser für mehr Mitgliedernutzen

Je nach Bedarf will die BIregO ihr Dienstleistungsangebot erweitern. Mit modernsten Dinkelentspelzern, sogenannten Farbauslesern oder Abpackmaschinen soll die Qualität der Produkte und die Wertschöpfung für die Mitglieder weiter gesteigert werden. „Mit Farbauslesern kann man zum Beispiel rote und braune Linsen nach Farben trennen. Jede Linse läuft über eine Fotozelle und wird dann mit Druckluft einzeln in den richtigen Behälter geschossen“, erklärt Schenk. Solche Produkte lassen sich dann auch direkt an den Endverbraucher vermarkten. „So schaffen wir Mitgliedernutzen und stärken die regionalen Wirtschaftskreisläufe“, sagt Schenk.

Für Professor Doluschitz zeigt dies, wie ländliche Genossenschaften ihre traditionellen Stärken – regionale Verankerung und Mitgliedernähe – mit innovativen Konzepten verbinden. Sich immer wieder neu zu erfinden, ohne sich von den eigenen Wurzeln zu entfernen, damit seien die Unternehmen meistens gut gefahren, auch in Krisen: „Genossenschaften haben vielfach bewiesen, dass sie auch in schlechten Zeiten ein stabiler Anker der regionalen Wirtschaft sind, die ländlichen Unternehmen sind dafür genauso wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Finanzsektor ein gutes Beispiel.“

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