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Die Herausforderungen des deutschen Gesundheitssystems sind zahlreich: Um die Menschen weiter mit modernen medizinischen Leistungen zu versorgen, braucht es tragfähige Konzepte für eine angemessene Finanzierung sowie Antworten auf Trends wie den Fachkräftemangel oder die Alterung der Gesellschaft. Trotzdem ist das deutsche und speziell auch das bayerische Gesundheitswesen im weltweiten Vergleich sehr gut aufgestellt. In Rankings nimmt es regelmäßig Spitzenpositionen ein. Dazu trägt auch eine ganze Reihe von Genossenschaften bei. Sie verbessern die ärztliche Versorgung, übernehmen den gemeinsamen Einkauf oder bündeln die Administration (siehe Kasten).

Was bayerische Genossenschaften für das Gesundheitswesen leisten

Rund 20 bayerische Genossenschaften sind in ganz unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitssektors aktiv. Ein Überblick über einige der Unternehmen und ihre Leistungen:

  • Die Sanacorp eG liefert Arzneimittel und Gesundheitsprodukte an rund 8.000 Apotheken im gesamten Bundesgebiet. Der Jahresumsatz lag 2021 bei 5,9 Milliarden Euro.
  • Services und Dienstleistungen mit Schwerpunkt auf den gemeinsamen Einkauf bietet die P.E.G. Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft eG an. Mehr zur Genossenschaft im Beitrag „Einkaufsgenossenschaften: Mehr als Preisvorteile“ in dieser Ausgabe.
  • Vor allem dem Wissenstransfer haben sich die Klinik-Kompetenz-Bayern eG und die Kommunale Altenhilfe Bayern eG verschrieben. Sie vernetzen kommunale und freigemeinnützige Kliniken respektive kommunale Pflegeeinrichtungen.
  • Ärztenetzwerke verbessern die Zusammenarbeit zwischen den Praxen, definieren einheitliche Qualitätsstandards und bieten Patientinnen und Patienten so ein hohes Qualitätsniveau. Beispiele für Genossenschaften in diesem Bereich sind die Ärztenetzwerk Mainfranken eG, die Qualität und Effizienz eG, die Gesundheitsnetz Region Bamberg eG oder die Ärztegenossenschaft Hochfranken eG.
  • Die SAPV Dachau eG, die SAPV Südfranken eG und die Ambulante Palliativversorgung Nordoberpfalz eG setzen sich dafür ein, dass schwerstkranke Menschen in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung würdevoll bis zu ihrem Tod leben können.

Dienstleistungen für 3.000 Zahnärzte

Ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Genossenschaft in der Gesundheitsbranche ist die ABZ Abrechnungs- und Beratungsgesellschaft für Zahnärzte eG. Rund 3.000 niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte aus Bayern sind Mitglied, das entspricht einer Quote von circa 40 Prozent. Die ABZ ist in drei Geschäftsfeldern tätig: Erstens rechnet sie im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Vereinigung kieferorthopädische Kassenleistungen ab, zweitens berät sie Zahnarztpraxen zu betriebswirtschaftlichen Themen und drittens bietet sie Serviceleistungen mit Einkaufsvorteilen für die Mitglieder. Die Tochtergesellschaft ABZ Zahnärztliches Rechenzentrum (ABZ-ZR) rechnet zahnärztliche Privatleistungen ab. Der Mehrwert: Die Zahnärzte sparen sowohl Zeit als auch Aufwand, wenn sie die Abrechnung von Privatleistungen an die ABZ-ZR auslagern. „Wir fördern die beruflichen sowie wirtschaftlichen Angelegenheiten von zahnärztlichen Praxen und erleichtern den Zahnmedizinern dadurch ihre Berufsausübung“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Heinz Abler. Weil die Zahnärzte zum Beispiel weniger mit Abrechnungen beschäftigt sind, können sie den gewonnenen Freiraum in Fortbildungen investieren oder sich mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten nehmen. So profitiert das Gesundheitswesen insgesamt von der Leistung der Genossenschaft.

Gutachten über den Wert der Praxen

Insbesondere die Beratungsleistungen gewinnen für die ABZ eG immer mehr an Bedeutung. Die Genossenschaft erstellt beispielsweise Gutachten darüber, wie sich der Wert einer Zahnarztpraxis voraussichtlich verändern wird. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist zu erwarten, dass es künftig weniger niederlassungswillige Zahnärzte gibt. Das betrifft vor allem die ländlichen Regionen. Der Trend führt dazu, dass die Praxen tendenziell an Wert verlieren könnten. „Unsere Mitglieder möchten also wissen, welche Handlungsmöglichkeiten sie haben und wie sie eine ideale Nachfolgeplanung und Vorsorge treffen können. Dabei unterstützen wir sie gerne“, sagt Abler. Andersherum hilft die Genossenschaft auch jungen Zahnmedizinerinnen und -medizinern, die eine Praxis übernehmen möchten.

Die Mitglieder schätzen an der ABZ, dass sie neutral und anbieterunabhängig berät. Der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft erklärt, dass Zahnärzte von zahlreichen Firmen umworben werden. Deren Angebote richteten sich nicht immer nach dem tatsächlichen Bedarf, auch die Konditionen seien gelegentlich nicht angemessen, so Abler. Da einige der für Zahnarztpraxen notwendigen Geräte mehrere zehntausend Euros kosten, sollten solche Anschaffungen wohlüberlegt sein. „Das Selbstverständnis der ABZ liegt darin, für unsere Mitglieder zu prüfen, ob sie adäquat beraten werden und ob die Leistungen ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen“, bekräftigt Abler. Dabei zeige sich eine Stärke der Rechtsform eG: Eine Genossenschaft wolle nicht ihren Gewinn maximieren, sondern orientiere sich an den Bedürfnissen und Interessen der Mitglieder. „Das führt zu einer hohen Serviceorientierung. Schließlich können wir nur wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn die Bindung zu den Mitgliedern hoch ist und sie unsere Angebote regelmäßig und gerne nutzen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende.

Eine Mitgliedschaft bei der ABZ ist auch finanziell attraktiv. Neben den Vorteilen beim gemeinsamen Einkauf hat die Genossenschaft ein Mehrwertprogramm namens „BoniPlus“ aufgelegt. Beispielsweise gibt es spezielle Angebote, wenn sich die Zahnmediziner gegen die Folgen von Krankheit oder Unfall absichern möchten. Oder sie können auf die Leistungen der DRWZ Mobile zurückgreifen, die Mobilitätslösungen für genossenschaftliche Unternehmen zu attraktiven Konditionen bietet.

Factoring ausgelagert

2021 hat die ABZ eG einen Teil ihres Leistungsportfolios neu strukturiert. Das Factoring für Zahnärzte – konkret geht es hier um die Übernahme und Abwicklung von Forderungen gegenüber Privatpatienten und privaten Krankenversicherungen – obliegt seit über 25 Jahren der Tochtergesellschaft ABZ-ZR. Für die Kieferorthopäden betrieb die ABZ eG dieses Geschäft hingegen selbst. Das führte zu unnötigen Doppelstrukturen. So mussten beide Gesellschaften etwa Ressourcen vorhalten, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Deshalb hat die Genossenschaft beschlossen, das Factoring für die Kieferorthopäden an die ABZ-ZR zu übertragen. „Durch die Bündelung sind erhebliche Synergieeffekte entstanden. Neben den ökonomischen Vorteilen kann sich die Genossenschaft nun vollständig auf den weiteren Ausbau von Dienstleistungen für die Mitglieder fokussieren“, betont Abler.

Politische Interessenvertretung

Die ABZ unterstützt die Mitglieder auch bei politischen Anliegen. Zum Beispiel bei der Forderung, den sogenannten Punktwert zu erhöhen. Dazu muss man wissen, wie Zahnärztinnen und Zahnärzte ihre Leistungen abrechnen. Bei Privatpatienten sowie bei gesetzlich Versicherten, die auf eigene Rechnung Zusatzleistungen in Anspruch nehmen, greift die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). In dem Regelwerk entspricht jede Leistung einer bestimmten Anzahl von Punkten. Diese werden mit einem feststehenden Punktwert multipliziert. So ergibt sich das Honorar, das die Zahnmediziner abrechnen dürfen. Der Punktwert wurde 1988 auf 11 Pfennige festgelegt und ist seitdem nicht verändert worden – folglich liegt er nun bei etwa 5,6 Cent. Die Genossenschaft unterstützt eine Petition von Zahnärzten, den Punktwert zu erhöhen. „Langfristig kann eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung mit zahnärztlichen Leistungen nur sichergestellt werden, wenn die GOZ-Honorare an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Gerade in der aktuellen Situation mit der hohen Inflationsrate gibt es kaum Möglichkeiten, um die gestiegenen Kosten etwa für Energie oder Materialien auszugleichen“, erklärt Abler.

Die Zahnmediziner treibt aber noch ein weiteres Thema um. In den vergangenen Jahren wurden Arztpraxen zunehmend von profitorientierten Unternehmen übernommen und in sogenannten medizinischen Versorgungszentren (MVZ) gebündelt. „Diese Entwicklung sehen wir sehr, sehr kritisch. Denn dort steht nicht das Wohl der Patienten, sondern das Kapitalinteresse der Investoren ganz oben auf der Agenda“, sagt Abler. Die berufsständischen Organisationen und Vereinigungen, zu denen sich auch die ABZ zählt, haben seit Jahren auf das Problem hingewiesen. Mit Erfolg: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach möchte im ersten Quartal 2023 ein Gesetz vorlegen, dass den Ankauf von Arztpraxen durch Finanzinvestoren verbietet. „Unsere Position ist klar: Heilberufe dürfen keine Geschäftsmöglichkeit für Investoren werden. Die Gesundheit der Menschen muss an erster Stelle stehen“, bekräftigt Abler. Dieser Aussage dürften wohl auch die anderen Genossenschaften im Gesundheitssektor uneingeschränkt zustimmen.

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