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Herr Streb, Sie beschäftigen sich in der Volksbank Raiffeisenbank Bayern Mitte seit geraumer Zeit intensiv mit dem Kryptowert Bitcoin und der Blockchain-Technologie, die dahinter steckt. Warum?

Andreas Streb: Bitcoin und andere Blockchain-Anwendungen werden inzwischen von großen Teilen der Bevölkerung wahrgenommen und diskutiert. Die Kursentwicklungen in den vergangenen Jahren haben die Wahrnehmung nochmal deutlich verstärkt. Viele Medien berichten teils sehr kontrovers über Kryptowerte und die Blockchain-Technologie. Auch unsere Kundinnen und Kunden kommen natürlich über viele Kanäle mit diesem Thema in Berührung und sprechen auch unsere Beraterinnen und Berater darauf an. Als regionale Bank wollen wir für unsere Kunden in allen Finanzangelegenheiten erster Ansprechpartner sein. Deshalb war unser  Ziel, Know-how aufzubauen und unseren Kunden eine Lösung bieten.

Wie sind Sie vorgegangen?

Streb: Erst einmal ging es darum, ganz grundlegende Fragen zu klären: Wie funktionieren Bitcoin und die dahinterstehende Blockchain-Technologie? Wofür lassen sich Blockchains noch verwenden? Welche regulatorischen Vorgaben sind zu beachten? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Blockchain-Technologien? Dazu haben wir uns Unterstützung durch die Firma Die SW-Factory aus Wolnzach geholt und erst das Führungspersonal und dann alle 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 25 Workshops zu je 30 Personen geschult.  Wichtig war uns hier, bei allen Mitarbeitern ein breites Verständnis für das Thema zu schaffen.


Abseits der Kryptoverwahrung hat sich die Blockchain-Technologie bisher nicht wirklich durchgesetzt…

Streb: Ich glaube, viele verkennen das Potenzial dieser Technologie. Das Internet hat auch einige Jahre gebraucht, bis es seine Innovationskraft mit voller Wucht entfaltet hat. Es kommen immer mehr Blockchain-Anwendungen auf den Markt, parallel dazu steigen die regulatorischen Anforderungen. Deutschland hat zum 1. Januar 2020 das Kryptoverwahrgeschäft als neue Finanzdienstleistung in das Kreditwesengesetz aufgenommen, § 1 Abs. 1a Nr. 6 KWG. Banken, die Kryptoverwahrgeschäft betreiben wollen, brauchen dafür eine Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Dazu noch ein Beispiel für eine Blockchain-Anwendung aus Bayern: Die IHK für München und Oberbayern gibt seit September 2020 digital überprüfbare Abschlusszeugnisse auf Basis der Blockchain-Technologie aus. Früher oder später wird jede Bank und jedes Unternehmen mit solchen Anwendungen in Berührung kommen. Für uns ist das auch ein strategisches Thema, wir wollen auf keinen Fall den Anschluss verpassen.

„Wir wollen unsere Kunden nicht dem Risiko aussetzen, an unseriöse Anbieter zu geraten. Stattdessen wollen wir ihnen mit eigenen Dienstleistungen einen Mehrwert bieten.“

Zu welcher Erkenntnis sind Sie durch die Schulungen gekommen?

Streb: Wir wollen unsere Kunden bei Anlagen in Kryptowerte nicht alleine lassen – auch, um sie auf diesem Feld nicht zu verlieren. Weltweit werden immer neue Unternehmen gegründet, die Finanzdienstleistungen und andere Services rund um Kryptowerte anbieten und sich auch in Deutschland ausbreiten. Wir sehen die Gefahr, dass uns andere Anbieter den Rang ablaufen, wenn wir jetzt nicht reagieren. Wir wollen unsere Kunden auch nicht dem Risiko aussetzen, an unseriöse Anbieter zu geraten. Stattdessen wollen wir ihnen mit eigenen Dienstleistungen einen Mehrwert bieten.

Schadet Bitcoin dem Klima?

Bitcoin und Blockchain sind nicht nur digitale Wertspeicher, sondern auch Gesprächsthema: Um sie ranken sich viele Mythen, zum Beispiel gilt Bitcoin als Energiefresser und Zahlungsmittel von Kriminellen. Was ist da dran? Bitcoin-Experte Joe Martin ist der Sache in dieser Ausgabe auf den Grund gegangen. Lesen Sie hier seinen Beitrag in dieser Ausgabe.

Welche Dienstleistungen rund um Bitcoin & Co. werden Sie Ihren Kundinnen und Kunden anbieten?

Streb: Eins vorweg: Wir beschäftigen uns ausschließlich mit Bitcoin, nicht mit anderen Kryptowerten. Ganz einfach aus dem Grund, dass Bitcoin die einzige wirkliche dezentrale Blockchain-Anwendung ist und aus unserer Sicht nur sie ausreichend Sicherheit vor Manipulation bietet. Alle anderen Kryptowerte sind mit Bitcoin nicht vergleichbar. Vor allem sind sie nicht dezentral aufgebaut, sondern es stehen Unternehmen beziehungsweise Geschäftsmodelle dahinter, die theoretisch oder auch ganz praktisch Einfluss auf den jeweiligen Kryptowert nehmen können. Wichtigstes Thema beim Handel beziehungsweise bei der Aufbewahrung von Bitcoin ist die sichere Verwahrung des sogenannten Private Keys, also des geheimen Schlüssels, der Zugriff auf die Bitcoin erlaubt. Hier haben unsere ersten Überlegungen angesetzt. Welche vertrauenswürdigen Lösungen können wir unseren Kunden anbieten? Bei vielen Krypto-Plattformen hat der Kunde nur bedingt oder gar keinen Zugriff auf den Private Key, weil die Bitcoin im Auftrag des Kunden zentral verwahrt werden. In solchen Fällen wird von Kryptoverwahrung gesprochen, wie sie auch im Kreditwesengesetz genannt wird. Zentral von Plattformen verwahrte Bitcoin sind natürlich ein interessantes Ziel für Hacker. Das konterkariert zudem die dezentrale Speicherung in der Bitcoin-Blockchain. Deshalb haben wir nach Lösungen gesucht, bei denen der Kunde seinen Private Key selbst verwahrt und damit ausschließlich selbst über seine Bitcoin verfügen kann.


Wie schaut Ihre Lösung konkret aus?

Streb: Wir haben uns für ein dreistufiges Angebot entschieden. Zuerst wollen wir unsere Kunden ganz klassisch aufklären und über die Grundlagen von Bitcoin und Blockchain informieren und wie man Bitcoin handeln und verwahren kann. Dazu bilden wir ausgewählte Beraterinnen und Berater zu Bitcoin-Experten weiter, die mit unseren Kundinnen und Kunden dieses Bitcoin-Informationsgespräch führen können. Das Angebot machen wir allen Kunden, die sich mit dem Thema Bitcoin näher beschäftigen wollen. Das Gespräch werden wir auch gesondert berechnen.

Welche Dienstleistungen werden Sie über das Bitcoin-Informationsgespräch hinaus anbieten?

Streb: Wer sich dafür entscheidet, in Bitcoin zu investieren, dem helfen wir bei der Anschaffung der dafür notwendigen digitalen Geldbörse, der sogenannten Wallet. Wir wollen den Kunden dabei unterstützen, dass er seine Bitcoins selber verwahren kann. Dazu bieten wir den Kunden eine sogenannte „Cold Wallet“ an. Entsprechende Produkte werden gerade in unserem Projekt erarbeitet. Des Weiteren arbeiten wir auch an einer Möglichkeit, dass der Kunde über uns Bitcoins erwerben kann. Hier müssen wir noch diverse regulatorische und technische  Fragen klären. Insgesamt sind wir aber auf einem sehr guten Weg und zuversichtlich, im Jahr 2022 ein entsprechendes Angebot machen zu können.


Sie haben die strengen regulatorischen Vorschriften schon angesprochen. Fällt Ihr Angebot unter das Kryptoverwahrgeschäft und damit unter die Erlaubnispflicht der BaFin?

Streb: Nein. Genau das ist der springende Punkt. Weil der Kunde seinen privaten Schlüssel selbst verwaltet, haben wir keinerlei Zugriffsmöglichkeit auf seine Bitcoin, und damit verwahren wir sie auch nicht. Also fallen wir auch nicht unter das Kryptoverwahrgeschäft. Wir konzentrieren uns mit unserem Angebot darauf, unsere Kundinnen und Kunden über die Bitcoin aufzuklären und sie bei der Auswahl und Einrichtung ihrer Bitcoin-Wallet zu unterstützen. Dass wir keine BaFin-Lizenz benötigen, macht vieles einfacher. Kompliziert ist die Einführung eines solchen Angebots trotzdem, allein schon wegen der Geldwäschevorschriften. Vom Genossenschaftsverband Bayern haben wir uns rechtlich und fachlich beraten lassen. Uns war es wichtig, den GVB mit einzubeziehen, weil wir mit unserem Service doch auch Neuland betreten.

„Bitcoin ist in allen Altersklassen ein Thema, und wir wollen für unsere Kunden weiterhin ein attraktiver und moderner Partner in allen Fragen des Vermögensaufbaus sein.“

Wie bewerten Sie die Chancen und Risiken Ihres Angebots?

Streb: Zu den Chancen gehört sicher, dass wir uns über das Bitcoin-Angebot Marktanteile in der Region sichern und auch weiter ausbauen wollen. Ziel ist es, unsere Kunden ganzheitlich zu beraten und nicht zu anderen Anbietern zu schicken. Sie sollen uns nach wie vor als kompetenten Partner auch bei diesem Thema einschätzen. Zudem  hoffen wir, den einen oder anderen Neukunden zu gewinnen. Bitcoin ist in allen Altersklassen ein Thema, und wir wollen für unsere Kunden weiterhin ein attraktiver und moderner Partner in allen Fragen des Vermögensaufbaus sein. Zu den Risiken zählen sicherlich Reputationsschäden. Ein weiteres Risiko sind die regulatorischen Anforderungen und die Dynamik der Regulatorik. Gegebenenfalls müssen wir unsere Dienstleistung neu justieren, wenn der Gesetzgeber neue Regeln beschließt.


Der Bitcoin ist eine volatile Anlage. Alleine in den letzten zwölf Monaten schwankte der Wert zwischen 15.000 und fast 60.000 Euro pro Bitcoin. Wie gehen Sie im Kundengespräch damit um?

Streb: Das stimmt, die Volatilität von Bitcoin ist hoch. Deshalb muss natürlich jeder Kunde im Rahmen seiner persönlichen Risikobereitschaft und im Rahmen seiner Möglichkeiten handeln. Aber um das hier noch einmal klarzustellen: Wir beraten den Kunden nicht in Bitcoin-Anlagen. Diese Entscheidung muss er selbst treffen. Wir bieten ihm unser Bitcoin-Informationsgespräch an und unterstützen ihn bei der Wahl seiner Wallet. Aber natürlich ist es nicht sinnvoll, wesentliche Anteile eines Vermögens in diese sehr volatile Wertanlage zu investieren. Im Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre war allerdings zu beobachten, dass der Bitcoin-Kurs nach oben geht. Deshalb kann es für langfristige Sparer interessant sein, einen kleinen Teil des Vermögens in Bitcoin zu investieren. Zielführend ist es auch, diesen Anteil über regelmäßige Anlagebeträge aufzubauen. Die Strategie ist vergleichbar mit einer Investition zum Beispiel in Fondssparpläne. Mit einem langfristigen Investitionshorizont und als kleine Vermögensbeimischung kann Bitcoin bei entsprechender Risikoneigung ein interessantes Investment sein. Unsere Kundinnen und Kunden fragen das bereits nach.


Herr Streb, herzlichen Dank für das Interview!

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