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Der Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist und bleibt ein zentrales Anliegen der Politik. Wenn es ums Geld geht, das man anderen zur Verwaltung anvertraut, ist Verbraucherschutz besonders wichtig. Schutz allein ist aber nicht alles: Die entscheidende Währung bei Finanzanlagen ist das gegenseitige Vertrauen zwischen Beraterinnen und Beratern sowie Anlegerinnen und Anlegern. Vertrauen aufzubauen, dauert lange – verspielt ist es dagegen schnell. Das wissen auch Kreditinstitute. Das gilt insbesondere für die Volksbanken und Raiffeisenbanken, die nah an den Kundinnen und Kunden dran sind, im kontinuierlichen Kontakt mit ihnen stehen und sie bei allen Fragen der Vermögensverwaltung begleiten. Diese enge Beziehung ist gelebter Verbraucherschutz.

Verbraucherschutz, oder was sich manche darunter vorstellen, kann aber auch gewaltig nach hinten losgehen. Nämlich dann, wenn die Folgen der vermeintlichen Verbraucherbeglückung nicht durchdacht sind. Ein immer wieder diskutiertes Provisionsverbot bei Finanzprodukten fällt in diese Kategorie. Aktuell befasst sich die Europäische Kommission wieder mit diesem Thema. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern ist mit so einem Vorhaben sicher nicht gedient.

AGB-Urteil fällt in die gleiche Kategorie

Die Debatte um ein Provisionsverbot ist längst nicht die einzige, bei der mit dem Argument des angeblichen Verbraucherschutzes der Beziehung zwischen Kreditinstituten und ihren Kundinnen und Kunden Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Das Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) fällt in die gleiche Kategorie. Hier geht es darum, dass Banken bei Preisanpassungen nicht mehr stillschweigend von der Zustimmung von Kontoinhaberinnen und -inhabern ausgehen können, sondern sich jeder Einzelne bei der Bank melden muss. So ein Vorgehen ist weltfremd. Warum dies nur bei Banken gelten soll und nicht etwa auch bei anderen Geschäftsbeziehungen wie Zeitungs-, Streamingdienst- oder Fitnessclub-Abos, ist unklar.

Noch unklarer ist, warum ein Gericht ein bewährtes und von keiner Seite infrage gestelltes System verbietet, dann aber weder Gerichte noch der Gesetzgeber eine in der realen Welt umsetzbare Alternative nennen. Das Ergebnis: Banken müssen Kundinnen und Kunden, die nicht aktiv zustimmen, eigentlich kündigen, was beide Seite nicht wollen. Das Ergebnis sind einerseits unnötige Kontokündigungen, andererseits Banken, die im rechtlichen Graubereich agieren, weil sie dem Wunsch ihrer Kundinnen und Kunden auf Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nachkommen wollen. Verbraucherschutz? Weit gefehlt. Mehr als Unklarheiten, viel Arbeit, Umständlichkeiten und Verdruss auf allen Seiten hat das alles nicht gebracht.

Argument für Provisionsverbot fußt auf falschen Unterstellungen

Aber zurück zum Provisionsverbot: Das schlichte Argument, mit der ein solches Verbot begründet werden soll, lautet: Wer Provisionen für ein Produkt kassiert, kann nicht fair zum Wohle der Kundinnen und Kunden beraten, sondern will nur das verkaufen, was die eigenen Taschen füllt. Klingt logisch – ist es aber nicht.

Vielmehr steckt dahinter eine krude Unterstellung, die das Verhältnis zwischen einer Bank und deren Kundschaft völlig außer Acht lässt. Wer schlecht berät, riskiert das oft über viele Jahre aufgebaute Vertrauen und zieht sich damit selbst den Boden unter den Füßen weg. Bei nachweislich schlechter Beratung können Kundinnen und Kunden außerdem im Nachhinein vom Geschäft zurücktreten.

„Einer der wichtigsten Vorteile einer Provisionsberatung ist, dass Kundinnen und Kunden eine individuelle Betreuung erhalten.“

Einer der wichtigsten Vorteile einer Provisionsberatung ist, dass Kundinnen und Kunden eine individuelle Betreuung erhalten. Erfahrene Beraterinnen und Berater können deren Bedürfnisse und Ziele verstehen und passende Finanzlösungen anbieten. Das ermöglicht es auch, Finanzen zu überwachen und anzupassen, wenn sich die persönliche Situation oder die Marktlage ändert.

Honorarberatung richtet sich an Besserverdienende

Hinzu kommt: Wer Provisionsberatung verbieten will, zielt in seiner Grundannahme offensichtlich ausschließlich auf Besserverdienende. Warum? Wer ein ansehnliches Vermögen anlegen will, für den treten die Kosten einer Honorarberatung in den Hintergrund. Wer aber beispielsweise lediglich 25, 50 oder 100 Euro pro Monat auf die Seite legen kann – soll so ein Sparer erst einmal mehrere Hundert Euro für die Beratung auf den Tisch blättern? Das Beispiel aus Ländern wie Großbritannien, wo Provisionsberatung verboten ist, zeigt: Die Bereitschaft, für Beratung zu zahlen, ist äußerst gering. In Deutschland wird das nicht anders sein und betrifft vor allem Menschen mit schmalem Geldbeutel.

„Kundinnen und Kunden landen oft genug bei völlig beratungsfreien Angeboten im Internet und im kaum regulierten Schattenmarkt.“

Die Folge: Diese Kundinnen und Kunden nehmen keine kostenpflichtige Beratung in Anspruch, sondern wandern ab. Sie landen dann oft genug bei völlig beratungsfreien Angeboten im Internet und im kaum regulierten Schattenmarkt. Das ist genau das Gegenteil von Verbraucherschutz. Die zurückliegenden Skandale um Kryptowerte zeigen das ebenso wie Berichte über Anleger, die auf eigene Faust für sich eine falsche Anlageform gewählt haben. Mancher zahlte dann bitteres Lehrgeld, weil Anlagen für eine unerwartete Investition plötzlich wieder aufgelöst werden mussten und dies bei der gewählten Anlageform nur mit großen Verlusten möglich war.

Was vor allem Menschen mit geringen Sparquoten benötigen, sind Lotsen, die ihnen zeigen, wie sie sich im schier unüberschaubaren Dschungel von Anlageoptionen zurechtfinden. Genau das leisten die Beraterinnen und Berater von Volksbanken und Raiffeisenbanken. Abschlussbasierte Beratung ist transparenter und gelebter Verbraucherschutz. Sie legt Anlegerinnen und Anlegern mit geringem Budget, die gerne Beratung in Anspruch nehmen, keine unüberwindbaren Hürden in den Weg. Beraterinnen und Berater klären über Chancen und Risiken auf – angepasst an die individuelle Situation der Kundinnen und Kunden.

VR-Banken beraten streng reguliert und transparent

Zurückzuweisen ist zudem die Unterstellung, Honorarberatung sei per se der Provisionsberatung überlegen und führe zu besseren Ergebnissen. Volksbanken und Raiffeisenbanken können auf zahlreiche Angebote von Verbundpartnern und weiteren Anbietern zurückgreifen und somit jedem Anlagebedürfnis nachkommen – streng reguliert, transparent und durch Millionen von Kunden jeden Tags aufs Neue bestätigt.

Auch Honorarberatung ist nicht frei von Interessen

Im Übrigen: Auch die Honorarberatung ist nicht frei von Interessen. Je nach Art der Abrechnung besteht auch hier der Anreiz, entweder viele Beratungsstunden pro Kunden zu generieren oder aber eine möglichst große Zahl an Kundinnen und Kunden in möglichst kurzer Zeit zu bedienen. Auch dies hat Auswirkungen auf die Art der Beratung.

„In einem freien Markt muss es Kundinnen und Kunden überlassen bleiben, ob sie für ihre Finanzberatung im Vorfeld bezahlen wollen oder ob sie eine abschlussbasierte Beratung in Anspruch nehmen.“

Wie ein Wiedergänger kommt das Thema „Verbot der Provisionsberatung“ alle paar Jahre erneut auf die Tagesordnung. Immer wieder vorgetragen wird es von vermeintlichen Verbraucherschützern, ohne auf die Realitäten zu blicken oder gar den Bedürfnissen von Anlegerinnen und Anlegern zu entsprechen. Es wäre daher endlich an der Zeit, das Thema ein für alle Mal zu beenden: In einem freien Markt muss es Kundinnen und Kunden überlassen bleiben, ob sie für ihre Finanzberatung im Vorfeld bezahlen wollen oder ob sie eine abschlussbasierte Beratung in Anspruch nehmen. Ständige staatliche Bevormundung schafft weder Transparenz noch Verbraucherschutz, sondern weltfremde Regelungen, unter völliger Ignoranz der Realität – zum Nachteil von Verbraucherinnen und Verbrauchern.


Gregor Scheller ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).


Dieser Beitrag erschien zuerst in der Verlagsbeilage „Finanzplatz München“ der Börsen-Zeitung vom 8. März 2023.

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