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Die wichtigsten Aussagen von Herbert Lang

  • Die Sanacorp, eines der führenden Unternehmen im pharmazeutischen Großhandel, bemerkt verstärkt Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln. Die ursächlichen Probleme dafür sind laut Lang die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern sowie das Ringen um konkurrenzlos niedrige Preise der Kassen. Er fordert, dass die Krankenkassen Rabattverträge mit mehreren Herstellern abschließen müssen.
  • Ein weiteres Problem ist, dass die Arzneimittelproduktion nach China und Indien abgewandert ist. Da die Produktionsstätten während der Corona-Pandemie stillstanden, wird sich die Versorgungslage in den kommenden Monaten verschlechtern. Die Sanacorp begrüßt Initiativen der Politik, die Wirkstoffproduktion stärker zurück nach Deutschland und Europa zu holen.
  • Um ihre Mitglieder, rund 7.500 Mitglieder in ganz Deutschland, dennoch so zuverlässig wie möglich mit Arzneimitteln zu beliefern, steht die Warenverfügbarkeit im Zentrum sämtlicher internen Maßnahmen der Sanacorp. Beispielsweise sorgt ein Warenaustauschsystem dafür, dass täglich über 15.000 knappe Arzneimittel zwischen den 17 Niederlassungen des Unternehmens verteilt werden.

Herr Dr. Lang, Apotheker und Ärzte klagen vermehrt über Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es derzeit Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von rund 400 Wirkstoffen. Gleichzeitig betonen Experten, dass ein Lieferengpass kein Versorgungsengpass sei und oftmals Alternativen zur Verfügung stünden. Wie bewerten Sie die Lage?

Herbert Lang: Die mangelnde Verfügbarkeit vieler gängiger und versorgungsrelevanter Arzneimittel ist seit geraumer Zeit das dominierende Thema im Arzneimittelmarkt. Trotz zahlreicher Maßnahmen von Apotheken und Großhandel ist die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung bei bestimmten Wirkstoffen aktuell nicht zufriedenstellend. Dieses Dilemma ist zwischenzeitlich auch überdeutlich in der Politik angekommen – nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie und entsprechende Ausfälle.


Das klingt gut, dann sollte es ja bald passende Maßnahmen gegen den Missstand geben…

Lang: Das wäre in der Tat wünschenswert. Aber außer einigen untauglichen Lösungsvorschlägen wie Liefer- und Bevorratungspflichten für Hersteller, Vorschriften für Mindestmengen in Lagern für den Großhandel, oder sogar angedachten hoheitlichen Eingriffen wie Exportverboten oder Ausfuhrbeschränkungen ist nichts wirklich Handfestes mit dabei. Nachhaltige Lösungen, die uns Leistungserbringer Grund zur Hoffnung geben würden, sind nicht in Sicht.


Welche Produkte sind von den Engpässen besonders betroffen und was bedeutet es für Patienten, wenn sie ihre gewohnten Medikamente nicht mehr einnehmen können?

Lang: Derzeit sind mehrere hundert Wirkstoffe nicht beziehungsweise nur begrenzt verfügbar. Dazu zählen wichtige und stark nachgefragte Präparate wie Candesartan – ein Mittel gegen Bluthochdruck und Herzschwäche – oder das Antidepressivum Venlafaxin. Die beiden Präparate standen im Jahr 2018 an den Positionen 12 beziehungsweise 52 der Top 100 der versorgungsstärksten Wirkstoffe gemäß GKV-Index. Was die Nicht-Lieferbarkeit für die Patienten bedeutet, können wir aus medizinischer Sicht nicht beurteilen. Die Auswirkungen dürften jedoch nicht unerheblich sein – gerade bei exakt eingestellten Patienten oder im Falle eines Mangels an Alternativpräparaten.

„Wir gehen davon aus, dass sich die internationale Versorgungslage in den nächsten Monaten weiter verschlechtert.“

Inwieweit hat die Corona-Pandemie die Situation verschärft?

Lang: Sowohl die Apotheken wie auch der Großhandel wurden in der heißen Phase regelrecht überrannt. Ähnlich wie beim Lebensmittelhandel haben sich die Verbraucher im großen Stil mit Arzneimitteln und Hygieneprodukten bevorratet. Dies führte bei den Apotheken und uns zu einem extrem hohen Arbeitsaufwand. Mittlerweile hat sich die Lage glücklicherweise entspannt. Sorgen bereitet mir jedoch ein Blick in die Zukunft, die Lage ist bedenklich! Denn durch Corona wurde die Produktion von Arzneimitteln und Wirkstoffen, die vor allem in China und Indien stattfindet, kurzfristig unterbrochen. Die genauen Auswirkungen werden wir erst in einigen Wochen oder Monaten spüren. Wir gehen aber davon aus, dass sich die internationale Versorgungslage in den nächsten Monaten weiter verschlechtert.

Sie sprechen es an: Ein Großteil der Arzneimittel wird in China und Indien produziert. Wie abhängig ist Deutschland bei der Versorgung von Medikamenten von den beiden Ländern?

Lang: Die Hersteller von Arzneimitteln und Wirkstoffen haben über die Jahre hinweg – gezwungen durch rigide-Preisdumping-Politik – ihre Vorproduktion oder die komplette Arzneimittelproduktion in Niedriglohnländer verlagern müssen. Zwischenzeitlich ist Indien zum mit Abstand größten Generikaproduzenten der Welt überhaupt herangewachsen, während die Mehrzahl der nötigen Wirkstoffe aus China stammt. Produktionsausfälle und Verunreinigungen in diesen Ländern, aus welchen Gründen auch immer, sind die Hauptursache für die Nichtlieferbarkeit. Wenn, wie durch Corona, zusätzlich die internationalen Lieferketten gestört sind, vergrößern sich die Probleme. Ganz klar ist in diesem Zusammenhang, dass wir kein Bevorratungsproblem, sondern ein Produktions- sowie Verfügbarkeitsproblem haben.

Die Politik hat die Abhängigkeit von China bei der Versorgung mit Arzneimitteln als Problem erkannt. „Sollten wir in diesem Umfang wirtschaftlich und in unseren Lieferketten von einem einzigen Land auf der Welt abhängig sein? Ich denke: nein“, bekundete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in seiner Regierungserklärung zur Bekämpfung des Coronavirus. Wie stehen Sie zu dem Vorhaben, die Arzneimittelproduktion zurück nach Deutschland oder Europa zu holen?

Lang: Pharmahersteller sind genauso wie wir Wirtschaftsunternehmen, die zumindest dauerhaft auskömmliche Erträge erwirtschaften müssen. Eine einheimische Produktion wäre durch die jahrzehntelangen Sparmaßnahmen im deutschen Gesundheitswesen sowie den fortgesetzten Einspardruck der Krankenkassen gar nicht mehr möglich gewesen. Wenn die Politik nun Rahmenbedingungen schafft, damit die Wirkstoffproduktion wieder stärker in Deutschland und Europa stattfindet, begrüßen wir das. Das alleine wird die Lage jedoch nicht verbessern. Heute entscheiden nicht mehr Qualität und Innovation über den Markterfolg eines Präparats, sondern nur noch die Listung als billigstes Produkt in einem Rabattvertrag der Kostenträger. Dieser Missstand muss dringend beseitigt werden!

„Es führt kein Weg daran vorbei: Die Rabattverträge und das Ringen um konkurrenzlos niedrige Preise der Kassen sind das ursächliche Problem aller vorhandenen Lieferschwierigkeiten.“

Sie sprechen die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern an. Das Prinzip: Kassen schließen einen Exklusiv-Vertrag für ein bestimmtes Medikament ab und erhalten dafür Sonderkonditionen. Auf diese Weise sparen die Krankenkassen jährlich Beträge in Milliardenhöhe. Laut Bundesregierung trägt diese Praxis wesentlich dazu bei, dass die gesetzliche Krankenversicherung überhaupt zu finanzieren ist. Wie bewerten Sie die Rabattverträge?

Lang: Es führt kein Weg daran vorbei: Die Rabattverträge und das Ringen um konkurrenzlos niedrige Preise der Kassen sind das ursächliche Problem aller vorhandenen Lieferschwierigkeiten. Wer das, wie die Krankenkassen und manche Politiker, immer noch leugnet, der verkennt die Realität! Versorgungssicherheit und Qualität kostet – auch beim Handel mit Arzneimitteln. Die Kassen verursachen das Problem, Apotheker und Großhändler sollen es dann in der Folge lösen – und am Ende auch noch bezahlen! Hilfreich ist hier sicherlich ein Blick auf die Ertragsentwicklung der Apotheker und Großhändler einerseits und der Krankenkassen andererseits. Die zentrale Forderung der Sanacorp deckt sich dabei mit der der Apothekerschaft: Krankenkassen müssen Rabattverträge grundsätzlich mit mehreren Herstellern abschließen. In der Apotheke muss der Austausch eines verfügbaren Medikaments leichter möglich sein.


Bis Abhilfe kommt, müssen Sie den Mangel wohl oder übel verwalten. Was unternimmt die Sanacorp, um ihre Mitglieder – rund 7.500 Apotheken im ganzen Bundesgebiet – so zuverlässig wie möglich mit Arzneimitteln zu beliefern?

Lang: Die Versorgung der Apotheken und deren Patienten mit den benötigten Arzneimitteln hat bei Sanacorp seit jeher oberste Priorität. Daher steht die Warenverfügbarkeit als zentrales Thema im Fokus sämtlicher internen Maßnahmen. Wichtigste Komponente ist ein ausgeklügeltes Warenaustauschsystem, das mittlerweile über 15.000 knappe Arzneimittel pro Tag zwischen den 17 Niederlassungen der Sanacorp intelligent verteilt. Dadurch stellen wir eine möglichst gleichmäßige Lieferfähigkeit in allen Regionen sicher. Zudem haben wir entsprechend priorisierte Wareneingangsprozesse und eine systemseitig unterstützte Verknüpfung von wirkstoffgleichen Alternativpräparaten beziehungsweise Reimporten eingeführt. Selbstverständlich steht Sanacorp darüber hinaus in täglichem Kontakt mit den Industriepartnern, um möglichst schnell entsprechende Warenzuteilungen für die Apotheken und deren Patienten zu erhalten.

Neben Arzneimitteln ist in der Corona-Krise besonders die Nachfrage nach Schutzmasken und Desinfektionsmitteln extrem gestiegen. Vor allem in den ersten Wochen kam es zu erheblichen Lieferengpässen. Hat sich die Lage inzwischen normalisiert? Und ist Deutschland in dieser Hinsicht für eine mögliche zweite Infektionswelle gerüstet?

Lang: Bei den Desinfektionsmitteln und den Masken hat sich die Situation etwas entspannt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich außerhalb der etablierten Vertriebswege einige Anbieter tummeln, deren Produkte nicht unbedingt die entsprechende Qualität aufweisen. Hier heißt es: Augen auf. Generell denke ich, dass wir für eine mögliche zweite Welle gut vorbereitet sind – wobei immer die Unsicherheit besteht, wie schlimm und wie lange diese ausfallen könnte.


Wie unterstützt die Sanacorp eG ihre Mitglieder in der Corona-Krise?

Lang: Die Corona-Pandemie bestimmt unser aller Zusammenleben sowie die Art und Weise, wie wir arbeiten und wirtschaften. Derartige Ausnahmesituationen erfordern höchste Flexibilität, ausgeprägte Improvisationsfähigkeit und auch den Mut, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel: Wir haben unsere Lager frühzeitig, schon vor der eigentlichen Krise in Deutschland, bis an die Kapazitätsgrenze aufgestockt. Da wir die Ware vorfinanzieren, sind wir das unternehmerische Risiko dafür eingegangen. Während der Hochphase haben wir dann in Sonderschichten Rekordmengen an Lagerware vereinnahmt, enorme Bestellvolumina kommissioniert und zuverlässig in die Apotheken unserer Mitglieder geliefert. Diese Strategie ist aufgegangen. Was uns besonders freut: Die Mitglieder bewerten unsere Lieferfähigkeit im Vergleich zu anderen Anbietern als außerordentlich gut.

„Genossenschaft lohnt sich immer! Denn Teil einer starken Gemeinschaft zu sein ist nicht nur in Krisenzeiten ein besonderer Vorteil.“

Die Apotheken sind nicht nur Kunden, sondern Teilhaber der Sanacorp eG. Inwiefern kommen die Stärken der Rechtsform Genossenschaft in der Krise zum Tragen?

Lang: Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, auf welche Partner man sich verlassen kann. Und da steht für mich fest: Genossenschaften lohnen sich immer! Denn Teil einer starken Gemeinschaft zu sein, die die eigenen Interessen bündelt und ebenso aufrichtig wie wahrnehmbar gegenüber Politik, Kostenträgern und Herstellern vertritt, ist nicht nur in Krisenzeiten ein besonderer Vorteil. Neben umfassenden praxisbewährten Serviceleistungen zur Entlastung im Tagesgeschäft, profitieren Sanacorp-Mitglieder außerdem von attraktiven Dividenden für ihre Unternehmenseinlagen. Durch den in der Satzung verankerten Förderauftrag können unsere Anteilseigner sicher sein, dass wir sie jederzeit verlässlich unterstützen. Aber nicht nur das: In der Hochzeit der Pandemie haben viele Apotheker ihren Kollegen mit Masken und Desinfektionsmitteln ausgeholfen oder die Mittel sogar gemeinsam abgefüllt. Und das ist es, was die Genossenschaft ausmacht: Einer für alle und alle für einen.


Herr Dr. Lang, vielen Dank für das Gespräch!

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