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Prognoseentscheidung: Jedes Jahr ein heißes Eisen

Der Jahreszeit zum Trotz geht es in vielen Personalabteilungen im spätherbstlichen November heiß her. Zu jedem Jahreswechsel ändert sich die Versicherungspflichtgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Jahresgehälter, die dicht über oder knapp unter dieser Grenze liegen, rücken dann in den Fokus der Personaler. Auf ihnen lastet in dieser Zeit besonders hohe Verantwortung. Ihre Prognoseentscheidung zum sogenannten regelmäßigen Jahresgehalt im Folgejahr legitimiert Mitarbeiter, in die Private Krankenversicherung (PKV) zu wechseln, oder hat im umgekehrten Fall die Pflicht zum Eintritt in eine gesetzliche Krankenkasse zur Folge. Fehleinschätzungen ziehen aufwendige und nicht selten teure Rückabwicklungen für alle Beteiligten nach sich.

Unternehmen leisten heutzutage eine Vielzahl an Zuwendungen, die zusätzlich auf der Gehaltsabrechnung stehen. Haben sie maßgeblichen Einfluss auf die Prognoseentscheidung? Wie wirkt sich ein anstehender Mutterschutz oder der Gehaltsverzicht zugunsten eines Jobrad-Vertrags aus? Was ist, wenn Mitarbeiter Entgeltanteile zugunsten der betrieblichen Altersversorgung umwandeln möchten? Fragen, bei deren Antwort Entscheidungen der Sozialgerichte und Richtlinien des GKV-Spitzenverbands im Blickfeld stehen müssen.

Unterstützung für genossenschaftliche Arbeitgeber

Die R+V Betriebskrankenkasse (R+V BKK) unterstützt genossenschaftliche Arbeitgeber dabei, Fragen rund um die Sozialversicherungspflicht von Arbeitnehmern korrekt zu beurteilen, zum Beispiel zu den Themen Jahresarbeitsentgeltgrenze oder Meldewesen, aber auch bei Fragen im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung. In ihrem Arbeitgeber-Newsletter (Anmeldung hier) berichtet die R+V BKK über aktuelle Themen aus der Sozialversicherung, die auch für Personalverantwortliche in genossenschaftlichen Unternehmen relevant sind. Ansprechpartner für fachliche Fragen sind Heiko Lottermann (heiko.lottermann(at)ruv-bkk.de, 0611 / 99909-428) und Heike Klipper (heike.klipper(at)ruv-bkk.de,  0611 / 99909-129). Weitere Informationen gibt es auch auf der Webseite der R+V BKK.

„Prognoseentscheidungen sind scharfe Kost für Personaler. Sie sind mit einer ungeheuren Vielfalt an Details gewürzt und wahrlich nicht immer leicht bekömmlich“, sagt Heiko Lottermann, Krankenkassenbetriebswirt bei der R+V Betriebskrankenkasse (BKK) und Experte in versicherungs- und beitragsrechtlichen Fragen. Ein Dauerbrenner seien leistungsorientierte Vergütungen. So habe ein Personalbüro gefragt, ob die individuelle leistungsbezogene Vergütung eines Mitarbeiters bei der Schätzung berücksichtigt werden muss. Bei dem betroffenen Mitarbeiter hänge die Höhe der Vergütung vom vereinbarten Ziel ab, sei aber nicht Bestandteil des Arbeitsvertrags. „Diese Zahlung steht also in direkter Abhängigkeit zur Zielerreichung. Den Grad der Zielerreichung aber, der steht für den Personaler ja noch in den Sternen. Deshalb darf dieser variable Entgeltbestandteil bei der Schätzung nicht berücksichtigt werden“, erklärt Lottermann.

Die Personaler müssten aber aufpassen, denn die Tücke liege bei variablen Vergütungen immer im Detail, in solchen Fällen also in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber. „Es kann beim selben Arbeitgeber Mitarbeiter geben, bei denen variable Entgeltbestandteile im Arbeitsvertrag festgeschrieben sind. Solche variablen Entgeltbestandteile müssen bei der Prognose berücksichtigt werden, wenn sie vertraglich vereinbart und regelmäßig, somit fester Bestandteil des monatlichen Arbeitsentgeltes sind“, sagt Lottermann. Bei schwankender Höhe des variablen Entgelts müsse das Personalbüro in solchen Fällen die Höhe pflichtgemäß schätzen. „Individueller Faktencheck ist also unbedingt nötig“, sagt der Versicherungsexperte und verweist auf die hohe Verantwortung bei Prognoseentscheidungen.

Werkstudentenprivileg: Wann darf es angewendet werden?

Ein weiteres komplexes Thema, das viele Personaler umtreibt, ist die versicherungsrechtliche Beurteilung von beschäftigten Studenten. Das sogenannte Werkstudentenprivileg gewährt Studenten Zugang zur günstigeren studentischen Kranken- und Pflegeversicherung. Der Beitrag, den der Student ohne Arbeitgeberbeteiligung zahlt, ist vom Gesetzgeber vorgegeben und richtet sich nicht nach der Höhe des Entgelts. Zusätzlich fallen nur Beiträge zur Rentenversicherung an, die sich Arbeitgeber und Student teilen. Grundsätzlich dürfen Studenten bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten, damit sie ihren Status als Werkstudent bewahren.

Doch was ist, wenn sie mehr arbeiten wollen? „Diese Frage schlägt im Service ArbeitgeberPLUS der R+V BKK immer wieder auf“, berichtet Lottermann. Prinzipiell dürfe die Beschränkung auf 20 Wochenarbeitsstunden nur in den Semesterferien und maximal für 26 Wochen im Jahr überschritten werden, erklärt der Experte die Praxis. „Oft beschreiben uns Arbeitgeber, wie sie bisher bei einem Studentenvertrag vorgegangen sind und möchten nun wissen, ob sie auch die künftige Beschäftigung so beurteilen sollen. Uns fällt dabei immer wieder auf, dass das Werkstudentenprivileg bisher schon falsch beurteilt wurde“, berichtet Lottermann.

Eine Konstellation, die häufig falsch eingeschätzt werde, erklärt Lottermann an einem konkreten Beispiel: Ein Student, eingeschrieben an einer Hochschule, arbeitete neben seinem Studium in einer Bank. Im Februar 2021 erhielt er sein Prüfungszeugnis. Dem Personalbüro lag eine Wintersemesterbescheinigung bis 31. März 2021 vor und so lange hatte der Arbeitgeber das Werkstudentenprivileg auch angewandt. Die Begründung des Personalbüros: Der Student ist ja noch eingeschrieben, habe aber keine Vorlesungen mehr. Also könne er ja mehr als 20 Stunden in der Woche arbeiten. „Das ist falsch. Mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter per Post über das Prüfungsergebnis unterrichtet wurde, endet auch das Werkstudentenprivileg. Ab dem Folgemonat gilt er als Arbeitnehmer mit der Konsequenz, dass er und die Bank Beiträge aus dem bezogenen Entgelt zu allen Sozialversicherungszweigen leisten müssen“, sagt Lottermann.

Der Experte rät den Personalabteilungen, sich bei der Einstellung vom Mitarbeiter schriftlich bestätigen zu lassen, ob und in welchem Umfang zeitgleich weitere Beschäftigungen ausgeübt werden. „Wichtig ist auch die Dokumentation, ob solche Tätigkeiten innerhalb der letzten zwölf Monate ausgeübt wurden, oder der Student vielleicht sogar ein Start-up gegründet hat. Solche Fakten müssen unbedingt gecheckt werden“, sagt Lottermann.

Erntehelfer: Wann unterliegen sie der Sozialversicherungspflicht?

Auch bei der Beschäftigung von Erntehelfern müssen die Personalverantwortlichen von landwirtschaftlichen Betrieben einige Dinge beachten. „Viele dieser Arbeitskräfte kommen aus dem europäischen Ausland. Da stellt sich sofort die Frage, wie diese in Deutschland sozialversichert werden müssen“, sagt Lottermann. Bei ausländischen Rentnern, Hausfrauen oder Studenten sei davon auszugehen, dass diese nicht berufsmäßig beschäftigt sind und im Heimatland Versicherungsschutz besteht. Dieser wirkt dann auch in Deutschland.

Doch wie steht es bei den anderen Erntehelfern? „Die Dauer der saisonalen Beschäftigung und die Entgelthöhe sind Fakten, die den Versicherungsstatus mitbestimmen. Wichtig ist zu klären, ob sich der Saisonarbeiter mit der Erntehilfe seinen Lebensunterhalt sichert. Ist das der Fall, gilt er immer als berufsmäßig beschäftigt und somit als Arbeitnehmer“, sagt Lottermann und nennt als klassisches Fallbeispiel einen Erntehelfer aus Südosteuropa. In seinem Heimatland arbeitet er als Krankenpfleger. Regelmäßig im April kommt er nach Deutschland, um bei der Spargelernte zu helfen und das Familieneinkommen aufzustocken. Dafür nimmt er in seinem Heimatland bei seinem Arbeitgeber unbezahlten Urlaub. „Damit gilt er als berufsmäßig beschäftigt und würde in Deutschland der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Legt er aber dem Landwirt eine sogenannte A1-Bescheinigung vor, wird die deutsche Sozialversicherungspflicht nicht realisiert. Der Erntehelfer ist und bleibt in seinem Heimatland versichert“, erklärt Lottermann.

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