Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Hopfendolden lagern in der Hallertau auf einem Trockenboden.

Sanft wiegen sich die Reben im Wind, das Sonnenlicht fällt durch die Blätter und taucht den Hopfengarten von Gudrun Höfter in warme Farben. Es wird ein schöner Spätsommertag, doch so recht darüber freuen mag sich die Vorständin der HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft nicht. Sie läuft zwischen die Reihen, pflückt eine Dolde von der Rebe und bricht sie mit den Daumen auf. Äußerlich scheint sie in gutem Zustand, doch bei den inneren Werten hapert es. Rund um die Spindel sammelt sich der goldgelbe, klebrige Hopfenstaub, das Lupulin. Es enthält unter anderem verschiedene Bittersäuren und ätherische Öle. Diese Wirkstoffe sorgen beim Brauen für die Bitternis und die besondere Note des Biers. Außerdem machen sie das Bier haltbar. Für die Bitternis sind vor allem die Alphasäuren verantwortlich. Deshalb spielt der Alphagehalt des Hopfens bei der Vermarktung eine wichtige Rolle.

Externer Inhalt

Nach Ihrer Einwilligung werden Daten an YouTube übertragen.

Mäßiger Ertrag, geringer Alphagehalt: „Profil“ hat Gudrun Höfter einen Tag lang bei der Hopfenernte begleitet. Video: Florian Christner und Karl-Peter Lenhard, Genossenschaftsverband Bayern

Acht Hopfensorten baut Höfter an, auf diesem Feld ist es die Sorte Herkules. Sie ist bekannt für ihren besonders hohen Anteil an Alphasäuren. „Normalerweise ist Herkules unsere Alpha-Kanone“, sagt Höfter. Doch die bisherige Ernte verheißt nichts Gutes. „Die ersten Analysen aus dem Labor sind miserabel. Der Alphagehalt liegt weit unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre und ist nochmal schlechter als vergangenes Jahr“, berichtet Höfter. Im Frühsommer, wenn der Hopfen seine Blüten ausbildet, war es zu heiß und zu trocken, die Pflanzen hatten Stress. Dann kam der Regen, doch der schwemmte den Stickstoff aus dem Boden. Der Hopfen investierte seine Energie nochmals in das Blattwachstum statt in die Dolden mit dem Hopfenstaub. So kam eins zum anderen mit dem niederschmetternden Ergebnis: Herkules schwächelt dieses Jahr. „Die Stimmung unter den Hopfenpflanzern ist sehr gedämpft“, berichtet Höfter.

Doch die Vorständin der HVG will sich davon nicht unterkriegen lassen. Sie steigt in ihren roten Audi und fährt zurück auf ihren von Hopfengärten umgebenen Hof in Neuhausen, das zur Gemeinde Volkenschwand in der Hallertau gehört. Während der Erntezeit gibt es immer viel zu tun. Früher war der Gutshof ein wichtiger Arbeitgeber in der Hallertau, bis zu 250 Menschen fanden dort Arbeit. Es gab eine Ziegelei und bis in die späten 1970er Jahre hinein auch die Brauerei Höfter, die in einem Flügel des Gutshofs untergebracht war. Gelebt haben viele der damaligen Arbeiter in der nahegelegenen Höftersiedlung. Sie zeugt noch heute von der früheren wirtschaftlichen Bedeutung des Gutshofs. Heute betreibt Gudrun Höfter zusammen mit ihrem Sohn Moritz auf dem Hof neben dem Hopfenanbau auch noch das Erdenwerk Höfter, das Pflanzerde, Substrate und andere Qualitätserden unter anderem an viele Raiffeisen-Märkte vertreibt. Entsprechend weitläufig sind die Anlagen.

Die dichten Laubwände der Herkules-Hopfenpflanzen, die sich am Morgen noch Reihe für Reihe durch den Hopfengarten ziehen, wird es am Abend nicht mehr geben. Dann wird die Ernte dieses Tages eingefahren sein. Sieben Erntehelfer beschäftigt Gudrun Höfter während der Erntezeit von Ende August bis Ende September. Ionut Nemes hat als Schlepperfahrer angeheuert. Er und ein Kollege sind mit zwei Erntewagen pausenlos unterwegs, um den Hopfen abzureißen und auf den Hof zu bringen. Die komplette Arbeit ist mechanisiert, Handarbeit auf dem Feld gibt es bereits seit den 1960er Jahren nicht mehr.

Vorsichtig steuert Nemes seinen Traktor durch den Hopfengarten. Das Reißgerät an der Seite des Schleppers schneidet die Reben nur wenige Zentimeter über dem Erdboden mitsamt dem Rankdraht ab. Durch den Zug des Schleppers reißt die Pflanze nach kurzer Zeit oben an der Drahtaufhängung ab und fällt auf den Erntewagen. Alle 20 Minuten fährt Nemes auf den Hof von Gudrun Höfter und lädt seine Fuhre Hopfen ab. Ist die Arbeit anstrengend? Nemes lacht. „Ich liebe Schlepper fahren, es macht mir Spaß. Für mich ist das keine Arbeit, sondern Vergnügen.“

Sobald Nemes mit seinem Schlepper wieder vom Hof fährt, hängen zwei weitere Erntehelfer die bis zu acht Meter langen Reben in die kombinierte Pflück- und Reinigungsmaschine ein. Über ein Kettenwerk werden sie erst nach oben und dann hängend in den Pflücker gezogen. Dort werden Dolden und Blätter von den Stengeln gepflückt, dann die Dolden im Saugwindreiniger von den Blättern getrennt. Die unversehrten Dolden fallen auf ein Förderband, die Blätter bleiben durch den Saugwind an den Lochblechen des Reinigers hängen und werden zusammen mit den Stengeln gehäckselt und nach draußen in einen Container befördert. Am Ende landen sie in der Bioerdgasanlage Hallertau, an der die HVG beteiligt ist. Anschließend kehren sie als wertvolles Substrat für die Hopfengärten zurück.

Die Pflückmaschine ist ein Monster. So hoch wie ein dreistöckiges Haus, benötigt sie fast den gesamten Platz in der Maschinenhalle im hinteren Teil des Gutshofs. Der Lärm ist ohrenbetäubend, als würde ein Güterzug durch die Halle fahren. Förderbänder laufen nach oben und nach unten, bis die Dolden im Bunker auf dem Dachboden angekommen sind und auf ihre Trocknung warten. Das ist das Geschäft von Moritz Höfter. Zwei Trockenkammern mit je drei übereinanderliegenden Lagen gibt es auf dem Gutshof, auf denen der Hopfen auf einer Fläche von 4 mal 4,2 Metern pro Lage trocknet. Die heiße Luft strömt mit einer Temperatur von 60 bis 65 Grad von unten durch den Hopfen und nimmt dabei dessen Feuchtigkeit auf, ehe sie durch große Öffnungen im Dachstuhl abzieht. Frischer Hopfen hat einen Wasseranteil von etwa 80 Prozent, beim Verlassen der Trocknung ist dieser Wert auf zehn Prozent gefallen.

Die Hopfendolden werden in der Pflück- und Reinigungsmaschine von Stengeln und Blättern getrennt.

Anschließend laufen sie über verschiedene Förderbänder zu Zwischenbunkern im Dachgeschoss, ehe sie in der Darre getrocknet werden.

Etwa 35.000 Liter Heizöl verbrauchen die beiden Darren in den vier Wochen, die sie pro Jahr in Betrieb sind. Rund zehn Prozent der Betriebskosten fallen allein für das Trocknen an, sagt Moritz Höfter. „Es gibt auch schon Versuche, die Energieeffizienz von Trocknungsanlagen etwa durch Wärmerückgewinnung zu erhöhen oder erneuerbare Energien einzusetzen, aber bis zur Marktreife wird es noch dauern.“

Der Juniorchef öffnet die Tür zu einer der beiden Darren, um die automatische Befüllung zu überwachen. Mit einem Rechen zieht er die Hopfendolden glatt, damit sie gleichmäßig trocknen. Beim Betreten des Raums schlägt einem sofort die feucht-heiße Luft entgegen. Wie in der Sauna, nur dass dort der harzig-würzige Duft der trocknenden Hopfendolden fehlt. Zahllose Sensoren senden permanent Daten zu Feuchtigkeit und Temperatur in den Darren an einen PC, sodass der Juniorchef den Zustand des Hopfens während der Trocknung lückenlos überwachen kann. „Die Dolden kommen eher zu feucht aus der Trocknung, 10,5 Prozent Wassergehalt wären ideal“, sagt Moritz Höfter. Mit zwei Proben fährt er extra zur HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft nach Mainburg, um den Wassergehalt mit einem Mikrowellen-Messgerät prüfen zu lassen. Der HVG-Mitarbeiter schreibt die Werte auf einen Zettel und legt diese zu den Proben. 10,5 Prozent. Punktlandung.

Die Spindel im Inneren der Dolde und die Doldenblätter trocknen unterschiedlich schnell. Deshalb braucht der Hopfen nach dem Verlassen der Darre eine Ruhepause, bis sich die unterschiedlich hohe Restfeuchtigkeit zwischen Spindel und Blättern angeglichen hat. Dann werden die Dolden gepresst und in Säcke abgefüllt. Bevor die rund 60 Kilogramm schweren Ballen auf die Reise gehen, müssen sie noch versiegelt und zertifiziert werden. Das ist aufwendig, aber unumgänglich, betont Gudrun Höfter. „Die Hopfenzertifizierung garantiert hohe Qualitätsstandards und die lückenlose Rückverfolgbarkeit jeder Hopfenpartie bis zum Betrieb“, sagt die Hopfenpflanzerin.

Zu Ballen gepresste Hopfendolden auf dem Hof von Gudrun Höfter. Jeder Ballen wiegt 60 Kilogramm.

Erst wenn die Ballen versiegelt und zertifiziert sind, darf der Hopfen überhaupt verkauft werden.

In der EU darf ausschließlich zertifizierter Hopfen vermarktet werden. An die Zertifizierung als „Deutscher Siegelhopfen“ sind strenge Qualitätsanforderungen geknüpft. Jeder Ballen wird vor Ort gewogen und mit einer Ballennummer versehen. Diese wird immer nur einmal vergeben, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Anschließend versiegelt eine Amtsperson des Hopfenrings die Ballen und nimmt von jedem siebten Ballen eine Probe. Die Löcher von der Probenentnahme sind nicht zu übersehen und werden für den weiteren Transport auch nicht wieder verschlossen. „Der Hopfen in den Ballen ist so fest gepresst, da fällt nichts raus“, beruhigt Höfter. Das Siegel enthält Informationen zu Sorte und Jahrgang des Hopfens. Die Proben werden in einem Labor der Firma Agrolab auf Wassergehalt, unerwünschte Pflanzenanteile wie Blätter und Stengel, Sortenreinheit sowie Befall mit Krankheiten und Schädlingen untersucht. Erfüllt der Hopfen die Anforderungen, wird eine Siegelurkunde über die Hopfenpartie ausgestellt. Erst dann darf die Partie verkauft werden.

Gudrun Höfter verkauft einen großen Teil ihrer Ernte an die HVG Hopfenverwertungsgenossenschaft. Die Vorteile der Mitgliedschaft bei der HVG liegen für sie klar auf der Hand. „Ich erhalte als Mitglied eine Dividende und bei einem positiven Geschäftsverlauf am Ende des Jahres eine Warenrückvergütung. So profitiere ich vom wirtschaftlichen Erfolg der Genossenschaft.“ Außerdem übernehme die HVG Überproduktionen in einen Pool, um den Hopfen gesammelt zu vermarkten. So bleibt das einzelne Mitglied nicht auf seiner Ernte sitzen. „Außerdem habe ich als Mitglied mit der Lagerung und der Verarbeitung des Hopfens nichts mehr zu tun, sobald die Ballen abgeholt worden sind.“ Und nicht zuletzt: Die HVG zahlt schnell und zuverlässig. „In der Erntezeit werden hohe Summen umgesetzt. Es beruhigt, wenn man sich auf den Geschäftspartner verlassen kann. Bei Direktverträgen mit privaten Händlern muss man immer schauen, dass man an sein Geld kommt“, sagt Höfter.

Trotzdem verkauft die Hopfenpflanzerin einen Teil ihrer Ernte auch an andere Handelshäuser. Das geht, weil die HVG im Gegensatz zu anderen Genossenschaften keine Andienungspflicht hat, die Mitglieder müssen ihre Ernte also nicht zwingend an die Genossenschaft verkaufen. „Ich mache das auch, weil ich so einen guten Überblick bekomme, was andere Handelshäuser zahlen und wie die Geschäfte abgewickelt werden. Das hilft mir auch in meinem Amt als ehrenamtliche Vorständin der HVG“, sagt Höfter. Abgesehen davon sei die HVG innovativ und verfüge über viel Marktmacht. Es gebe im Hopfenhandel drei Global Player. Die HVG sowie die Unternehmen BarthHaas und Hopsteiner. Zwar gebe es auch viele kleinere Hopfenhändler, „aber der globale Markt wird in den USA und Deutschland zwischen diesen drei Unternehmen ausgemacht“, sagt Höfter. Die HVG vermarkten den Hopfen ihrer Mitglieder zu 70 Prozent international. Da sei es gut, wenn die HVG in Verhandlungen ihr Gewicht in die Waagschale legen könne. Die internationalen Großbrauereien wüssten ebenfalls ihre Macht zu nutzen.

In Deutschland vermarktet die HVG den Hopfen ihrer Mitglieder aus den Anbaugebieten Hallertau, Tettnang am Bodensee und Elbe-Saale. Die Hopfenpflanzer im mittelfränkischen Anbaugebiet Spalt haben sich hingegen eigenständig in der deutlich kleineren Hopfenverwertungsgenossenschaft Spalt zusammengeschlossen. Mit 50 Hektar Anbaufläche gehört Gudrun Höfter zu den größeren Mitgliedern der HVG im Anbaugebiet Hallertau. „Wir haben unseren Betrieb ab den 2000er Jahren von 20 auf 50 Hektar vergrößert, um die Maschinen auszulasten“, erklärt Höfter. Der durchschnittliche Hopfenbetrieb in der Hallertau bewirtschafte 20 Hektar, im Anbaugebiet Tettnang sei es weniger, im Anbaugebiet Elbe-Saale deutlich mehr.

Rund um Volkenschwand gebe es gute Hopfenlagen. Dennoch müsse sich einiges verändern, um den Hopfenanbau in eine gute Zukunft zu führen. „Der Klimawandel macht uns sehr zu schaffen, die vergangenen zwei Jahre waren sehr trocken. Das bereitet uns Sorgen“, sagt Höfter. Ein Teil der Hopfengärten werde bereits künstlich bewässert, doch das werde nicht reichen. Hopfenbewässerung, die Züchtung klimaunempfindlicher Hopfensorten, Innovationen beim integrierten Pflanzenschutz und der Energieeffizienz, es gebe viel zu tun. Hier engagiere sich die HVG in vielen Bereichen zusammen mit Partnern aus der Hopfenbranche. Davon profitiere der Hopfenanbau in ganz Europa. Wie schnell der Niedergang kommen kann, zeige das Beispiel England. „Das war früher ein führendes Hopfenanbauland, aber sie haben nichts in Züchtung und Forschung investiert, und jetzt sind sie so gut wie weg vom Fenster“, sagt Höfter.

Mittlerweile haben sich die Pflanzenreihen im Hopfengarten ziemlich gelichtet. Ionut Nemes dreht weiter fleißig mit dem Schlepper seine Runden, um auch die letzten Pflanzen vor dem Feierabend zu ernten. Ende September sind schließlich alle Gerüste in den Hopfengärten nackt. Über den Winter heißt es dann, die Gerüste zu warten und bei Bedarf neue Drähte zu spannen. Auch die Bodenbearbeitung macht viel Arbeit, ehe im nächsten Frühjahr die Hopfenpflanzen wieder sprießen. Drei Triebe kommen an jeden Draht, der Rest wird abgeschnitten, damit die Pflanze ihre Kraft nicht vergeudet. Zum Sommerbeginn werden die Pflanzen die Spanndrähte in acht Metern Höhe erreicht haben. Gudrun Höfter hofft, dass sich wenigstens im nächsten Jahr Regen und Sonnenschein zur richtigen Zeit einstellen. Damit Herkules wieder Kraft schöpfen kann. Und zur Alpha-Kanone wird.

Artikel lesen
Praxis