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Die Europäische Zentralbank (EZB) zählt zu den größten Verfechtern einer gemeinsamen EU-Einlagensicherung (EDIS). Erst vor wenigen Wochen hat ihr Präsident Mario Draghi vor italienischen Studenten die vermeintlichen Vorteile angepriesen. Ein grenzüberschreitender Sparerschutz, so Draghi, verringere das Risiko einer Bankenkrise und verbessere die Stabilität des europäischen Bankensystems. Doch stimmt das wirklich?

Im April hat die EZB – zusammen mit Wissenschaftlern aus London und Bonn – eine Studie vorgelegt, die Draghis These untermauern soll (Carmassi, Dobkowitz, Evrard, Parisi, Silva und Wedow, 2018: „Completing the Banking Union with a European Deposit Insurance Scheme: who is afraid of cross-subsidisation?“, Occasional Paper Series 208, Europäische Zentralbank 2018). Das Ergebnis: Eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung würde den Einlagenschutz in Europa verbessern, lautet das wenig überraschende Fazit der Autoren.

Vertrauensverlust in die Einlagensicherheit

Zum Beweis simulieren die Autoren, wie standhaft eine gemeinsame EU-Einlagensicherung in einer Bankenkrise wäre. Sie kommen zu dem Schluss, dass die für EDIS vorgesehenen Mittel von rund 38 Milliarden Euro ausreichen würden, um selbst bei einer schweren Bankenkrise alle betroffenen Einleger zu entschädigen. Daraus schließen sie, dass EDIS das Vertrauen der Sparer in die Banken verbessert. Das soll sogenannte „bank runs“ verhindern, bei denen Einleger innerhalb kürzester Zeit ihre Gelder abheben, weil sie das Vertrauen in die Sicherheit ihrer Ersparnisse verlieren. Betroffenen Banken wird dadurch rapide Liquidität entzogen.

Der GVB hat die EZB-Studie kritisch durchleuchtet. Bei sorgfältiger Betrachtung zeigt sich: Die Autoren können bestehende Zweifel an EDIS nicht ausräumen. Warum sollten deutsche Sparer einem europäischen Einlagensicherungssystem mehr Vertrauen schenken als ihrem bestehenden nationalen System, das zuverlässig funktioniert?

Die hiesigen Sparer sind schon heute durch den gesetzlichen Einlagenschutz und die zusätzlichen Institutssicherungssysteme umfassend geschützt. Kunden von Genossenschaftsbanken profitieren beispielsweise seit mehr als 80 Jahren von der genossenschaftlichen Institutssicherung. Dieses hohe Schutzniveau wäre durch EDIS gefährdet, wenn es in einer Finanzkrise zu Ansteckungseffekten kommt. Im Schadensfall müsste EDIS einspringen, um Sparer in Krisenländern zu entschädigen. Deutsche Sparer könnten so verunsichert werden und aus Furcht vor weiteren Entschädigungsfällen ihre Einlagen abziehen. Das würde das gesamte System schwächen und den Zweck von EDIS untergraben. Die Autoren blenden diese Gefahr jedoch gezielt aus: „Ansteckungseffekte werden in der Analyse nicht modelliert“ (Seite 23).

Fehlanreize für risikoreiches Handeln

Die Studie kann zudem die Gefahr von Fehlanreizen nicht glaubwürdig ausschließen. Fachleute sprechen von „moral hazard“. Das bedeutet, dass Banken in einer gemeinsamen Einlagensicherung Anreize haben, risikoreich zu handeln, da die Kosten im Schadensfall andere – sprich: die europäische Bankengemeinschaft – tragen würden. Die Autoren argumentieren, dass diese Gefahr gebannt wird, indem risikoreiche Banken mehr Gelder einzahlen als risikoarme Institute. Die Methode zur Beitragsbemessung folgt jedoch nicht wissenschaftlichen Kriterien, sondern ist einem politischen Prozess unterworfen und somit beeinflussbar. Das zeigt auch die Studie. Je nach Berechnungsmethode schwankt beispielsweise der berechnete Beitrag deutscher Banken zu EDIS um bis zu 20 Prozent. Das heißt, die Bankrisiken wären nicht exakt abgebildet. Risikoreiche Banken könnten zu geringe Beiträge bezahlen. Diese Banken hätten dann den Anreiz, noch höhere Risiken einzugehen.

Kritiker von EDIS warnen zudem vor einem neuen Transfersystem in Europa. Sie sind besorgt, dass Sparer in Ländern mit stabilen Banken für die hohen Risiken anderer Bankensysteme haften müssten. Die EZB-Studie kann diese Sorge nicht ausräumen. Im Gegenteil, sie bestätigt die Haltung der Kritiker sogar in weiten Teilen: Bei schweren Finanzkrisen wären Länder mit risikoreichen Bankensystemen wie Spanien oder Griechenland Netto-Empfänger, das heißt sie erhielten im Schadensfall bis zu 21 Milliarden Euro mehr als sie zuvor eingezahlt haben. Deutschland wäre hingegen mit Beiträgen von rund 12,5 Milliarden Euro ein Netto-Zahler. Problematisch ist das vor allem, wenn Bankenkrisen wiederholt auftreten. Diese Gefahr besteht insbesondere in einigen südeuropäischen Ländern, die unter hohen Staatsschulden, wirtschaftlicher Stagnation und einem hohen Bestand an faulen Krediten leiden. Transfers wären dann keine Ausnahme, sondern die Regel.

Bankenrisiken in Europa abbauen

Die EZB-Studie kann die Kritik an einer EU-Einlagensicherung nicht ausräumen. Die Befürchtungen vieler Kritiker werden vielmehr bestätigt: Eine gemeinsame Einlagensicherung birgt Gefahren für die Stabilität europäischer Banken. „Bank runs“ werden nicht verhindert, sondern verlagert. EDIS begünstigt zudem risikoreiches Verhalten und wäre der Einstieg in eine Transferunion zwischen den Mitgliedsstaaten. Der GVB lehnt eine gemeinsame Einlagensicherung daher entschieden ab. Wir setzen uns stattdessen dafür ein, die zugrunde liegenden Risiken im europäischen Bankensystem mit Nachdruck abzubauen. Dazu hat der GVB ein Sieben-Punkte-Papier verfasst, das konkrete Maßnahmen und Forderungen enthält. Nicht die von Draghi geforderte EU-Einlagensicherung, sondern die Umsetzung dieser sieben Punkte gewährleistet die Stabilität des europäischen Bankensystems.

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) und twittert als @JGros_GVB.

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