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Die Bürgerbewegung Finanzwende zu den Zielen der Kampagne:

„Grundsätzlich ist unsere Forderung (Anmerkung: die Dispozinsen zu senken) absolut umsetzbar. Dies haben einige Banken und Sparkassen unter Beweis gestellt. Sie haben aufgrund der Corona-Krise zumindest für Bestandskunden die Dispozinsen zwischenzeitlich deutlich gesenkt. Leider offenbarte sich dieses Agieren bei den meisten Banken jedoch als Marketingmaßnahme, da die Zinssätze schon wieder auf Vorkrisenniveau sind – als sei die Krise vorbei. Gleichzeitig machen einige Banken, darunter auch Regionalinstitute, bereits seit Jahren vor, dass sie auch mit Dispozinssätzen von deutlich unter zehn Prozent wirtschaften können.

Dazu meine ich: „Dispokredite, beziehungsweise deren Kosten, gelten vielen als Ärgernis. ,Zu teuer!‘, lautet ein häufiger Vorwurf an die Banken, die sich angeblich an der Flaute im Geldbeutel ihrer Kunden bereichern. Auch die Bürgerbewegung Finanzwende bedient diesen Vorwurf. Allerdings empfiehlt sich insbesondere bei einer derart emotional aufgeladenen Diskussion ein ungetrübter Blick in die Zahlen: Im Durchschnitt der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken belief sich der Dispo-Sollzins für Privatkunden im Jahr 2015 auf 9,07 Prozent. Seither ist er stetig zurückgegangen und lag zum Jahresende 2019 bei 8,07 Prozent – Tendenz weiter fallend. Damit liegen die Dispo-Zinssätze der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken deutlich unter dem von der Finanzwende monierten bundesweiten Bankendurchschnitt von 9,79 Prozent.

In vielen Fällen haben Kunden ohnehin Sonderregeln mit ihrer Bank vereinbart, die ein Überziehen des Kontos unter bestimmten Bedingungen zu deutlich günstigeren Konditionen einräumen. Zudem haben die Banken in der Corona-Krise mit vielen Kunden individuelle Stundungen vereinbart. Auch das hat zur Entlastung beigetragen. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken haben damit bewiesen, dass die finanzielle Hilfe für ihre Kunden keine ,Marketingmaßnahme‘ ist. Vielmehr ist sie eine Folge ihres Selbstverständnisses als Hausbank und Finanzpartner.“

Die Bürgerbewegung Finanzwende zu den Auswirkungen der EZB-Niedrigzinspolitik:

„Immer wieder beschweren sich Banken über die Negativzinsen der Europäischen Zentralbank und fordern Entlastungen. Eine Folge der niedrigen Zinsen ist, dass viele Menschen keine Zinsen mehr auf ihr Guthaben bekommen und sich Banken untereinander sogar zu Minuszinsen Geld leihen. Bei den Dispozinsen, welche die Kunden zahlen müssen, ist diese Entwicklung oftmals aber nicht wirklich angekommen. Und das genau bei dem Teil der Kundschaft, der eh sehr knapp bei Kasse ist und aufgrund der Corona-Krise den Gürtel oft nochmal enger schnallen muss.“

Dazu meine ich: „An diesem Punkt werden zwei Dinge vermischt, bei denen es wichtig ist, zu trennen. Zum einen ist da die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die Niedrig- und Nullzinsen sorgen zwar für günstige Finanzierungskonditionen. Gleichzeitig sorgen sie aber auch dafür, dass Banken für ihre Einlagen bei der Zentralbank keinen Zins mehr erhalten, in Teilen für die Verwahrung sogar zahlen müssen. Vor dieser Entwicklung haben die Banken ihre Kunden viele Jahre lang geschützt und ihnen, trotz der Zinsflaute bei der Zentralbank, attraktive Verzinsungen für ihre Einlagen geboten. Da sich an der EZB-Politik in absehbarer Zukunft jedoch nur wenig zu ändern scheint, stehen die Institute vermehrt vor der Frage, wie Verzinsungen auf Sparguthaben zu finanzieren sind.

An diesem Punkt jedoch anzusetzen und zu argumentieren, dass sich Banken zugunsten der finanziell Schwachen über Dispozinsen bereichern, ist schlichtweg falsch. Aus Kundensicht sollen Dispokredite schnell und unkompliziert verfügbar sein. Aus Sicht der Banken sind Überziehungen damit schwer planbar und unterliegen einer gewissen Unsicherheit. Dadurch sind sie kostenintensiv. Außerdem ziehen die Kredite häufig zusätzliche regulatorische Überwachungspflichten nach sich. Diese sind ebenfalls mit erheblichem Aufwand – und damit Kosten – verbunden. Um diese Kosten zugunsten einer schnellen Liquiditätsversorgung decken zu können, berechnen Banken den Aufwand in Form von Zinsaufschlägen.

Einen nennenswerten Ertrag erwirtschaften die Banken mit den Überziehungen aber nicht. Das verdeutlichen die Zahlen: Privatkunden der bayerischen Kreditgenossenschaften zahlten im Jahr 2019 rund 58 Millionen Euro an Dispozinsen an ihre Bank. Bei einem Gesamtzinsertrag in Höhe von fast drei Milliarden Euro entspricht das einem Anteil von gerade einmal zwei Prozent.“

Die Bürgerbewegung Finanzwende zur Belastung von verschuldeten Verbrauchern:

 „Wenn die Kapitalanforderungen an Banken gelockert werden, dann hilft das den Banken. Es ist an der Zeit, dass Banken und Sparkassen im Gegenzug verschuldete Verbraucher*innen nicht über Gebühr belasten. Es ist an der Zeit, dass die Banken für faire Kreditzinsen sorgen, damit Menschen nicht (tiefer) in die Überschuldung geraten. Der Dispozins muss runter! Zehn Prozent sind zu viel. Die Banken sind gefordert, ihren Teil zur Lösung der Krise beizutragen.“

Dazu meine ich: „Der Dispokredit ist lediglich als Instrument gedacht, um den kurzfristigen Liquiditätsengpass zu bewältigen. Er ist aber keinesfalls ein Kreditmodell, das zur Regel werden sollte. Kunden, die mehr als eine kurze finanzielle Überbrückung benötigen, finden bei ihrer Volksbank und Raiffeisenbank günstige und attraktive Kreditalternativen. In vielen Fällen bieten die Banken den Kunden ohnehin eine Beratung und alternative Finanzierungen an, wenn der Disporahmen häufiger überzogen wird.

Zudem haben Kunden heutzutage einen transparenten Markt für Bankdienstleistungen. Vergleichsportale listen detailliert die Konditionen von Girokonten, inklusive Dispozinssätzen, auf. Ähnliche Angebote gibt es für langfristige Finanzierungsmodelle. Und auch der Kontowechsel ist heute einfach. Der Gesetzgeber verpflichtet Banken zu einem problemlosen Umzug von Daueraufträgen, Lastschriftverfahren und dergleichen per Mausklick. Dass dieser Wechselservice gut funktioniert, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erst jüngst bestätigt. Ein Dispo-Deckel, wie von Finanzwende gefordert, ist daher nicht nötig.“


Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

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