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„Software-Plattformen sind die unsichtbaren Maschinen, die im vergangenen Vierteljahrhundert beinahe alle bedeutenden Industriezweige erschaffen, berührt oder verändert haben. Sie bringen Mobiltelefone, Auto-Navigationsgeräte, Suchmaschinen und Webportale zum Laufen. Sie schaffen enormen Kundennutzen und haben so manchem Unternehmer zu großem Reichtum verholfen. Und sie werden Veränderungen vorantreiben, die alle bisherigen technischen und unternehmerischen Entwicklungen in den Schatten stellen werden. Die transformative Kraft dieser unsichtbaren Maschinen wird eine neue Revolution entfesseln – eine Revolution, die neue und alte Industrien verändern wird.“

Diese Aussage der drei US-Wissenschaftler David Evans, Andrei Hagiu und Richard Schmalensee zeugt von Weitsicht. Sie stammt schließlich aus dem bereits 2006 erschienenen Buch „Unsichtbare Maschinen: Wie Software-Plattformen Innovationen vorantreiben und Industrien verändern“. Die Autoren erahnten schon damals, welche Dynamik diese „unsichtbaren Maschinen“ weltweit entwickeln würden. Dabei waren Plattformunternehmen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple da gerade erst dabei, ihre Marktmacht aufzubauen. Zwölf Jahre später gelten diese Konzerne als beispielgebend für eine neue Form der Ökonomie: die Plattform- oder auch Gafa-Ökonomie. Das Akronym Gafa steht dabei für die Anfangsbuchstaben von Google, Amazon, Facebook und Apple.

Gafa-Unternehmen prägen die Plattformökonomie

Heute beruhen sieben von zehn der wertvollsten Unternehmen der Welt auf Plattformmodellen. Gleiches gilt für den Markenwert: Von den zehn wertvollsten Marken weltweit entfallen sechs auf Plattformunternehmen. Neben den Gafa-Konzernen gehören dazu Microsoft sowie die chinesischen Plattformen Alibaba und Tencent. Nach einer Untersuchung des Center for Global Enterprise wurden bereits im Jahr 2015 rund 6 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts über Plattformen abgewickelt. „In einigen Jahren könnten es schon 30 bis 40 Prozent sein“, sagt Hamidreza Hosseini im Gespräch mit „Profil“. Der Wirtschaftsexperte forschte am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA zur Plattformökonomie. Inzwischen gründet und berät er Unternehmen in diesem Bereich. Dabei ist Europa bei den Plattformumsätzen mit einem Anteil von gerade mal 3 Prozent deutlich im Hintertreffen. Der Löwenanteil entfällt mit 66 Prozent auf die USA, dann folgt Asien mit 30 Prozent.

Statistik: Größte Unternehmen der Welt nach ihrem Marktwert
Statistik: Die zehn wertvollsten Marken nach Markenwert weltweit

Den Erfolg von Google, Facebook, Amazon und Apple vor Augen, setzen immer mehr Unternehmen auf eigene Plattformen. Dazu gehören Online-Videotheken wie Netflix, Bezahldienstleister wie PayPal, Reisevergleichsportale wie Booking oder Expedia, das Taxiportal Uber oder das Modeportal Zalando aus Berlin, um nur einige wenige zu nennen. Sie wenden sich nicht mehr nur an Endverbraucher (B2C), sondern auch an Unternehmen (B2B) oder spezielle Zielgruppen. In Deutschland machte jüngst der Versandhändler Otto mit der Nachricht auf sich aufmerksam, seinen Online-Shop zur Plattform umbauen und für Partner öffnen zu wollen.

Auch für bayerische Genossenschaften sind Plattformen ein Thema. Die Steuerberater-Genossenschaft Datev baut eine Plattform für Steuerbürger, um die Geschäftsbasis ihrer Mitglieder zu erweitern und die Kundenschnittstelle zu verteidigen. Der genossenschaftliche Arzneigroßhändler Sanacorp aus Planegg will rund 1.500 Kooperationsapotheken und ihren Kunden ab dem kommenden Jahr ebenfalls eine digitale Bestell- und Kommunikationsplattform anbieten. Sie soll den direkten Kontakt von Kunden und Apotheken über das Internet ermöglichen. „So werden die Stärken der Vor-Ort-Apotheke, wie die Beratungskompetenz und die schnelle Verfügbarkeit, auch online angeboten“, heißt es bei Sanacorp. Und auch die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken prüfen Plattformmodelle.

Doch wie funktionieren Plattformen? Welche Geschäftsmodelle verfolgen sie? Und was macht sie erfolgreich?

Die Gafa-Plattformen im Überblick

Google

Google wurde am 4. September 1998 von Larry Page und Sergey Brin in Kalifornien gegründet. Noch im selben Jahr ging ihre gleichnamige Internet-Suchmaschine ans Netz. Heute gehören Google beziehungsweise seit 2015 die neu geschaffene Konzernmutter Alphabet zu den dominierenden Internetkonzernen der Welt. Mehr als 75 Prozent aller Suchanfragen weltweit werden sowohl auf stationären wie auch auf mobilen Geräten über Google gestellt. 2017 kam das Unternehmen auf einen Umsatz von 111 Milliarden US-Dollar, das Ergebnis vor Steuern lag bei rund 27 Milliarden US-Dollar. Den größten Teil seiner Einnahmen erzielt Google über seinen Werbedienst AdWords für das Einblenden gesponserter Links auf seiner Suchmaschinen-Seite. Zusätzlich können Webmaster über das AdSense-Partnerprogramm kontextabhängige Werbung auf ihren Seiten einbinden. An den Klicks verdient Google mit. Darüber hinaus bietet das Unternehmen als Plattform für Privatnutzer und Geschäftskunden eine Vielzahl an werbefinanzierten, kostenlosen Dienstleistungen an. Zu den bekanntesten gehören der E-Mail-Dienst Gmail, der Kartendienst Google Maps oder das Office-Paket Google Docs. Mit seinem Betriebssystem Android für mobile Geräte verfügt Google über eine weitere weitreichende Plattform: Unternehmen wie private Entwickler können über den Google Play Store kostenfrei oder gegen Entgelt ihre Apps zur Verfügung stellen. Ein großes Geschäftsfeld, denn der Marktanteil von mobilen Geräten mit Android-Betriebssystem liegt bei über 85 Prozent. Auch das Video-Portal Youtube gehört zu Google. Neu auf dem Markt ist der Bezahldienst Google Pay für mobile Geräte.

Amazon

Der Onlineversandhändler Amazon ging 1994 an den Start. Die deutsche Seite gibt es seit 1998. Anfangs reüssierte das Unternehmen als Händler für Bücher, CDs und Videos, inzwischen bietet der von Jeff Bezos gegründete Plattformkonzern eine breitgefächerte Produktpalette, die durch zahlreiche Onlinedienste ergänzt wird. Über die integrierte Amazon-Verkaufsplattform Marketplace können auch Privatpersonen oder andere Unternehmen neue und gebrauchte Produkte im Internet anbieten. Die Dienstleistungen und Gebühren aus diesem Geschäft machen den Hauptteil des Betriebsergebnisses von Amazon aus. Der Online-Versandhändler kam im Jahr 2017 auf 178 Milliarden US-Dollar Umsatz und erzielte 3 Milliarden US-Dollar Ertrag. Daneben ergänzt Amazon seine Handelsplattform um weitere Dienste wie die Online-Videothek Amazon Prime Video, den Hörbuchanbieter Audible oder die Fimdatenbank IMDb. Darüber hinaus macht der Konzern mit technischen Innovationen auf sich aufmerksam, zum Beispiel mit dem Sprachassistenten Alexa.

Facebook

Facebook wurde 2004 von Mark Zuckerberg als soziales Netzwerk gegründet. Das Unternehmen kam 2017 auf knapp 41 Milliarden US-Dollar Umsatz und erwirtschaftete einen Nettogewinn von knapp 16 Milliarden US-Dollar. Die Anzahl der monatlich aktiven Facebook-Nutzer steigt nach wie vor stetig an und liegt inzwischen bei über 2,2 Milliarden. Facebook finanziert sich vornehmlich über Werbung. Neben klassischen Bannern und Textanzeigen ermöglicht das Unternehmen sogenannte „Sponsored Stories“, die nach dem Vorbild normaler Beiträge in die Informationsleiste der Nutzer eingebunden werden. 2006 öffnete Facebook seine Plattform für Anwendungen von Drittanbietern. Seitdem können Unternehmen Programme schreiben, die über eine digitale Schnittstelle in das soziale Netzwerk eingebunden werden und nach Freigabe durch die Nutzer auf deren Daten zugreifen können. Dazu zählen zum Beispiel Spiele oder Kommunikationsanwendungen, die teilweise kostenpflichtig sind. Zu Facebook gehören auch die Nachrichtendienste Messenger und WhatsApp. Der Konzern geriet in der Vergangenheit mehrfach wegen seiner fragwürdigen Handhabung von Nutzerdaten in die Kritik, zuletzt wegen der Weitergabe von Facebook-Daten an die Analysefirma Cambridge Analytica.

Apple

Das US-Technologieunternehmen Apple mit Sitz im kalifornischen Cupertino produziert Computer, Smartphones und Tablets (iPhone und iPad) sowie Unterhaltungselektronik. Darauf zugeschnitten entwickelt das Unternehmen Betriebssysteme (iOS/macOS) und Anwendungssoftware. Internet-Vertriebsportale für Musik (Apple Music), Filme (Apple TV) und der Streaming-Dienst iTunes ergänzen die Plattform. Ähnlich wie Google bietet auch Apple mit dem App Store eine Plattform für Apps von Fremdanbietern an. Die zahllosen Software-Applikationen, die dort von Unternehmen und Privatpersonen kostenfrei oder gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt werden, steigern wiederum den Wert der Apple-Geräte, auf denen sie laufen. Im Geschäftsjahr 2017 kam das Unternehmen auf einen Umsatz von 229 Milliarden US-Dollar und einen Nettogewinn von 48 Milliarden US-Dollar. Im Gegensatz zu anderen Internetkonzernen verdient Apple sein Geld nach wie vor hauptsächlich mit dem Verkauf der Endgeräte, während die digitalen Plattformen als Vertriebsergänzung für ein ganzheitliches Kundenerlebnis sorgen sollen.

Im Grunde genommen sind Plattformen digitale Marktplätze für Waren und Informationen, die Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Professor Jens Kleine vom Münchner CFin-Institut hat die verschiedenen Plattformmodelle untersucht. Dabei gibt es Vertriebs- und Vermittlerplattformen, die sich auf die Maximierung von Produktabschlüssen spezialisiert haben, sowie Kooperationsplattformen und Kundenökosysteme, die sich auf die Ergänzung des Produktportfolios durch hochwertige Partnerschaften mit dem Ziel der Kundenbindung konzentrieren.

Anfangs transferierten Plattformpioniere wie das Online-Auktionshaus Ebay oder der Online-Händler Amazon noch das klassische Geschäftsmodell ohne größere Anpassungen ins Internet. Doch die Plattformunternehmen der ersten Generation merkten schnell, dass ein reines Online-Kaufhaus nicht alle Marktpotenziale ausschöpft, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Die Portale der zweiten Generation konzentrierten sich deshalb ab den 2000er Jahren auch auf die Vermittlung von Waren und Dienstleistungen. Die Nutzer bieten zum Beispiel über Plattformen wie Airbnb oder BlaBlaCar ihr Gästezimmer oder eine Mitfahrgelegenheit an und fragen diese Leistungen auch selbst nach. Anbieter und Konsumenten verschmelzen zu einem Nutzerkreis. Sie entwickeln sich zu „Prosumern“, eine Wortschöpfung aus den englischen Begriffen „professional“ und „consumer“.

Onlinehändler werden zu digitalen Ökosystemen

Allerdings stießen auch diese Geschäftsmodelle irgendwann an ihre Grenzen. „Die Plattformen der zweiten Generation waren noch monothematisch aufgestellt. Da waren die Wachstumsmöglichkeiten sehr begrenzt“, sagt Hosseini. Deshalb haben sich die meisten Unternehmen, die diese Phase überlebt haben, zu dynamischen Ökosystemen weiterentwickelt. Sie öffneten ihre Plattformen über Programmierschnittstellen – sogenannte Application Programming Interfaces (API) – für Fremdanbieter, die nun ihrerseits über die Plattform Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Bildlich gesprochen öffnet der Betreiber also seinen Marktplatz für viele weitere Standbetreiber, die auf eigene Rechnung, aber nach den Regeln des Marktplatzes ihre Waren und Dienstleistungen anbieten dürfen. Dafür bezahlen sie dem Betreiber eine Standgebühr.

So wurde aus dem einstigen Online-Buchhändler Amazon erst ein Internetkaufhaus und dann ein Plattformdienstleister mit ausgefeilter Logistik für weitere Versandhändler, die über Amazon ihre Ware verkaufen. Das sogenannte Shop-in-Shop-System hat der US-Konzern inzwischen perfektioniert. Parallel dazu erschließt er permanent weitere Geschäftsfelder. Mit Amazon Prime Video und Amazon Music lassen sich Videos und Musik streamen und sogar Fußballspiele live verfolgen. Die selbstentwickelten Multimedia-Geräte Kindle und Fire dienen als Plattformen für eBooks und Hörbücher. Inzwischen wagt sich Amazon mit seiner Tochtergesellschaft Amazon Fresh sogar an den Online-Versandhandel von verderblichen Lebensmitteln: Wer bis mittags bestellt, bekommt die Lieferung pünktlich zum Abendessen, so das Versprechen des Konzerns. In Deutschland wird dieser Service in München, Berlin und Hamburg angeboten.

Geschäft wird zudem nicht mehr nur über Gebühren gemacht, sondern mit den Daten der Nutzer. Bestes Beispiel dafür ist der Amazon-Hinweis „Wird oft zusammen gekauft“ auf ähnliche Angebote, wenn der Nutzer sich ein bestimmtes Produkt ansieht. Deren Verhalten auf der Plattform wird mit künstlicher Intelligenz genau analysiert, um die Informationen daraus später zu monetarisieren. „Der Erfolg von Amazon ist kein Zufall, sondern beruht auf analytischen Untersuchungen und einer ausgefeilten Strategie“, sagt Hosseini.

Vermittlungszentrum mit Banklizenz

Auch im Finanzbereich haben sich bereits einige Plattformen etabliert. Dabei setzen sie laut Julian Grigo, Experte für digital Banking beim Digitalverband Bitkom, auf unterschiedliche Geschäftsmodelle. „Eine Bank, die auf Privatkunden abzielt, ermöglicht Services zahlreicher Partner, die zum Beispiel weitere Finanzprodukte anbieten, rund um ihr Basisprodukt Girokonto. So schafft die Bank schnell ein Ökosystem für ihre Kunden und profitiert gleichzeitig von den Vermittlergebühren ihrer Partner“, erklärt Grigo. Die Bank sei eher ein Vermittlungszentrum mit Banklizenz, in das sich weitere Partner einklinken können. Ein Beispiel für eine solche Plattform ist N26.

Dagegen nimmt die Solarisbank als reines B2B-Portal ausschließlich andere Unternehmen in den Fokus. Ihr Ziel ist es, eine digitale Banking-Plattform zu schaffen, an die sich andere Unternehmen anbinden können, um selbst Anbieter von Finanzdienstleistungen zu werden. Dabei tritt die Solarisbank lediglich als Dienstleister mit Banklizenz auf. Ähnlich wie bei einem Baukasten können sich die Partner die Infrastruktur für eigene Banking-Angebote zusammenstellen, zum Beispiel Bezahllösungen für digitale Marktplätze oder einen automatisierten Prozess für die Vergabe von Konsumenten-Sofortkrediten. Auf diese Weise soll die Plattform zu einem digitalen Ökosystem werden, in dem jedes Unternehmen seine eigenen Banking-Produkte entwickeln kann.

Der Nutzen solcher Kooperationen für beide Seiten wird auch an einem dritten Beispiel deutlich: Die Plattform Weltsparen vermittelt Kunden, die in Festgeld oder Tagesgeld investieren wollen, an eine von 53 Partnerbanken. Davon profitieren sowohl die Kunden, die sich das beste Angebot heraussuchen können, als auch die Banken, die ihren Kundenkreis erweitern. „Das ist ein klassischer Zwei-Seiten-Markt, bei dem die Plattform als Mittler auftritt und für die Banken neue Kunden generiert und zugleich den Kunden neue Services anbietet“, so Grigo.

Multidimensionale Netzwerkeffekte

Bis Plattformen jedoch die kritische Nutzerzahl überschritten haben, brauchen sie Geduld und Durchhaltevermögen. Doch dann treten mehrere Mechanismen in Kraft, die das Prinzip von Angebot und Nachfrage auf eine neue Ebene heben und sich gegenseitig verstärken: Je mehr Kunden eine Plattform nutzen, desto interessanter wird sie für Partnerunternehmen, die dort ebenfalls ihre Dienstleistungen und Produkte anbieten. Das zieht wiederum neue Nutzer auf die Plattform, die für weitere Interaktionen sorgen. „Daraus entwickeln sich multidimensionale Netzwerkeffekte, die wie ein Verstärker für die Plattformen wirken“, sagt Hosseini.

Dabei denken Plattformen extrem kundenzentriert. Sie stellen nicht ein Produkt in den Vordergrund ihres Handelns, sondern Kundenwünsche. Wenn zum Beispiel ein Reiseportal mit Sprachreisen für Studenten Erfolg hat, nimmt die Plattform weitere Universitäten mit Sprachkursen in ihr Programm auf. Das wiederum lockt weitere Studenten auf die Plattform. „So können diese Unternehmen ihre Interaktionen schnell um ein Vielfaches multiplizieren“, sagt Hosseini.

Gewohnte Dienstleistungsketten zerfallen

Das hat weitreichende Folgen für die klassische Ökonomie. Kunden und Umsätze werden dem Markt entzogen und in die Metastruktur der Plattformen überführt. Sie greifen in gewohnte Dienstleistungsketten ein, die etablierte Anbieter eben noch als sicher wähnten. Darüber hinaus erobern sie sich exklusive Zugänge zu den Kunden. Viele klassische Branchen leiden unter diesen Schrumpfeffekten, warnen Experten. Gilt das auch für regionale Unternehmen wie die bayerischen Genossenschaften?

Ja und nein, sagt Bitkom-Experte Grigo mit Blick auf die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Es sei zu erwarten, dass die großen Internetkonzerne verstärkt eigene Dienstleistungen im Zahlungsverkehr anbieten, sei es mit einer eigenen Banklizenz oder in Kooperation mit einer Fremdbank. Zudem sind vier von zehn Bundesbürgern offen dafür, ihre Bankgeschäfte wie Überweisungen über neue Finanzdienstleister wie Paypal und Payback oder über Internetunternehmen wie Apple, Google oder Amazon zu tätigen, wie eine Umfrage von Bitkom Research ergeben hat. „Die Plattformen werden Banking machen, ohne Bank zu sein“, sagt Grigo – auch deshalb, weil sie sich von der Analyse der Zahlungsverkehrsströme ihrer Kunden wertvolle Informationen für die eigene Plattform erhoffen. Aber auch Finanzdienstleistungen für die angeschlossenen Händler stehen im Fokus der Plattformen. So wäre es für die Konzerne zum Beispiel ein Leichtes, den Händlern bei größeren Außenständen maßgeschneiderte Überbrückungskredite zu gewähren, um sie auf der Plattform zu halten.

Diese Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten, andererseits bleiben auch regionalen Unternehmen genug Chancen, dem Treiben der Gafas etwas entgegenzusetzen – zum Beispiel, indem sie die großen Plattformen mit ihren eigenen Waffen schlagen. „Auch Regionalbanken können ihren Service über Banking-Dienstleistungen hinaus erweitern und den Kunden dadurch ein umfassenderes Angebot machen“, so Grigo. Dazu gehöre es, Verbündete zu suchen und mit diesen eigene Plattformen aufzubauen.

„Verbraucher wollen immer öfter unter vielen Anbietern das beste Angebot heraussuchen können. Deshalb führt auch für Regionalbanken kein Weg an Kooperationen und Plattformmodellen vorbei“, so der Bitkom-Experte. Dazu hat der GVB hat die strategische Bedeutung von digitalen Plattformen für die Volksbanken und Raiffeisenbanken in einer Studie untersuchen lassen. Sie empfiehlt den Genossenschaftsbanken den Aufbau von Plattformökosystemen in eigener Regie, damit die Kundenschnittstelle und die Datenhoheit weiterhin bei den Primärbanken verbleibt. Dabei können sie auch im Internet ihre besondere Stärke ausspielen: die regionale Verankerung.

Menschen lechzen nach Regionalität

„In Zeiten der Globalisierung lechzen die Menschen nach Regionalität und sozialer Nähe. Mit diesem Pfund lässt sich auch in der Plattformökonomie wuchern“, sagt Branchenkenner Hosseini. Dennoch könne nicht jede Regionalbank eine eigene Plattform aufbauen, weil die kritische Größe an Verbrauchern fehle. „Sie müssen Allianzen schmieden und Netzwerke etablieren“, so Hosseini. Insbesondere Deutschland und Europa mit seinen heterogenen Kulturen und Sprachräumen seien für regionale Plattformen gut geeignet, weil sie Nischen ausfüllen können. „Wenn ich in China eine Plattform aufbaue, dann habe ich auf einen Schlag 1,4 Milliarden potenzielle Nutzer, die eine Sprache sprechen“, sagt Hosseini. „In Europa geht das nicht. Dort tun sich Internetkonzerne schon schwer, Länder- und Sprachgrenzen zu überwinden.“

Und wohin entwickeln sich die Plattformen? Unternehmensberater Hosseini vermutet, dass die chinesischen Plattformen schon bald ihre US-Vorbilder überholen werden. „Alibaba hat zum Beispiel neun Plattformen, die alle untereinander vernetzt sind. In drei bis fünf Jahren werden sie die Amerikaner vom Thron stoßen“, sagt er. Zudem werde die vierte Plattformgeneration noch stärker auf Programmierschnittstellen setzen und sich für Partner öffnen. Diese können dann genau das Angebot auf der Plattform implementieren, das sie gerade benötigen. Zudem werden die Unternehmen verstärkt auf Datenanalyse durch künstliche Intelligenz setzen, um daraus neue Produkte und Angebote zu entwickeln. Bitkom-Experte Grigo geht davon aus, dass die Plattformen immer effizienter werden und dieser Effizienzgewinn weitere Nutzer auf die Portale locken wird. Grigo: „Dabei stehen wir noch ganz am Anfang dieser Entwicklung. Es bleibt spannend.“

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