Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

    Anzeige

Anzeige

Urteil des BGH vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20

„Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.

(…)

Die Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle.“

Dazu meine ich: „Preise und Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken können im Wege der Widerspruchlösung geändert werden. Das war die herrschende Meinung in der juristischen Literatur (1), der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (2) und die Ansicht des Gesetzgebers (3). Bei der Widerspruchslösung wird der Kunde über die Anpassung informiert. Innerhalb einer Frist von zwei Monaten kann er widersprechen oder kostenfrei kündigen. Wenn kein Widerspruch erfolgt, tritt die Anpassung nach zwei Monaten in Kraft. Über die Rechtslage und die Rechtsfolgen des Schweigens wird der Kunde ausdrücklich informiert.

Fußnoten

  1. Zum Beispiel Bunte/Zahrte, AGB-Banken, 5. Auflage, 2019, Nr. 1, Rn. 36 m.w.N.
  2. Vorinstanzen zu BGH: LG Köln, 12. Juni 2018, 21 O 351/17; OLG Köln, 19. Dezember 2019, 12 U 87/18
  3. Regierungsentwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge vom 24. Februar 2021, Seite 13

Dazu meine ich: „Der BGH vertritt mit seiner Entscheidung vom 27. April 2021 (XI ZR 26/20) die Auffassung, dass diese Regelung einer AGB-Prüfung nach §§ 305 ff BGB nicht standhält. Demnach erfordert jede wesentliche Vertragsänderung die individuelle Zustimmung des Kunden. Rechtssichere Kriterien für „wesentlich“ liegen aber nicht vor. Um rechtssichere Vertrags- und Preisstrukturen sicherzustellen, sind die Unternehmen nun gezwungen, bei jedweder Änderung die individuelle Zustimmung der Kunden einzuholen.

Eine gesetzliche Klarstellung ist notwendig. Ziel einer gesetzgeberischen Initiative ist klarzustellen, dass die Änderung von AGB einschließlich Preisen im Rahmen der Widerspruchslösung zulässig ist. Durch Einführung eines § 675g Abs. 5 BGB NEU könnte eine spezialgesetzliche Regelung geschaffen werden. Die Formulierung könnte wie folgt lauten:  

„Abs. 1 und Abs. 2 stellen das gesetzliche Leitbild für den Änderungsmechanismus von allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen von Banken und Versicherungen sowie für die Art und Weise der Änderungen von Hauptleistungsentgelten dar.“

§ 675 Abs. 5 BGB NEU stellt klar, was nach Auffassung der bisher herrschenden Meinung in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung Rechtslage war. Durch Widerspruchs- und Kündigungsrecht sind Verbraucherinteressen bei der Widerspruchslösung gewahrt. Eine ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers in jedem Einzelfall bietet diesem kein „Mehr“ an Schutz, sondern bedeutet auch für ihn nur zusätzlichen Aufwand. Zudem besteht keine Gefahr, dass dem Verbraucher auf dem Wege der Widerspruchslösung für ihn nachteilige Klauseln „untergeschoben“ werden, da auch durch eine „Zustimmungsfiktion“ eingeführte Regelungen einer AGB-Prüfung nach §§ 305 ff. BGB unterliegen. 

Die vom BGH geforderte aktive Zustimmung aller Kunden führt zu deutlichem administrativen Mehraufwand bei Banken. Die Erfordernisse gleichartiger Verträge im Massengeschäft führen gegebenenfalls zu Kündigungen im Falle des Ausbleibens der Zustimmung. Darüber hinaus werden Verbraucher ohnehin regelmäßig über laufende Entgelte informiert, zum Beispiel in der Entgeltaufstellung bei Girokonten oder der Kosteninformationen bei Depotentgelten, und können agieren, indem sie beispielsweise kündigen. Im Falle der Kündigung ist bei Girokonten zudem gesetzlich gewährleistet, dass eine Umstellung der Kontoverbindung auf ein anderes Kreditinstitut durch die Bank sichergestellt ist.

Eine baldige gesetzliche Klarstellung ist erstrebenswert. Sie schafft wieder Rechtssicherheit im Verhältnis zwischen Verbrauchern und Banken, ohne beide Seiten mit unnötiger Bürokratie zu belasten.“
 

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

Artikel lesen
Positionen