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Herr Mangold, heute Vormittag habe ich im Supermarkt unter anderem Äpfel, Heidelbeeren, Tomaten und eine Avocado gekauft. Wie wahrscheinlich ist es, dass die BayWa Tochter Global Produce an der Wertschöpfung dieser Lebensmittel beteiligt war?

Benedikt Mangold: Bei dieser Auswahl in Ihrem Einkaufskorb und der Tatsache, dass Sie in einem Supermarkt in Deutschland eingekauft haben, würde ich sagen: 50/50. Da jetzt Sommer ist und die neue Apfelernte in Deutschland erst in wenigen Monaten erfolgt, könnten die Äpfel – je nach Sorte – aus Neuseeland stammen und die Avocado aus Südafrika. Mit Heidelbeeren bedienen wir hingegen schwerpunktmäßig den asiatisch-pazifischen Raum. Auch Tomaten von der BayWa werden Sie in deutschen Lebensmittelmärkten leider keine finden – die erzeugen und vermarkten wir ausschließlich lokal in Neuseeland und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
 

Wie würden Sie das Portfolio und die Geschäftsfelder von Global Produce in wenigen Sätzen skizzieren?

Mangold: Viele verbinden die BayWa in erster Linie mit dem Handel von Agrarrohstoffen wie Getreide und Ölsaaten, mit denen wir Getreidemühlen und die Futtermittelindustrie beliefern. Weniger Leuten ist hingegen bewusst, dass wir auch ein bedeutender Lieferant von Obst und Fruchtgemüse für den Lebensmitteleinzelhandel sind. Wir handeln mit mehr als 200 verschiedenen Obst und Gemüseprodukten, vom Bio-Apfel vom Bodensee bis zu exotischen Spezialitäten wie Ingwer aus China. Gebündelt ist dieses Geschäft in BayWa Global Produce. Dazu gehören vier Geschäftseinheiten: die BayWa Obst GmbH am Bodensee, T&G Global in Neuseeland, TFC Holland mit Sitz in den Niederlanden und die Al Dahra BayWa in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Welche Rolle spielt Global Produce für den Gesamtkonzern BayWa?

Mangold: Eine große. Ähnlich wie das Geschäft mit erneuerbaren Energien ist auch BayWa Global Produce eines der jüngeren Geschäftsfelder im BayWa-Konzern und hat mit das größte Wachstumspotenzial. Denn die weltweite Nachfrage nach hochwertigem Obst und Gemüse ist ungebrochen und wird auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Schon jetzt hat BayWa Global Produce einen Anteil von rund 15 Prozent am operativen Konzern-EBIT.

„Die Internationalisierung war die Grundvoraussetzung dafür, um den deutschen Lebensmitteleinzelhandel 365 Tage im Jahr mit einem breiten Angebot an frischen Früchten beliefern zu können.“

2020 hat die BayWa ihr Jahresziel übertroffen und ein Ergebnis vor Steuern von über 215 Millionen Euro erzielt. Was hat Global Produce dazu beigetragen und wie zufrieden sind Sie mit dem vergangenen Geschäftsjahr, welches unzweifelhaft im Zeichen der Corona-Pandemie stand?

Mangold: Ich bin mit dem Ergebnis in 2020 sehr zufrieden: Bei rund 940 Millionen Euro Umsatz hat BayWa Global Produce 42 Millionen Euro EBIT erzielt, was einer Steigerung von über 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Nachfrage nach vitaminreichem Obst und Gemüse ist während der Corona-Pandemie gestiegen – einerseits, weil Menschen damit eine natürliche Wirkung auf die Immunabwehr verbinden. Andererseits, weil Restaurant- und Kantinenbesuche lange nicht möglich waren und die Menschen dadurch das Kochen zu Hause wieder neu entdeckt sowie dann auch häufiger zu Obst und Gemüse gegriffen haben. Förderlich für das Ergebnis 2020 war aber auch, dass zum Beispiel die Preise für Äpfel, eines unserer Kernprodukte bei Global Produce, in Europa auf einem anhaltend überdurchschnittlichen Niveau lagen.
 

In den vergangenen Jahren hat die BayWa die Internationalisierung stark vorangetrieben und im Bereich Global Produce etwa den führenden Obsthändler in Neuseeland übernommen oder in ein Agrar-Joint-Venture in den Vereinigten Arabischen Emiraten investiert. Inwieweit ist es sinnvoll, im globalen Obst- und Gemüsehandel mitzumischen und wie schaffen Sie Synergieeffekte?

Mangold: Ausgehend von unseren Wurzeln im Kernobstgeschäft am Bodensee haben wir den Bereich in den letzten zwölf Jahren stark internationalisiert. Das war die Grundvoraussetzung dafür, um den deutschen Lebensmitteleinzelhandel 365 Tage im Jahr mit einem breiten Angebot an frischen Früchten beliefern zu können. Durch unsere Beteiligungen an TFC und T&G konnten wir uns einen wertvollen Zugang zu sämtlichen Beschaffungsmärkten für tropisches Obst und Gemüse sowie attraktive Absatzmärkte in Asien erschließen.

Vor Kurzem hat die BayWa den ersten klimaresistenten Apfel auf den Markt gebracht. Was ist das Besondere an dem Apfel und wie wichtig ist Forschung generell für Ihren Geschäftsbereich?

Mangold: Die Apfelsorte heißt HOT84A1 und ist die erste kommerzielle Sorte aus dem internationalen Züchtungsprogramm „Hot Climate Programme“, in dem T&G der exklusive Vermarktungspartner ist. Das Besondere an diesem Apfel ist, dass er auch bei extrem hohen Temperaturen von über 40 Grad seine Qualitäts-, Genuss- und Lagereigenschaften behält und somit klimaresilienter ist als traditionelle Sorten. Da er für heiße Klimazonen gezüchtet wurde, kommt der Apfel außerdem mit weniger Dünger und Wasser aus. Kaufen kann man den Apfel bisher noch nicht. Die ersten Plantagen sind zwar schon gepflanzt, auch hier in Europa. Bis die Bäume aber eine marktrelevante Apfelmenge tragen, vergehen noch ein paar Jahre.
 

Wie lange dauert es, bis so eine klimaresistente Apfelsorte gezüchtet ist?

Mangold: Es hat fast 20 Jahre gedauert, diese Sorte durch natürliche Kreuzung zu züchten. In Anbetracht der Geschwindigkeit, mit der der Klimawandel die Landwirtschaft auf der ganzen Welt vor wachsende Herausforderungen stellt, ist das ein langer Zeitraum. Das gibt zumindest zu denken, ob wir uns in Europa einen Gefallen tun, wenn wir neue Züchtungstechnologien so vehement wie bisher ablehnen. Denn auch bei uns gibt es einerseits den Wunsch nach mehr Selbstversorgung, insbesondere aus ökologischem Anbau, andererseits spüren wir die Auswirkungen des Klimawandels zum Teil deutlich. So richtig und wichtig es ist, die Erderwärmung zu verlangsamen beziehungsweise zu stoppen, so notwendig ist es auch, parallel die Landwirtschaft insgesamt klimaresilienter zu machen. Andernfalls riskieren wir, dass Erzeuger in den kommenden Jahren aufgeben müssen, was die heimische Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln gefährdet und nur durch mehr Importe aufgefangen werden kann.

Viele Wissenschaftler erwarten, dass es einerseits in den kommenden Jahren immer wärmer wird und andererseits vermehrt Wetterextreme wie Hagel, Frost, Dürre oder Überschwemmungen auftreten. Wie gehen Sie als Obst- und Gemüseerzeuger damit um?

Mangold: Wir erzeugen nur einen Bruchteil von Obst und Gemüse selbst, hauptsächlich sind wir Händler. Aber als solcher sind wir natürlich eng mit unseren Erzeugern verbunden und entwickeln gemeinsam mit ihnen Lösungen, wie wir die Produktion nachhaltig klimaresilienter machen. Um speziell Obst und Gemüse vor negativen Witterungseinflüssen wie Starkregen oder Frost zu schützen, haben sich in der Praxis entsprechende Schutzvorrichtungen, zum Beispiel Netze oder Folien, über den Kulturen etabliert. In dem Zusammenhang besonders interessant ist Agri-Photovoltaik. Dabei werden Acker- oder Obstflächen mit Solarzellen überdacht und damit sowohl für die Nahrungsmittelproduktion als auch die Erzeugung von grünem Strom genutzt. Gleichzeitig sorgt die Überdachung dafür, dass die Kulturen jederzeit vor Extremwetter geschützt sind. So sind zum Beispiel die Temperaturen an heißen Tagen unter den Solarmodulen durchschnittlich fünf Grad kühler als bei traditionellen Anbaumethoden. Durch die Beschattung erleiden die Pflanzen weniger Hitzestress und die Wasserverdunstung aus dem Boden nimmt ab. Nachts wird wiederum die Wärme unter den Solarzellen besser gehalten als unter herkömmlichen Folien, die Landwirte zum Schutz vor Kälte und Frost verwenden. Unser Schwesterunternehmen BayWa r.e. hat in den Niederlanden bereits mehrere Agri-PV-Anlagen in Beerenobst-Plantagen installiert. Hierzulande führt das Fraunhofer Institut aktuell ein Projekt in Rheinland-Pfalz in einer Apfelplantage durch.
 

Was für zusätzliche Herausforderungen muss BayWa Global Produce bewältigen?

Mangold: Das Thema Nachhaltigkeit im weltweiten Ernährungssystem rückt zunehmend in den politisch-gesellschaftlichen Fokus. Nicht zuletzt beeinflusst dieser Aspekt das Kaufverhalten jener Verbraucher-Generationen, für die nicht mehr nur der Preis alleine entscheidend ist. Im Obst- und Gemüsesektor sind gesetzliche Normen und Zertifizierungen Standard. Somit kann der Verbraucher gewiss sein, dass die Mindestanforderungen an Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Arbeitsschutz erfüllt sind. Um aber die größtmögliche Wirkung zu erzielen, betreiben wir „active supplier engagement“, also die aktive Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten über eine reine Zertifizierung hinaus. Darunter fällt zum Beispiel die CO2-Neutralität bei Bananenlieferungen von Ecuador nach Neuseeland. Gemeinsames Nachhaltigkeitsengagement über das gesetzlich geforderte Maß hinaus dient dabei nicht nur der Umwelt oder erfüllt gesellschaftliche Erwartungen – sie stärkt auch die Lieferantenbeziehung und damit unsere Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln. Das funktioniert aber nur, wenn alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette ihre Verantwortung wahrnehmen und ihren Beitrag leisten – auch finanziell. Die große Frage ist dabei, wie diese für die Gemeinschaft getätigten Investitionen in eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion angemessen honoriert werden können. Erst Anfang Juni haben wir uns dazu im Nationalen Dialog des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Thema „Wege zu nachhaltigen Ernährungssystemen“ mit Politikern, anderen Unternehmen, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen ausgetauscht. Das Ergebnis soll als deutscher Beitrag in den für September geplanten „Food System Summit“ der Vereinten Nationen einfließen und darüber hinaus wirken.

„Neben Äpfeln zählen Trauben und Heidelbeeren zu unseren strategischen Wachstumsfeldern.“

Das Geschäftsfeld Global Produce über das Thema Apfel hinaus erweitern: Das hat Konzernchef Klaus Josef Lutz als eines von zwei Hauptzielen für die Zeit bis ins Jahr 2025 ausgegeben. Wie wollen Sie das erreichen?

Mangold: Neben Äpfeln, die sowohl in Deutschland als auch in Neuseeland zu den Kernprodukten unserer Geschäftsaktivitäten gehören, zählen Trauben und Heidelbeeren zu den strategischen Wachstumsfeldern von T&G – allerdings mit dem Schwerpunkt auf der Vermarktung in Neuseeland, Australien und dem asiatischen Raum. Auch das Thema Klimagewächshäuser werden wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen, gleichwohl es derzeit keine konkreten Pläne dazu gibt.

Welche weiteren Ziele haben Sie sich für die kommenden Jahre gesetzt?

Mangold: Wie schon erwähnt, hat BayWa Global Produce großes Wachstumspotenzial innerhalb des BayWa-Konzerns. Mit unserer globalen Reichweite, unseren starken Marken und unserem Engagement in Züchtung und Innovationen wollen wir unser Geschäftsfeld strategisch weiterentwickeln, um die Potenziale der weltweit wachsenden Nachfrage nach Obst und Gemüse durch Investitionen und Partnerschaften zu nutzen. Gleichzeitig sind gesellschaftliche Mega-Trends wie der Klimawandel, Digitalisierung, aber auch Arbeitskräftemangel Themen, die die Produktion unserer Erzeuger unmittelbar berühren. Hier sind wir mit unseren Lösungen schon sehr weit. Diese gilt es jetzt entsprechend auszubauen und zum Vorteil unserer Erzeuger und Lieferanten in die breite Praxis zu bringen.
 

Herr Mangold, vielen Dank für das Gespräch!

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