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Zwei Hände gehen sofort nach oben, dann folgen weitere. Ludwig Huber hat die Studierenden der Technikerschule für Agrarwirtschaft in Landsberg am Lech gerade gefragt, ob sie oder ihre Eltern Mitglied bei einer Genossenschaft sind. „Denken Sie zum Beispiel an die Raiffeisenbank, die Milchliefergenossenschaft, eine Jagdgenossenschaft“, sagt Huber, der den Bereich Beratung Ware und Dienstleistung beim Genossenschaftsverband Bayern (GVB) leitet. Daraufhin melden sich weitere Studierende. „Mein Vater ist Aufsichtsrat“, ruft einer. „Wir sind schon immer Mitglieder bei der Raiffeisenbank“, sagt eine Teilnehmerin.

„Die Bedeutung von Genossenschaften für den ländlichen Raum“ steht heute bei der Technikerschule in Landsberg am Lech auf dem Stundenplan. Ludwig Huber hat mit der Bildungseinrichtung vereinbart, für einen Tag vorbeizukommen und über Merkmale, Besonderheiten und Vorteile der Rechtsform zu informieren. Es ist nicht der erste Vortrag dieser Art. In den vergangenen Monaten ist er zusammen mit GVB-Beraterin Erika Henger schon viele Kilometer durch den Freistaat gefahren. Gemeinsam haben sie an zehn Landwirtschaftsschulen Station gemacht. Diese Grundsatzarbeit wird von der Raiffeisen-Stiftung des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) finanziell unterstützt.

Landwirtschaftliche Fachschulen in Bayern

In Bayern gibt es 27 Landwirtschaftsschulen, zwei Technikerschulen für den Landbau sowie drei höhere Landbauschulen. Hinzu kommen weitere Spezialinstitute, beispielsweise für den Gartenbau oder die Forst- und Waldwirtschaft. An der Technikerschule Landsberg am Lech können die Studierenden nach zwei Jahren den Abschluss zum staatlich geprüften Techniker im Landbau machen. „Die Absolventen leiten anschließend landwirtschaftliche Betriebe oder arbeiten in Dienstleistungsberufen für den Agrarsektor“, sagt Schulleiter Wolfgang Stützle. Potenzielle Arbeitgeber sind Maschinenringe, die Landeskuratorien im Agrarbereich oder landwirtschaftliche Verbände.

Pünktlich um Viertel nach Zehn haben sich an diesem Dienstag Ende März 46 Studenten des ersten und zweiten Jahrgangs der Technikerschule Landsberg eingefunden. Unter ihnen sitzt auch Wolfgang Stützle. Er ist Leiter des Agrarbildungszentrums des Bezirks Oberbayern, zu dem die Technikerschule gehört. Stützle findet es sinnvoll, dass die Lernenden in einem Praxisblock mehr über die Rechtsform eG erfahren. „Viele unserer Landwirtsfamilien sind Mitglieder, haben Genossenschaftsanteile oder sind im Aufsichtsrat oder als Vorstand aktiv. Deshalb ist es wichtig, auch den rechtlichen Rahmen, die Funktionsweise, Stärken und Schwächen dieser Rechtsform sowie Schritte zur Gründung einer Genossenschaft zu kennen“, sagt der Schulleiter.

Online-Umfrage zur Auflockerung

In den ersten zwei von vier Unterrichtsstunden vermitteln Huber und Henger die Bedeutung von Genossenschaften für den ländlichen Raum. Sie zeigen auf, wo genossenschaftliche Unternehmen aktiv sind, was die Betriebe verbindet, welche Aufgaben Vorstand sowie Aufsichtsrat haben und wozu es den GVB gibt. Um einen regionalen Bezug herzustellen, berichten sie über die Arbeit von Genossenschaften in der Umgebung, beispielsweise die Futtertrocknung Lamerdingen. Drei Grundsätze sind den Referenten wichtig:

  • Erstens: Genossenschaften leben vom Engagement ihrer Mitglieder.
  • Zweitens: In Genossenschaften gibt es ständigen Bedarf an Kommunikation zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliedern.
  • Drittens: Genossenschaften leisten einen Beitrag dazu, Versorgungslücken im ländlichen Raum zu schließen.

Aufgelockert wird die Unterrichtsstunde durch zwei Online-Umfragen in Echtzeit über die Webseite Mentimeter. Die Studenten können auf ihrem Smartphone Stellung beziehen; die Antworten werden von einem Beamer an die Wand geworfen. Henger fragt die Studierenden beispielsweise, was im ländlichen Raum fehlt. „Breitbandausbau“, „Erhalt der Dorfläden“, „Ärztliche Versorgung“ oder „Altenheime“, heißt es dazu.

Experteneinblick in den Milchmarkt

Nach der Mittagspause stellt Ludwig Huber den Einfluss der globalen Märkte auf die deutsche Milchwirtschaft dar, die von genossenschaftlich organisierten Unternehmen geprägt wird. Neben Zahlen und Fakten präsentiert er verschiedene Grafiken, beispielsweise zur Rohmilcherzeugung, zu Exportströmen oder zu den Wechselwirkungen zwischen Rohöl- und Milchpreisen. Die Themen verknüpft Huber mit aktuellen Entwicklungen, etwa dem in den vergangenen Monaten stark gestiegenen Butterpreis.

Während des Vortrags ist es in der Aula mucksmäuschenstill. Kein Wunder: „Fast alle Teilnehmer haben einen persönlichen Bezug zur Milch, viele halten selbst Kühe. Daher ist das Thema sehr emotional besetzt und für die Studierenden sehr wichtig“, sagt Schulleiter Stützle. Auch in der Diskussion zeigt sich anhand zahlreicher Wortmeldungen, dass den Teilnehmern das Thema unter den Nägeln brennt. Die Entwicklung des Biomilchmarkts, Milchlieferbeziehungen oder die Auswirkungen möglicher US-Strafzölle auf den globalen Milchmarkt sind nur einige der Punkte, über die Huber gemeinsam mit den Studierenden spricht.

Fortsetzung im nächsten Schuljahr?

Viele der Teilnehmer diskutieren nach der Stunde über die Inhalte des Vortrags. Die Referenten erhalten gute Noten. „Es war sehr spannend zu sehen, welche Nationen Milch in großem Stil exportieren und welche Strategien es gibt, um Marktanteile zu gewinnen“, lautet einer der Kommentare. Doch nicht nur die Studierenden sind zufrieden. „Es waren vier interessante Stunden, in denen die Teilnehmer viel gelernt haben. Ich kann mir gut vorstellen, Herrn Huber und Frau Henger auch im kommenden Schuljahr einzuladen“, sagt Wolfgang Stützle.

Ludwig Huber freut sich, wenn der Unterricht gut ankommt: „Ich habe das gute Gefühl, dass die Teilnehmer aus den Vorträgen über die Rechtsform eG und vor allem über den Milchmarkt sehr viel mitnehmen.“ Wegen der positiven Erfahrungen planen er und Erika Henger, auch im kommenden Semester landwirtschaftliche Fachschulen zu besuchen, um dort über Genossenschaften aufzuklären.

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