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Skilifte Thaler Höhe eG Genossenschaft Missen-Wilhams Wiederhofen Allgäu Schwaben Bayern

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Wenn die Hänge der Thaler Höhe nach einem langen Skitag heruntergefahren sind, dann setzt sich Andreas Schmid bei Anbruch der Dunkelheit in den Pistenbully und präpariert die Abfahrten, bis sie wieder in einem ordentlichen Zustand sind. Mit dem Räumschild ebnet er die Buckel ein, gleichzeitig wird der Schnee gewalzt und gefräst, damit der Untergrund plan und griffig wird. Geduldig steuert Schmid seine Maschine die Pisten hinauf und hinunter. Stundenlang, bis alle vier Kilometer in voller Breite präpariert sind.

Das Skigebiet liegt bei Wiederhofen auf dem Gebiet der Oberallgäuer Gemeinde Missen-Wilhams. 240 Höhenmeter überwindet der große Schlepplift auf 1.250 Metern Länge. Ein zweiter Schlepplift misst 600 Meter. Dazu gibt es noch einen Übungslift für Kinder und Anfänger mit 200 Metern Länge. Bei viel Betrieb am Tag wird es schon mal zwei oder drei Uhr nachts, bis der technische Leiter der Anlagen den Pistenbully wieder in die Garage fahren kann. „Da braucht man Zündhölzer, damit einem bei der Arbeit nicht die Augen zufallen“, sagt Schmid. Dafür hat er am Steuerhorn der Raupe viel Zeit zum Nachdenken – zum Beispiel darüber, wie die Skilifte Thaler Höhe in die Zukunft geführt werden können und warum die Gründung einer Genossenschaft dafür die ideale Lösung sein könnte.

Hans Weißgerber hatte 1967 auf der Thaler Höhe den ersten Lift erbaut, 1969 folgten die beiden anderen Anlagen. Obwohl das Skigebiet bei Einheimischen wie Touristen beliebt ist, blieb der Betrieb mühsam. 2002 drohte schon einmal das Aus. Damals taten sich 28 Gesellschafter zu einer GmbH zusammen und pachteten den Betrieb. Sie wollten, dass der Skilift in ihrer Heimat erhalten bleibt. Aus dem laufenden Geschäft heraus investierten sie über 650.000 Euro. Als erstes wurde 2003 Flutlicht installiert. Seitdem gibt es freitags auf 600 Metern Piste Nachtbetrieb. Seit 2010 können die Pisten künstlich beschneit werden. 2014 folgte schließlich „Happy Schleppi“, der Seillift für die Kleinen.

Die Skifahrer nehmen das Angebot an, doch die komplette Last des operativen Betriebs verteilte sich auf die Schultern von nur drei GmbH-Gesellschaftern: Andreas Schmid, Bernhard Sontheim und Stefan Dressel. Schmid zum Beispiel ist eigentlich Heizungsbauer und vermietet Ferienwohnungen. Im Winter jedoch verbringt er jede freie Minute an den Skiliften oder im Pistenbully. „Als technischer Leiter muss ich vor Ort sein, falls etwas passiert. Irgendwann überstieg der Aufwand unsere Kräfte. So konnte es nicht mehr weitergehen“, sagt er. Als 2017 auch noch der Pachtvertrag auslief und der Anlagenbesitzer wenig Willen zeigte, der GmbH entgegenzukommen, stand der Entschluss eigentlich schon fest: die Skilifte Thaler Höhe werden nach 50 Jahren ihren Betrieb einstellen.

Glückliche Fügung für Missen-Wilhams

Doch es kam anders, und das ist einer glücklichen Fügung zu verdanken: Im Frühjahr 2017 klopfte Aron Holterman ten Hove bei der Gemeinde Missen-Wilhams an. 15 Jahre lang hatte der gebürtige Memminger als Profi-Snowboarder die ganze Welt bereist und sich so sein Sportmanagement- und Wirtschaftsstudium in Innsbruck finanziert. Außerdem sammelte er Erfahrung als Marketing-Stratege. Nun wollte er endlich seinen Traum verwirklichen: Baumchalets über den Wipfeln der Allgäuer Fichten und Tannen sollen den Gästen allen erdenklichen Luxus bieten.

Eineinhalb Jahre lang begab sich der heute 32-Jährige auf die Suche nach einem geeigneten Standort – idealerweise in der Nähe eines Skigebiets, das seinerseits eine Perspektive sucht. „Er hat sich dann relativ schnell in einen schönen Flecken Erde unweit der Skilifte Thaler Höhe verliebt. So kamen wir zusammen“, erzählt Hans-Ulrich von Laer, der Bürgermeister von Missen-Wilhams. Weil sowohl Holtermann ten Hove als künftiger Hotelbetreiber als auch die Gemeinde ein großes Interesse daran haben, die touristische Infrastruktur in der Region intakt zu halten, beauftragte der Gemeinderat den Jungunternehmer, für Missen-Wilhams ein ganzjähriges Tourismuskonzept zu entwickeln.

Allein vom Wintertourismus kann die Gemeinde nicht leben, deshalb braucht sie ein breit gefächertes ganzjähriges Angebot an Ausflugszielen und Attraktionen. Die beiden verbleibenden Skilifte der Gemeinde sollte Holterman ten Hove ausdrücklich in das Konzept einbeziehen. Denn von vier Anlagen haben zwei in den vergangenen zwei Jahren bereits für immer geschlossen, nur die Skilifte Thaler Höhe und die Liftanlagen Oberwilhams gibt es noch.

650.000 Euro wären verloren gewesen

„Wenn die Thaler Höhe auch noch ihren Betrieb eingestellt hätte, wäre das für den Tourismusstandort Missen-Wilhams fatal gewesen“, sagt von Laer. Deshalb war für den Bürgermeister klar: „Wir können den Lift nicht einfach zusperren, nachdem er so lange erfolgreich betrieben worden ist.“ Die Staatsregierung förderte die Arbeit an dem Konzept im Rahmen ihres Wettbewerbs Alpen-Modellregion. Bisher gibt es in Bayern zwei solcher Modellregionen: Der Gemeindeverbund Weitnau/Missen-Wilhams und der Gemeindeverbund Schlierach/Leitzachtal in Oberbayern.

So suchten Holterman ten Hove, der Bürgermeister und die Gesellschafter des Skilifts gemeinsam nach einer Lösung für die Thaler Höhe. „Wir saßen viele Stunden zusammen und haben überlegt, wie wir den Betrieb sichern können“, erzählt von Laer. „Denn die Infrastruktur ist ja schon da. Wenn die Gesellschafter aufgegeben hätten, wären auch die Investitionen von 650.000 Euro verloren gewesen. Das wollten wir unbedingt verhindern.“

Im Sommer 2018 stand die Lösung fest: Eine Genossenschaft sollte den Lift übernehmen und mit dem Kapital ihrer Mitglieder zukunftsfähig machen. Wie sie auf die Rechtsform Genossenschaft gekommen sind, kann der Bürgermeister nicht mehr genau sagen. „Das war eine kollektive Idee, die sich irgendwie eingeschlichen hat und nach reiflicher Überlegung auf breite Zustimmung gestoßen ist.“ Ein Vorbild ist der Leutkircher Bürgerbahnhof im württembergischen Allgäu, der von einer Genossenschaft betrieben wird und überregional Beachtung gefunden hat.

Argumente für die Rechtsform Genossenschaft gab es reichlich: „Der Skilift hat dringend einen strukturierten Neustart gebraucht. Einerseits sollen so die bisherigen Gesellschafter entlastet werden, andererseits müssen sie unbedingt im Boot bleiben, denn ohne ihre Erfahrung und ihr Know-how wäre ein Neubeginn nicht möglich gewesen. Gemeinsam wollen wir nun ein zeitgemäßes Angebot schaffen. Diese Ziele lassen sich mit einer Genossenschaft am besten erreichen“, sagt Holterman ten Hove. Ein weiterer Pluspunkt sei die sorgfältige Prüfung durch den Genossenschaftsverband Bayern (GVB). „Das gibt den Mitgliedern Sicherheit. Schließlich hat die Genossenschaft einen Namen zu verlieren.“

Die Genossenschaft als Dorfgespräch

Bei der Bevölkerung stießen die Pläne sogleich auf positive Resonanz. Mitte November 2018 trafen sich 33 Gründungsmitglieder im Brauereigasthof Schäffler in Missen, um die Bürgergenosssenschaft Thaler Höhe eG ins Leben zu rufen. Holterman ten Hove wurde einstimmig zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Sein Stellvertreter ist Sebastian Graßl von der Brauerei Schäffler, dessen Familie die Lifte in Missen-Wilhams schon immer unterstützt hat. Bürgermeister von Laer wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden bestimmt. Noch am Gründungsabend zeichneten die Mitglieder 87 Anteile zu je 1.000 Euro. Neben der normalen Dividende erhält jedes Mitglied fünf Tageskarten pro Jahr im Wert von 100 Euro, was einer Naturaldividende von 10 Prozent entspricht.

Die Genossenschaft sei gut dafür geeignet, Bürger zusammenzubringen, die etwas bewegen wollen, weil sie sich über die Mitgliedschaft ganz einfach beteiligen können, sagt der Vorsitzende Holterman ten Hove. Auch der Werbeeffekt durch die Vermarktung der Genossenschaft als „Erster Bürgerlift im Herzen des Allgäus“ und „Unser Allgäuer Heimatlift“ sei nicht zu unterschätzen. „Wir sind das Dorfgespräch. Die Medien berichten über uns. Das verbindet“, sagt Holterman ten Hove. Die Bürger seien stolz darauf, Liftbesitzer zu sein, und versammelten sich hinter dem gemeinsamen Ziel, ihren Allgäuer Heimatlift zu erhalten.

Das macht sich auch in Zahlen bemerkbar. „Die Saison 2017/18 war mit rund 30.000 Besuchern die bisher beste in der 50-jährigen Geschichte der Skilifte Thaler Höhe. Dieses Ergebnis werden wir in der laufenden Saison voraussichtlich deutlich übertreffen“, sagt Holterman ten Hove, der das auf die Anziehungskraft der Genossenschaft zurückführt. Neben den Einheimischen zeichnen auch Unternehmen, Skiclubs, die Politik und sogar Wettbewerber Anteile. „Die Skifahrer von Morgen fangen bei uns an, bevor sie in größere Skigebiete wechseln. Das weiß die Konkurrenz. Deshalb unterstützt sie uns. Abgesehen davon finden sie es cool, was wir hier auf die Beine stellen“, erzählt Holterman ten Hove.  Auch Touristen gehören zu den Mitgliedern. Viele machen in Missen-Wilhams Urlaub in dritter Generation und wollen, dass ihre Kinder am selben Lift das Skifahren lernen. Es habe sogar schon Großeltern gegeben, die aus diesem Grund für ihre Enkel Anteile zeichnen.

Mitten im Gespräch wird Holterman ten Hove unterbrochen und ins Liftstüberl gebeten. An der Theke steht Max Klingele aus Bad Waldsee. Er hat den Antrag schon ausgefüllt, die 1.000 Euro bezahlt er gerne. „Hier stand ich das erste Mal auf Skiern. Seitdem komme ich jedes Jahr wieder. Das soll auch so bleiben, weil es hier einfach schön ist“, sagt er, unterschreibt den Antrag und überreicht ihn dem Vorsitzenden.

130 Mitglieder zeichnen über 200 Anteile

Inzwischen hat die Genossenschaft rund 130 Mitglieder, die mehr als 200 Anteile gezeichnet haben. Damit kann sie die Liftanlagen und den Grund rund um die Talstation kaufen. Die Gemeinde wird den Parkplatz erwerben und der Genossenschaft kostenlos zur Verfügung stellen. Die bisherige Betreiber-Gesellschaft wird ebenfalls Flächen kaufen und der Genossenschaft zur Nutzung überlassen. So werden die großen finanziellen Lasten auf mehrere Schultern verteilt.

„Damit haben wir schon viel erreicht. Sobald die Anlagen der Genossenschaft gehören, müssen wir keine Pacht mehr zahlen und können das Geld reinvestieren“, sagt Holterman ten Hove. Das ist auch bitter nötig, denn die Liftanlagen müssen dringend modernisiert werden. Das Liftstüberl in der Talstation gehört ebenfalls renoviert. Außerdem ist geplant, die Flutlichtanlage auszubauen und die Beschneiungsanlage zu erweitern. Dafür wird ein Speicherbecken benötigt, denn bisher wird das Wasser für den Kunstschnee aus dem Bach am Fuß des Skigebiets entnommen. „Wegen des Hitzesommers hat der Bach zu Beginn der Wintersaison kaum Wasser geführt. Das hat uns vor große Probleme gestellt. Dafür brauchen wir eine Lösung“, sagt Bürgermeister von Laer.

Ein Rohdiamant, der feingeschliffen gehört

Das Gesamtkonzept kann jedoch erst dann vollständig umgesetzt werden, wenn die Mitglieder insgesamt 444 Genossenschaftsanteile gezeichnet haben. Dann soll die Thaler Höhe mit einem ganzjährigen Angebot für Touristen wie Einheimische noch attraktiver gemacht werden. Holterman ten Hove hat schon viele Pläne, zum Beispiel einen Sommerspielplatz rund um die Talstation oder Geburtstagsüberraschungen für Kinder. „Ich sehe in diesem Standort ein riesiges Potenzial, wie ein Rohdiamant, der feingeschliffen gehört“, schwärmt er.  

In einem ersten Schritt will der Vorstandsvorsitzende spezielle Lenkschlitten testen, die für die Bergfahrt in den Schlepplift eingehängt werden können. Eine der Pisten soll zu einem Hindernisparcours mit Schneewellen umgestaltet werden. So will Holterman ten Hove den Spaßfaktor beim Skifahren erhöhen. Perspektivisch ist zudem angedacht, den Lift auch im Sommer laufen zu lassen. Dafür gibt es spezielle geländegängige und lifttaugliche Sommerrodel auf Rädern. Der Vorstandsvorsitzende könnte sich auch einen Bikepark für Mountainbiker vorstellen, die sich vom Lift nach oben ziehen lassen, um dann auf eigenen Pfaden den Berg hinunterzubrettern. Ähnliche Angebote gibt es bereits in Oberammergau und in Bischofsmais.

„Unser Ziel ist es, mit überschaubaren Mitteln die Angebotsvielfalt und den Spaßfaktor zu erhöhen. Denn wir können weder mit Pistenkilometern noch mit beheizten 6er-Sesselliften auftrumpfen. Aber wenn es darum geht, Kinder zum Lachen zu bringen, da können wir wettbewerbsfähig sein“, sagt Holterman ten Hove.

Skilifte Thaler Höhe eG Genossenschaft Missen-Wilhams Wiederhofen Allgäu Bayern Pistenbock
Mehr Spaß auf der Piste: Die Skilift-Genossenschaft Thaler Höhe will diese speziellen Schlitten testen, die sich für die Bergfahrt in den Liftbügel einhängen lassen. Fotos (4): Thaler Höhe eG
Skilifte Thaler Höhe eG Genossenschaft Missen-Wilhams Wiederhofen Allgäu Bayern
Die Talstation des großen Schlepplifts: Dieser wurde 1967 errichtet und tut seitdem ununterbrochen Dienst. Im Anbau befindet sich das Liftstüberl.
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Blick auf die Piste: Die Talstation liegt auf 930 Meter Seehöhe, nach 1.250 Metern erreichen die Skifahrer an der Bergstation 1.170 Meter Seehöhe.
Skilifte Thaler Höhe eG Genossenschaft Missen-Wilhams Wiederhofen Allgäu Bayern
Allgäuer Heimatlift: Mit diesem Kind in historischer Skitracht wirbt die Genossenschaft Thaler Höhe für ihre Lifte.
Skilifte Thaler Höhe eG Genossenschaft Missen-Wilhams Wiederhofen Allgäu Bayern Flutlicht
Nachtaktiv: Jeden Freitagabend bietet die Skilift-Genossenschaft Thaler Höhe von 18 bis 21 Uhr Flutlicht-Skifahren an. Foto: Christner

75 Arbeitsplätze gesichert

Bürgermeister von Laer sieht im Erhalt der Skilifte durch die Genossenschaft einen wichtigen Baustein im touristischen Angebot der Gemeinde. Immerhin zählt die Gemeinde 110.000 Übernachtungen pro Jahr, davon ein Drittel im Winter. „Wir leben von der Vielfalt. Vor allem für Familien mit Kindern und Senioren sind die Lifte ein tolle Möglichkeit, den Winter zu genießen.“ Abgesehen davon bewahre die Genossenschaft 75 Arbeitsplätze und biete dem Nachwuchs der Region die Chance, Skisport zu betreiben. An manchen Tagen stünden bis zu zehn Schulbusse auf dem Parkplatz der Genossenschaft. „So erhalten wir ein Stück Allgäuer Freizeitkultur und damit auch ein Stück Heimat für viele Menschen“, so von Laer.

Auch Andreas Schmid ist froh, dass die Skilifte gerettet sind. Aktuell sucht die Genossenschaft einen Betriebswart, der die technische Leitung übernehmen soll. Dann kann Schmid endlich kürzer treten und sich mehr seiner Familie widmen. In den Pistenbully wird er trotzdem regelmäßig klettern, die Pisten präparieren und dabei über die Genossenschaft nachdenken – vorausgesetzt, die Raupe hält durch. Denn die ist 25 Jahre alt und gehört dringend überholt. Aber wenn die Mitglieder weiter so fleißig Anteile zeichen, dann ist das auf jeden Fall im Budget drin.

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