Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

Warum sollten die Banken ihr Konzept zum Schutz der Geldautomaten gegen Sprengungen überprüfen?

„2022 war das Rekordjahr für Geldautomaten-Sprengungen. Die Täter greifen immer rücksichtsloser an, sowohl mit Gas als auch mit Festsprengstoffen. Sowohl die Politik als auch die Öffentlichkeit erwarten von den Banken, dass diese in die Sicherung der Geldautomaten investieren“, sagt Harald Schmidt, Risikoberater im Team Berater Prävention Banken der R+V Versicherung. Das sei der Hauptgrund, warum Banken ihr Sicherheitskonzept für Geldautomaten auf den Prüfstand stellen sollten, sofern sie es nicht schon getan haben.

Zudem verursache eine Sprengung für die Bank nicht nur hohe Sachschäden, sondern auch Folgeschäden wie längere Betriebsunterbrechungen und zerstörte Einrichtung in der betroffenen Filiale. Im schlimmsten Fall könnten sogar Menschen verletzt werden. Auch Reputationsschäden seien nicht zu unterschätzen, etwa durch die Berichterstattung in den Medien. Hinzu komme der organisatorische Aufwand etwa für die Sanierung der Filiale oder die zeitweise Beschäftigung der Bankmitarbeiter an anderen Standorten. Diese Kapazitäten fehlten der Bank dann an anderer Stelle. „Das sind alles Dinge, die von den Instituten mitgedacht werden müssen. Deswegen ist es wichtig, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um Sprengungen zuvorzukommen. Denn die Täter machen 2023 mit der gleichen Schlagzahl weiter, wie sie 2022 aufgehört haben. Schon der Januar hat gezeigt: Es knallt genauso häufig wie im vergangenen Jahr“, sagt Schmidt.

Welche Standorte sind nach Erfahrung der R+V besonders gefährdet?

Bei der Beurteilung der Gefahrenlage sind laut Schmidt zwei Dinge entscheidend: die geografische Lage und die baulichen Gegebenheiten.  Besonders gefährdet seien zum Beispiel Geldautomaten in der Nähe von Autobahnzufahrten. „Hier ist die Gefahr einer Sprengung sehr hoch, weil die Täter schnell flüchten können“, sagt Schmidt. Ebenfalls im Visier der Kriminellen sind Geräte, die weit entfernt von der nächsten Polizeistation oder einem Sicherheitsdienst sind. Bis die Sicherheitskräfte vor Ort intervenieren können, sind die Täter längst weg. In der Regel benötigen sie nur wenige Minuten von der Tat bis zur Flucht. Gefährdet sind auch freistehende Geldautomaten völlig ohne Umhausung – etwa in Supermärkten – oder Automaten in Leichtbaupavillons. „Das sind bessere Wetterhäuschen, da haben die Täter leichtes Spiel“, sagt Schmidt. Zu guter Letzt stellen Standorte ohne eine sogenannte Einbruchmeldeanlage (EMA) eine Gefahr dar, weil die Sicherheitskräfte nicht automatisch alarmiert werden.

Welche Schutzmaßnahmen empfiehlt die R+V?

„Grundsätzlich sollte jeder Geldautomat ausreichend tief im Boden verankert sein und der Wertschrank gemäß der Norm EN 1143-1 dem Widerstandsgrad IV GAS EX entsprechen“, erklärt Schmidt. Den Widerstandsgrad IV erhalten besonders gepanzerte Geldschränke, die auch am Riegelwerk und an den Ecken extra verstärkt sind, damit diese bei einer Sprengung nicht aufplatzen. Die Zusätze GAS und EX steht für eine zertifizierte Widerstandsfähigkeit gegen Angriffe mit Gas. „Im Grunde genommen sind diese Vorsichtsmaßnahmen aber längst Standard und werden von den Herstellern auch so angeboten“, sagt Schmidt. Mittlerweile setzen die Täter jedoch so viel Sprengstoff ein, dass sie auch diese Schutzklasse überwinden können. Zusätzlichen Schutz bietet der Einbau des Automaten in eine besonders stabile Wand, sodass die Nutzer nur Zugriff auf Tastatur und Geldausgabe haben, der eigentliche Automat aber durch die Wand geschützt ist. Ergänzend sollte der Automat von hinten bestückt werden können und der dazugehörige Raum besonders gesichert sein, um den Tätern den Zutritt möglichst schwer zu machen. Auch eine Einbruchmeldeanlage sollte zur Standardausstattung gehören.

Fahndungserfolg der Polizei

Der Polizei ist ein Schlag gegen eine internationale Bande von Geldautomatensprengern gelungen, die 34 Geldautomaten in Bayern, 17 in Baden-Württemberg und einen in Thüringen in die Luft gejagt haben sollen. In einer groß angelegten Polizeiaktion wurden Ende Januar 2023 neun Tatverdächtige in den Niederlanden und in Belgien verhaftet. Dabei wurden zahlreiche Tat- und Beweismittel gesichert. Zuvor hatten die Landeskriminalämter in Bayern und Baden-Württemberg gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Bamberg mehr als ein Jahr lang ermittelt. Ausführliche Informationen zu dem Fahndungserfolg teilt das Bayerische Landeskriminalamt in einer Pressemitteilung mit.

Wie das Bayerische Landeskriminalamt weiter meldet, kam es im Jahr 2022 in Bayern zu 37 versuchten und vollendeten Sprengungen von Geldautomaten. Dabei entstand ein Sachschaden von über vier Millionen Euro. Die Täter erbeuteten insgesamt circa 3,1 Millionen Euro. Im Jahr davor wurden in Bayern 17 Geldautomaten gesprengt, es entstand Sachschaden in Höhe von über einer Million Euro. Die Täter erbeuteten dabei etwas weniger als eine Million Euro.

Welche Maßnahmen versprechen kurzfristig zusätzlichen Schutz?

Als sehr effektiv hat sich laut Schmidt erwiesen, das Foyer gefährdeter Filialen nachts zu verschließen. „Die Täter schlagen nachts oder in den frühen Morgenstunden zu. Deswegen bietet der Nachtverschluss in Verbindung mit einem Sicherungskonzept einen hohen Schutz“, sagt R+V-Experte Schmidt. „Ab einer bestimmten Uhrzeit ist die Tür der Filiale verschlossen und alarmgesichert. Zusätzlich wird das Foyer videoüberwacht“, sagt Schmidt. Sobald jemand die Tür gewaltsam öffnet, gehe in der Notruf- und Service-Leitstelle (NSL) ein Alarm ein. „Betritt der Täter das Foyer, kann der Mitarbeiter der NSL den Täter über Lautsprecher ansprechen und bei Bedarf den Vorraum vernebeln“, sagt Schmidt. Weil Festsprengstoff effektiver ist als Gas und die Täter weniger Zeit für die Sprengung brauchen, gibt es mittlerweile Melder, die eine automatische Vernebelung des Raums auslösen, sobald sich ein Unbefugter dem Geldautomaten nähert. „Präventiv wirken nur der Nachtverschluss und die Sicherung des Foyers. Sie zielen darauf ab, die eigentliche Tat zu verhindern und damit größeren Schaden zu vermeiden“, betont Schmidt.

Wie hilfreich sind Systeme, die das Geld bei einer Sprengung einfärben?

Die Hersteller der Geldautomaten bieten verschiedene Systeme zur Einfärbung der Geldscheine an, sobald der Automat gesprengt wird. Weil gefärbtes Geld sofort auffällt, wird es für die Täter wertlos. „Das ist ein zusätzlicher Schutz. Die eigentliche Tat wird damit aber nicht verhindert, der Schaden ist dann schon da“, sagt Schmidt. Dennoch rät auch der R+V-Experte zum Einsatz von Farbsystemen, allerdings seien diese nur sinnvoll, wenn alle Standorte damit ausgerüstet sind. „Sonst verdränge ich die Täter nur und sie greifen eine andere Filiale an“, sagt Schmidt. Wie erfolgreich flächendeckende Sicherheitsmaßnahmen sein können, zeige das Beispiel der Niederlande. „Dort wurden alle Geldautomaten mit Farbsystemen ausgerüstet. Als Konsequenz haben sich die Angriffe nach Deutschland verlagert, weil bei uns die Sicherheitsmaßnahmen noch nicht durchgängig eingesetzt werden, vor allem Farbsysteme“, klagt Schmidt.

Viele Geldautomaten lassen sich mit solchen Systemen nachrüsten, aber nicht alle. Das hänge vom Hersteller und vom Alter des Geräts ab. Wichtig sei auch, jede einzelne Geldkassette in den Automaten mit dem Farbsystem auszustatten. „Es bringt nichts, nur die Kassette mit den Hundertern zu nehmen, weil die Scheine in den anderen Kassetten immer noch genügend Anreiz bieten, den Automaten zu sprengen“, sagt Schmidt. Wichtig sei auch, die Sicherheitsmaßnahmen nach dem Motto „Tue Gutes und spreche darüber“ breit zu kommunizieren, meint der R+V-Experte. „Die Bank kann zum Beispiel auf ihrer Webseite aufführen, dass alle ihre Geldautomaten mit Farbsystemen ausgerüstet sind.  Kriminelle informieren sich auch über das Internet und durchstöbern die Webseiten der Banken, wenn sie neue Ziele ausspähen.“ Außerdem sollten in den Filialen und den Geldautomaten selbst gut sichtbar Piktogramme angebracht werden, dass die Geräte besonders geschützt sind und die Täter mit dem Geld nichts anfangen können, meint Schmidt.

Was können die Banken tun, um die Geschäftsstellen als Ganzes zu schützen?

Die Auslagerung von Geldautomaten in einen Betonpavillon mit genügend Sicherheitsabstand zum nächsten Gebäude bietet eine gute Möglichkeit, die Umgebung zu schützen. „Das sind besonders stabile Rotunden mit extra Sicherheitseinrichtungen, die es mittlerweile aber auch in eckiger Ausführung gibt“, sagt Schmidt. Die Nutzer erreichen Tastatur und Geldausgabe über ein Fenster. Die Rotunde selbst ist nur für Mitarbeiter des Werttransportunternehmens zugänglich, die den Geldautomaten befüllen. Die Eingangstür ist besonders verstärkt, um die Täter möglichst lange vom Zutritt abzuhalten. Zusätzlich ist der Raum dahinter durch eine weitere Gittertür gesichert. So kann ihr die Druckwelle einer Explosion nur wenig anhaben. Durch die besonders stabile Bauweise und ihre Aufstellung außerhalb von Gebäuden beschränkt sich der Schaden in der Regel auf die Rotunde selbst. In letzter Konsequenz könne aber auch der Abbau eines Geldautomaten eine Option sein, sagt Schmidt. „Wenn ein Gerät kaum genutzt wird und die Kosten für die Sicherheitsvorkehrungen den Umsatz übersteigen, dann sollte das geprüft werden.“

Wie sollten die Banken bei der Überprüfung des Sicherheitskonzepts vorgehen?

Das Wichtigste ist laut Schmidt eine umfassende Gefährdungsanalyse aller Standorte. „Das bedeutet, die Bank schaut sich jede Betriebsstelle und jeden Geldautomaten an und analysiert zum Beispiel die Entfernung zur Autobahn und zur Polizei oder, wie zugänglich die Geräte für die Täter sind“, sagt der R+V-Experte. Teil der Analyse sei auch, die Sach- und Reputationsschäden abzuwägen, die bei einer Sprengung auf die Bank zukommen könnten. Besonders genau sollten die Institute prüfen, ob eine Explosion Menschen gefährden könnte, etwa Mitarbeiter, Passanten oder Hausbewohner. „In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Geldautomaten zu verlegen, zum Beispiel in eine Rotunde.“

Zur Prüfung gehöre immer auch eine Analyse der Geldflüsse. „Wenn an einem Standort innerhalb von 24 Stunden nur ein Dutzend Menschen Geld abhebt, dann sollte sich die Bank fragen, ob der Automat dort richtig steht“, sagt Schmidt. Eine Alternative, um die Geldversorgung vor Ort sicherzustellen, sind mobile Geldautomaten, bekannt als Zasterlaster. „Eine fahrbare Zweigstelle ist eine gute Option, wenn die Bank ein großes Geschäftsgebiet im ländlichen Raum betreut. Diese fahrbaren Zweigstellen verfügen dann häufig nicht nur über einen Geldautomaten, sondern auch über ein kleines Beratungszimmer, sodass die Bank vor Ort zu bestimmten Zeiten ihre ganz normalen Services anbieten kann“, sagt Schmidt.

Wie unterstützt die R+V die Banken bei der Überprüfung und Umsetzung der Maßnahmen?

Kontakt zur R+V und zur Allianz

Bayerische Volksbanken und Raiffeisenbanken, die mit Hilfe der R+V den Schutz ihrer Geldautomaten erhöhen wollen, finden die Kontaktdaten im GVB-Mitgliederportal. An selber Stelle finden sich auch die Kontaktdaten der Allianz, die bei ihr versicherte Banken ebenfalls dabei unterstützt, Geldautomaten besser gegen Angriffe zu schützen.

„Unsere Berater Prävention Banken helfen gerne weiter, wenn die Volksbanken und Raiffeisenbanken ihr Sicherheitskonzept für die Geldautomaten überprüfen und optimieren wollen“, sagt R+V-Experte Schmidt. Die Beraterinnen und Berater schauen sich bei Bedarf auch die Zweigstellen vor Ort an und geben Hinweise, was die Banken tun können, um die Sicherheit zu optimieren. Die R+V steht laut Schmidt auch mit den Herstellern von Geldautomaten und Einbruchmeldeanlagen sowie den Anbietern von Notruf- und Service-Leitstellen im Austausch. „Wir schauen uns zum Beispiel an, ob die Hersteller und Anbieter alle entsprechenden Normen erfüllen. Da hat sich eine Menge Know-how bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angesammelt, das wir gerne weitergeben“, sagt Schmidt. Dieser Service der R+V ist laut Schmidt exklusiv für die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Auf Wunsch der Bank schauen sich die Beraterinnen und Berater der R+V auch Tresorräume und Kundenschließfächer an und geben Tipps, wie das Sicherheitskonzept insgesamt optimiert werden kann. „Unsere Beratung geht sehr tief und umfasst alles, was mit dem Thema Sicherheit in der Bank zu tun hat“, sagt Schmidt.

Geldautomaten-Sprengungen: So unterstützt der GVB

Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) engagiert sich dafür, die Sicherheitslage für die bayerischen Kreditgenossenschaften zu verbessern und damit den Schadenaufwand zu reduzieren. In zwei runden Tischen mit dem Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) wurde die Vorgehensweise mit den Finanzinstituten und der Versicherungswirtschaft abgestimmt. Der GVB hat sich dabei als Vertreter der besonders betroffenen Regionalbanken intensiv eingebracht.

In Abstimmung mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) wurden die Mitgliedsbanken gebeten, sich an einer Gefahrenanalyse des BLKA zu beteiligen. Dazu hat der GVB in seinem Mitgliederportal umfassend informiert. Die Daten werden für eine umfängliche Risikoanalyse genutzt. Unter anderem wird eine Gefährdungslandkarte erstellt, die besonders exponierte und gefährdete Standorte identifiziert. Wie Täter vorgehen, zeigt anschaulich der Film des Bayerischen Landeskriminalamts, der ebenfalls im GVB-Mitgliederportal abzurufen ist.

Außerdem bietet der GVB gemeinsam mit der R+V Versicherung und dem BLKA Online-Informationsveranstaltungen an. Die kommende Veranstaltung für Schwaben sowie Ober-, Mittel- und Unterfranken findet am 24. Februar 2023 statt. Interessierte VR-Banken aus anderen GVB-Bezirken können sich gerne unter mitgliederbetreuung(at)gv-bayern.de anmelden.

Artikel lesen
Rat