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Herr Ruiz, derzeit ist in den Medien von einer gesunkenen Hopfennachfrage, gar von einer Bierkrise, die Rede. Hopfenpflanzer seien zu Rodungen gezwungen. Wie kommentieren Sie diese Schlagzeilen?

Carlos Ruiz: In den vergangenen Wochen war viel über den Hopfen in unterschiedlichen Medien zu lesen, aber es ist wie bei einer Münze, die zwei Seiten hat: Es freut uns, dass der Hopfen Aufmerksamkeit genießt. Aber er sollte auch für die guten Entwicklungen Aufmerksamkeit erhalten.

Gerade erst kürzlich habe ich in „Profil“ den Bericht mit den Umsatzzahlen vom vergangenen Jahr gelesen. Hier in Bayern haben wir bei den Waren- und Dienstleistungsunternehmen einen Umsatz von insgesamt 17 Milliarden Euro – 100 Millionen trägt unsere Genossenschaft mit dem Hopfen dazu bei.

Der Hopfenbau mag nur einen kleinen Bereich der Landwirtschaft und des gesamten genossenschaftlichen Lebens darstellen. Aber für die 1.000 Familien, für die wir als Genossenschaft arbeiten, sind wir sehr wichtig und wesentlich für Erhaltung des Hopfenanbaus in Bayern.

Die HVG – die größte Hopfengenossenschaft der Welt

Die Hopfenverwertungsgenossenschaft (HVG) in Wolnzach, als Vermarktungsgemeinschaft 1953 gegründet, ist Bindeglied zwischen den Hopfenpflanzern und der Brauwirtschaft. Kernaufgabe der HVG ist es, den Hopfen der Pflanzer direkt an die Brauindustrie weltweit zu vermarkten. Die 995 Hopfenpflanzer stammen aus den Anbaugebieten Hallertau, Tettnang und Elbe-Saale. Die HVG mit einer Anbaufläche von 20.210 Hektar ist der bis heute weltweit größte Zusammenschluss von Hopfenpflanzern in einer Genossenschaft. Etwa 40 Hopfensorten werden für jeden Geschmack und Bierstil angebaut.

Mussten denn in diesem Jahr tatsächlich so viele Rodungen vorgenommen werden? Und was sind die Voraussetzungen, dass Hopfenpflanzer solche Entscheidungen treffen?

Ruiz: Ausreutungen und Rodungen sind unser täglich Brot. Es gibt keine Ernte, an der wir nicht Sortenverschiebungen vornehmen sowie Flächen hinzu- oder herausnehmen. Es ist völlig normal, sich an die Gegebenheiten des Marktes anzupassen. Klar, die Pflanzer müssen auf die rückläufigen Bierverkäufe reagieren – das stimmt. Und in Deutschland geht der Bierabsatz kontinuierlich jedes Jahr um ein bis drei Prozent zurück.

Warum sinkt der Bierabsatz seit mehreren Jahren?

Ruiz: Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Demografie, Lifestyle, Gesetzgebung und konkurrierende Produkte. Wir beobachten leider, dass der Bierabsatz seit Jahren sinkt, sich aber Spirituosen halten und dort sogar ein Wachstum zu verzeichnen ist.

Bier steht klar im Wettbewerb mit anderen alkoholischen Getränken. Und in Zeiten, in denen die Menschen weniger Geld in der Tasche haben, greifen sie leider weniger zum gesunden Bier, sondern bevorzugen die stärkere Spirituose. Das ist allerdings ein Trend, den wir weltweit sehen. Die Entwicklung gilt nicht nur für Deutschland. Wir kommen gerade aus den USA zurück und dort ist die Situation ziemlich identisch.
 

Wie schwer ist es für den einzelnen Hopfenpflanzer, die richtige Entscheidung zu treffen – ob, welche und wie große Flächen er rodet?

Ruiz: Unser genossenschaftliches Modell funktioniert so: Bei uns sind die Pflanzer nicht verpflichtet, der Genossenschaft ihre gesamte Produktion zu liefern. Und im Gegensatz zu Getreide oder zu anderen landwirtschaftlichen Gütern spielen staatliche Subventionen eine nachgelagerte Rolle. Der Hopfen ist tatsächlich in Deutschland, wo die Sorten für alle unseren Pflanzer frei verfügbar sind, abhängig von Angebot und Nachfrage. Wenn also bei einer Sorte die Nachfrage sinkt, muss die Produktion angepasst werden.

Allerdings hat der Hopfen den Nachteil, dass es für diesen keine alternative Verwendung gibt. Hopfen wird nur im Bier verwendet. Wenn es hingegen einen Überschuss an Gerste und Weizen gibt, lassen sich diese immer noch als Futtermittel verkaufen. Das heißt, die Hopfenpreise reagieren sehr unelastisch auf Angebot und Nachfrage.

Jede dieser 1.000 Mitgliedsfamilien muss bei den Sorten, die sie anbaut, eigene Entscheidungen treffen. Wir sagen dem Pflanzer nicht: „Du baust jetzt zehn Hektar Perle und fünf Hektar Magnum an.“ Der Pflanzer trifft seine Entscheidung vielmehr auf Basis seiner Risikobereitschaft. Wie lange will er im Voraus planen? Wie groß ist der jeweilige Betrieb? Von solchen Fragen hängt ab, wie stark ein Hopfenpflanzer ins Risiko gehen kann und möchte. Und neben der Größe des Betriebs spielen womöglich auch Investitionen oder eine geklärte Nachfolge eine Rolle.

Welche Rolle übernimmt die HVG?

Ruiz: Für uns als Genossenschaft ist es wichtig, in beide Richtungen transparent zu agieren. Den Pflanzer informieren wir darüber, was die Brauereien brauchen und verwenden, also welche Sorten auf dem Markt aktuell nachgefragt werden. Und den Brauereien teilen wir wiederum mit, was die Pflanzer machen.

Für diese Transparenz werden wir von unseren Kunden gelobt. Sie spiegeln uns zurück, dass es kaum einen Markt gebe, in dem sie sich so gut zurechtfinden wie auf dem deutschen Hopfenmarkt. Diese Transparenz vermissen wir vielleicht ein wenig bei unseren Kunden in Bezug auf die Produktion – aber das ist normal. Zumindest versuchen wir den Pflanzern Empfehlungen zu geben.

Welche Sorten sind derzeit nachgefragt?

Ruiz: Tettnanger, Hersbrucker oder Hallertauer Mittelfrüher sind klassische Aromasorten mit einer sehr soliden Abnehmerbasis. Und auf der anderen Seite – obwohl die Preise jetzt nicht so gut sind wie in der Vergangenheit – stehen unsere Bittersorten wie der Herkules. Bittersorten sind sehr gut auf dem Markt etabliert und machen mittlerweile 53 Prozent der Anbaufläche aus. Es sind Sorten, die weltweit Verwendung finden. Dennoch leiden auch diese Sorten ein wenig unter dem Druck, dass es bei den Brauern nicht so gut läuft – aber sie sind stabil.

Und dann gibt es tatsächlich Sorten, bei denen die Nachfrage sehr stark nachgelassen hat. Darauf müssen wir reagieren. Das betrifft Sorten für den Craft-Beer-Markt in den USA. Dort ist der Markt ziemlich angeschlagen. Zudem sind auch die großen Aromasorten wie Perle und Tradition betroffen. Es ist nicht so, dass diese gar nicht mehr nachgefragt würden – aber im Moment produzieren wir deutlich mehr, als der Markt verlangt. Deshalb müssen wir bei der Fläche gegensteuern.

Die HVG als Global Player

Im globalen Hopfenmarkt übernimmt die Hopfenverwertungsgenossenschaft (HVG) mit einer Exportquote von etwa 75 Prozent eine führende Position. Zwar konzentriert sich die HVG auf die deutsche Hopfenproduktion und hält einen Marktanteil von knapp 30 Prozent in Deutschland. Das entspricht etwa zehn Prozent der weltweiten Gesamternte. Der Umsatz der HVG liegt bei knapp 100 Million Euro. 33 Vollzeitangestellte und 23 Teilzeitkräfte sind bei der HVG beschäftigt.

Wie schnell ändern sich Trends auf dem Hopfenmarkt?

Ruiz: Das ist von dem Ausgang der Ernte abhängig. Die Fläche ist zwar wichtig, aber noch wichtiger ist, wie die Ernte ausfällt. Die Fläche lässt sich um zwei bis vier Prozent reduzieren. Beim Ausgang der Ernte hat man eine ganz andere Volatilität. Es kann passieren, dass 30 Prozent mehr oder weniger produziert werden. Um diese Volatilität auszugleichen, führen Brauereien Bestände mit, um in schlechten Jahren gewappnet zu sein. Läuft es gut, kaufen sie womöglich noch etwas nach.

Wir erfahren also große Veränderungen auf der Nachfrageseite nicht nur dann, wenn Flächen reduziert oder gesteigert werden, sondern vor allem bei schwächeren Ernten. Auf solche Entwicklungen reagieren wir mit verstärkter Kommunikation mit den Pflanzern.

Die Flächen etwas zu reduzieren, ist demnach ein üblicher Vorgang, der in einigen Medien dramatisch dargestellt wurde.

Ruiz: Informationen über Rodungen gelangen in die Medien. Wenn daraus allerdings Schlagzeilen werden, klingt alles schlimmer, als es ist. Dann hört es sich plötzlich so an, als sei der gesamte Hopfenanbau in Deutschland gefährdet.

Die Situation ist jedoch nicht kritisch. Der Hopfenanbau ist stabil. Und durch die jetzige Planung eines neuen Bewässerungsverbandes in der Hallertau wollen wir die Produktion noch weiter stabilisieren.

Bewässerungsverband sichert nachhaltigen Hopfenanbau

Der Bewässerungsverband Hallertau KöR soll in Zukunft die Wasserversorgung auf Grundlage nachhaltiger gemeinschaftlicher Bewässerungskonzepte gewährleisten, zum Beispiel durch die Speicherung von Wasser in abflussreichen Zeiten. Er wird dem öffentlichen Interesse und dem Nutzen seiner Mitglieder dienen. Ziel ist es, bis 2026 mit den Baumaßnahmen zu beginnen und somit die Wasserbeschaffung für die Hopfenbewässerung gemeinschaftlich zu organisieren und den Hopfenanbau im Klimawandel nachhaltig zu sichern.

In einem rückläufigen Markt investieren wir sogar sehr viele Ressourcen und sehr viel Geld, um die Produktion für die Zukunft zu sichern. Das ist vielleicht ein bisschen kontraintuitiv – aber das ist das, was künftig die nächste Generation im Hopfenanbau absichern wird.

Genau das ist eine der größten Herausforderungen für unsere Genossenschaft: den Hopfenanbau für die jungen Hopfenpflanzer in Zukunft weiterhin so attraktiv zu gestalten, dass es sich für sie lohnt, in der Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Ruiz.

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