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Vorsatzanfechtung gegenüber einem Treuhänder

Nach § 133 Insolvenzordnung (InsO) sind Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat. Voraussetzung ist, dass der „andere Teil“ (zum Beispiel ein Rechtsanwalt) zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Juristen sprechen dann von einer vorsätzlichen Benachteiligung.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. April 2012 (Az. IX ZR 74/11) können Zahlungen, die über einen zwischengeschalteten Treuhänder an Gläubiger des künftigen Insolvenzschuldners geleistet werden, ebenfalls vom Insolvenzverwalter nach § 133 Abs. 1 InsO als vorsätzliche Benachteiligung angefochten werden (Vorsatzanfechtung). Ein Treuhänder unterliegt dieser Vorsatzanfechtung, wenn er nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ihm überlassene Geldbeträge vereinbarungsgemäß an bestimmte, bevorzugt zu befriedigende Gläubiger des Schuldners weiterleitet.

Das ist etwa schon der Fall, wenn der zahlungsunfähige Schuldner einen Rechtsanwalt mit der Einziehung von Außenständen beauftragt und ihn anweist, eingehende Beträge direkt von seinem Rechtsanwalt-Anderkonto an ausgewählte Gläubiger auszuzahlen, während andere Gläubiger leer ausgehen. Der Treuhänder ist dann im Falle einer Vorsatzanfechtung gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger des Geldes zur Rückzahlung verpflichtet. Dabei kann sich der Treuhänder nicht erfolgversprechend darauf berufen, bloß als Zahlstelle tätig zu sein, wenn er Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz hatte. Von dieser Kenntnis geht die Insolvenzordnung nach § 133 Abs. 1 Satz 2 aus. Ebenso kann sich der Treuhänder nach dem BGH-Urteil nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.

Vorsatzanfechtung gegenüber einer Bank

Greift eine Bank in den Zahlungsverkehr des Kunden ein, kommt unter Umständen auch ihr gegenüber eine Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO in Frage. Vermittelt die Bank als kontoführende Stelle dagegen nur die Zahlung, reicht es für eine Vorsatzanfechtung nicht aus, dass sie die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt und von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung ausgehen muss (Urteil des BGH vom 24. Januar 2013, Az. IX ZR 11/122. Leitsatz).

Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners berechtigt ein Kreditinstitut im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens im Gegenteil nicht dazu, eingehende Zahlungsaufträge eines weiterhin verfügungsbefugten Schuldners zu verweigern. Vielmehr darf ein Zahlungsdienstleister gemäß § 675o Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Ausführung eines Auftrags nicht ablehnen, wenn die vertraglich vereinbarten Bedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt.

Mithin muss die Bank, sofern ein Guthaben oder eine offene Kreditlinie vorhanden sind, grundsätzlich das Geld überweisen, selbst wenn sie von einem Insolvenzantrag oder der Zahlungsunfähigkeit weiß. Erledigt die Schuldnerbank als Zahlstelle Aufträge des Schuldners lediglich zahlungstechnisch, kommt deshalb eine Vorsatzanfechtung ihr gegenüber auch bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners regelmäßig nicht in Betracht. Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch ein Kreditinstitut handelt es sich nämlich um alltägliche Geschäftsvorfälle, denen ein Wille des Überweisenden, seine Gläubiger zu benachteiligen, für die Bank regelmäßig nicht zu entnehmen ist.

Bei Sonderinteressen greift die Vorsatzanfechtung

Etwas anderes gilt, wenn die Bank nicht nur die Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden kennt, sondern Sonderinteressen verfolgt und dabei in eine von dem Schuldner angestrebte Gläubigerbenachteiligung eingebunden ist. Ein solches „kollusives Zusammenwirken“ unterliegt der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO. Der Begriff „Kollusion“ bezeichnet im juristischen Sprachgebrauch das Zusammenwirken von zwei Beteiligten mit der Absicht, einen Dritten zu schädigen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Bank nur ihr genehme Zahlungsaufträge des Schuldners zur Befriedigung einzelner von ihr bevorzugter Gläubiger ausführt. Gleiches gilt, wenn die Bank das Zahlungsverhalten mit dem Schuldner bei dessen drohender Zahlungsunfähigkeit abstimmt.

Der BGH hat auch kein Problem damit, wenn der Schuldner eine Kreditlinie überzieht und die Bank das duldet – es sei denn, die Duldung erfolgt allein deshalb, weil das Institut die Befriedigung eines bestimmten Zahlungsempfängers sicherstellen will. Unproblematisch soll auch sein, wenn eine Bank bei einer Überschreitung der Kontokorrentkreditlinie durch Lastschriftbelastungen diese nicht automatisiert, sondern auf konkrete Anweisung des Kunden zurückgibt – selbst wenn sich möglicherweise aufdrängt, dass der Schuldner durch die selektive Ausführung von Zahlungsaufträgen oder Genehmigung von Lastschriften einzelne Gläubiger bevorzugt.
 

Frank Pape ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht im Bereich Rechtsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern.

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