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Die zentralen Aussagen von Andreas Oehm

  • Die Überarbeitung des Weingesetzes könnte zu einem Meilenstein werden, da sich für die deutsche Weinbranche die historische Chance bietet, sich den Gegebenheiten in der Europäischen Union rasant anzunähern.
  • Aktuell ist es für Verbraucher im In- und Ausland teilweise sehr schwer zu erkennen, wie es um die Qualität des in Deutschland hergestellten Weins bestellt ist. Deshalb führt der Gesetzgeber das sogenannte romanische Weinbezeichnungsrecht mit einer Herkunftspyramide ein. Diese bietet dem Verbraucher beim Weinkauf eine klare Orientierung.
  • Die fränkischen Winzer sehen das neue Weingesetz als Chance, um die Region neu zu profilieren. Dazu schafft Franken die bisherigen Großlagen bis 2025 ab und ersetzt sie durch neue Bereiche, die sich an geografische und touristische Destinationen anpassen. Beispiele dafür sind Churfranken, Volkacher Mainschleife oder Abt-Degen-Weintal.
  • Die Winzergemeinschaft Franken eG (GWF) hat die „Vier Schoppen“-Linie eingeführt, um genau die Mengen und Qualitäten zu produzieren, welche der Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie fordern.

Herr Oehm, Deutschland bekommt in Kürze ein neues Weingesetz. Ein richtiger Schritt?

Andreas Oehm: Das neue Weingesetz könnte ein Meilenstein für uns Winzer werden. Ich habe das Gefühl, dass der Veränderungsprozess in der Weinbranche derzeit größer ist, als es den einzelnen Akteuren bewusst ist. Wir haben die historische Chance, uns mit einer rasanten Geschwindigkeit den Gegebenheiten in der Europäischen Union anzunähern. Denn man darf nicht vergessen: Bereits 2008 hat die EU ein harmonisiertes Weinrecht verabschiedet, welches in Deutschland lange Zeit ignoriert worden ist.


Was ändert sich konkret für die Winzer?

Oehm: Dazu müssen wir zunächst einen Blick auf die aktuelle Situation werfen. Derzeit gilt das Weinrecht von 1971. Darin hat der Gesetzgeber zwei wesentliche Punkte festgehalten. Erstens: Die Güteklassen für Wein bestimmen sich nach Öchslegraden, also dem Zuckergehalt des Mosts. Zweitens wurden damals die Weinlagen radikal zusammengelegt. In der Praxis entstand häufig aus zehn bis zwölf Einzellagen oder Gemarkungen je eine neue Großlage. Und bei der Namensgebung hat man den Namen der besten Einzellage für die gesamte Lage verwendet. Für viele Verbraucher ist es deshalb bis heute schwer zu erkennen, wie es um die Qualität eines Weins bestellt ist. Das hat zu viel Unzufriedenheit geführt.

„Je enger die Herkunft umrissen ist, desto höher sind die Anforderungen und damit die Qualität.“

Wie soll das neue Weingesetz diesen Missstand beheben?

Oehm: Dazu führt der Gesetzgeber das sogenannte romanische Weinbezeichnungsrecht ein, das sich in Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien bewährt hat. Der Grundsatz: Je enger die Herkunft umrissen ist, desto höher sind die Anforderungen und damit die Qualität. Damit haben die Verbraucher beim Kauf eine klare Orientierung, was sie erwartet.
 

Der Gesetzgeber führt dazu eine Herkunftspyramide mit mehreren Stufen ein…

Oehm: Genau. Auf der untersten Stufe befinden sich Weine „ohne geschützte Herkunft“. Das ist Wein aus Deutschland, der nur Mindestanforderungen erfüllen muss, beispielsweise, dass er gesundheitlich unbedenklich ist. Die zweite Stufe gibt es für Weine mit „geschützter geographischer Angabe“, also Landweine. Und auf der dritten Stufe stehen Weine mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ nach EU-Recht. Die Eingruppierung auf dieser Ebene garantiert den Verbrauchern, dass die Weine eine 100-prozentig geprüfte Qualität vorweisen und aus einem Anbaugebiet, also beispielsweise Franken, der Mosel oder Rheinhessen stammen. Innerhalb der „geschützten Ursprungsbezeichnung“ ist es möglich, den Wein weiter zu spezifizieren.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Oehm: Es gibt vier Parameter, mit denen die Produzenten die Herkunft des Weins verdeutlichen können. Erstens das Anbaugebiet, zum Beispiel Franken. Als zweites folgt die Region, etwa die Volkacher Mainschleife. Drittes Merkmal ist der Ort, beispielsweise Escherndorf. Der vierte Parameter ist dann die konkrete Lage, das kann der Escherndorfer Lump oder – noch genauer – die Escherndorfer Eulengrube sein. Mithilfe dieser Klassifizierung kann der Verbraucher sehr gut einschätzen, welche Qualität ihn im Glas erwartet.
 

Was ändert sich für die Weinbauregion Franken?

Oehm: Im Fränkischen Weinbauverband beschäftigen wir uns seit Jahren mit dem Thema und haben bereits intensive Vorarbeiten geleistet – nicht nur im Präsidium, sondern auch im Dialog mit den Winzern. Ziel ist es, Weinfranken noch stärker zu profilieren. Dazu haben wir Szenarien erarbeitet, wie wir den Übergang zum neuen Weinrecht gestalten. Konkret schaffen wir die Großlagen bis 2025 ab und führen stattdessen neue Bereiche ein. Dabei müssen wir sehr behutsam vorgehen, denn Großlagen wie der Volkacher Kirchberg oder der Randersackerer Ewig Leben sind bei den Verbrauchern tief verankert und haben quasi Marken-Charakter.
 

Wie sehen die neuen Bereiche aus?

Oehm: Dazu haben wir die Weinanbaugebiete neu strukturiert und die Bezeichnung an geografische und touristische Destinationen angepasst. Schließlich bilden Wein und Tourismus in Franken eine Symbiose. Beispiele für die Bereiche sind etwa Churfranken, ein Gebiet zwischen Odenwald und Spessart, die Volkacher Mainschleife oder das Abt-Degen-Weintal im Landkreis Haßberge. Die Namen sind teilweise erst in diesem Prozess entstanden und werden nun von den örtlichen Tourismusorganisationen mit Leben gefüllt. Das ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass wir in Franken an einem Strang ziehen.

Welche Auswirkungen hat das neue Weingesetz auf die Winzergemeinschaft Franken eG?

Oehm: Wir werden unseren Vertrieb anpassen. Der vehementeste Eingriff ist, dass wir Wein aus Einzel- sowie Großlagen nicht mehr in der Literflasche anbieten können. Dem Verbraucher muss bewusst sein, dass er eine andere Preiskategorie aufrufen muss, wenn er einen Wein aus einer eng umrissenen geographischen Herkunft wie beispielsweise dem Escherndorfer Lump beziehen möchte. Auch für die Mitgliedswinzer, die aus rund 120 Weinbaugemeinden stammen, ist das eine große Umstellung: Schließlich hat jede Gemeinde ein eigenes Weinfest und der Schoppen kommt traditionell aus dem Ort. Das wird es in dieser Form in Zukunft nicht mehr geben.

„Wir müssen die Mengen und Qualitäten produzieren, welche der Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie fordern.“

Was bieten Sie als Alternative an?

Oehm: Wir haben eine neue Linie eingeführt, die „Vier Schoppen“. Der Name bezieht sich auf die Maßeinheit Schoppen, also ein Viertelliter Wein. Aus einer Liter-Flasche bekommt man also vier Fränkische Schoppen. Die Linie ist ein Botschafter der fränkischen Lebensart und steht sinnbildlich für das lebendige Winzerhandwerk, unsere Heimat und höchsten Genuss. Mit den „Vier Schoppen“ positionieren wir die Dachmarke GWF noch stärker bei den Verbrauchern. Zudem können wir Synergien in der Produktion heben: Vorher haben wir 160 verschiedene Liter-Flaschen abgefüllt, in Zukunft gibt es in der „Vier-Schoppen“-Linie nur noch rund zehn Liter-Flaschen. Natürlich ist uns bewusst, dass viele Winzer gerne ihre gewohnten Liter-Flaschen beibehalten hätten. Aber wir müssen auch an den nationalen und internationalen Weinmarkt denken – und deshalb genau die Mengen und Qualitäten produzieren, welche der Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie fordern.
 

Ein Ziel des neuen Weingesetzes ist es, den deutschen Wein international wettbewerbsfähiger zu machen. Erwarten Sie, dass die neue Herkunftspyramide das Exportgeschäft ankurbelt?

Oehm: Deutscher Wein ist im Ausland sehr bekannt – nur leider unter den Schlagworten „Cheap“ und „Sweet“. Der Sündenfall war sicherlich die Liebfrauenmilch, ein lieblicher Qualitätswein, der abgefüllt in Großflaschen oder Getränkekartons billig im Ausland verramscht wurde. Im Nachhinein ist es natürlich ein Stück weit unfair, so etwas zu bewerten, aber der Ruf des deutschen Weißweins hat wegen der Liebfrauenmilch schon gelitten. Auch das bereits angesprochene Bezeichnungssystem hat es den Kunden im Ausland nicht gerade leicht gemacht, Gefallen an unserem Wein zu finden. Mit dem neuen Weingesetz haben wir nun die Chance, uns neu zu profilieren.
 

Dabei hilft sicherlich, dass Wein aus Franken nun unter das EU-weit einheitliche Kennzeichen „geschützte Ursprungsbezeichnung“ fällt?

Oehm: Exakt. Damit können wir in Franken etwa festlegen, mit welchen Gebinden und Geschmacksrichtungen wir uns am Markt positionieren. In diesem Rahmen fordern wir an zwei Stellen Nachbesserungen an der Gesetzesnovelle und der entsprechenden Verordnung. Erstens: Die EU gibt vor, dass die Branche selbst definiert, wie sie sich am Markt aufstellt. Dort möchte der deutsche Gesetzgeber eingreifen und beispielsweise genaue Vorgaben zu Rebsorten oder Vermarktungszeiträumen machen. Wir möchten aber nicht in eine Schablone gepresst werden, sondern frei entscheiden können. Zweitens: In Zukunft soll noch mehr Geld aus der EU in einen allgemeinen Topf zur Absatzförderung des deutschen Weins fließen. Davon profitieren wir aber nicht, weil im Ausland vor allem Rebsorten wie der Riesling oder der Spätburgunder beworben werden. Es gibt sogar einen Mehrheitsbeschluss des Deutschen Weinbauverbands, der besagt, dass das Geld der EU komplett den Regionen zur Verfügung gestellt werden soll und nicht teilweise in den allgemeinen Weinfonds fließen soll. Wir hoffen, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle nachbessert.

Das neue Weingesetz soll im Dezember 2020 verabschiedet und in der Praxis voraussichtlich 2024 oder 2025 in Kraft treten. Welche Maßnahmen planen die Fränkischen Weinbauer in der Zwischenzeit, um von den neuen Regeln zu profitieren?

Oehm: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, das Konzept liegt in der Schublade. Unsere beiden zentralen Aufgaben für die nächste Zeit sind es, einerseits die Maßnahmen konsequent umzusetzen sowie andererseits die neue Ausrichtung verständlich zu kommunizieren. Beim Direkt-Vertrieb vor Ort und in den Vinotheken mache ich mir keine Sorgen, dass wir die Verbraucher erreichen. Die neue Ausrichtung im Supermarkt zu platzieren, ist indes eine große Herausforderung. Dennoch sind wir optimistisch, dass wir die Menschen mit unserem Angebot überzeugen und Weinfranken neu profilieren.
 

Herr Oehm, vielen Dank für das Gespräch!

Winzer erwarten schwache Ernte

Bereits die vergangenen Weinlese war nicht gut: 2019 hatte Franken die kleinste Weinernte seit Jahrzehnten zu beklagen. Die Erwartungen an die diesjährige Lese, die am 10. September starten soll, sind ebenfalls gering: Frostschäden im Mai (lesen Sie dazu den Beitrag in der Juni-Ausgabe von „Profil“) sowie ein trockener Sommer haben schwere Schäden in den fränkischen Weinbergen hinterlassen. „Wir werden uns sehr anstrengen müssen, alle unsere Großkunden zu bedienen. Gerade im Einzelhandel ist es essentiell, dass wir mit unseren Weinen im Sortiment präsent bleiben“, betont Andreas Oehm.

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