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Die wichtigsten Aussagen von Hans Joachim Reinke

  • Trotz der gestiegenen Volatilität an den Kapitalmärkten in Zeiten von Corona hat ein Großteil der Anleger besonnen reagiert und an ihren Sparplänen festgehalten.
  • Das Geschäft von Union Investment läuft operativ stabil, im ersten Halbjahr 2020 flossen Nettomittel in Höhe von 4,3 Milliarden Euro zu.
  • Für die positive Stimmung an den Aktienmärkten gibt es einige Gründe: Unter anderem meldet eine beachtliche Zahl von Unternehmen weiter Gewinne und die großen US-Technologiekonzerne profitieren sogar von der Krise.
  • Immer mehr Privatkunden setzen auf Nachhaltigkeitsfonds, jeder zweite Euro des Neugeschäfts floss im ersten Halbjahr 2020 in entsprechende Produkte. Auch beim Abstimmungsverhalten und bei Wortbeiträgen auf den Jahreshauptversammlungen der DAX-Konzerne legt Union Investment einen Schwerpunkt auf das Thema Nachhaltigkeit.

Herr Reinke, das Auf und Ab an den Aktienmärkten scheint die Anleger in Deutschland kaum zu beeindrucken: Die große Mehrheit ändert ihr Anlageverhalten auch in Zeiten von Corona nicht, wie Union Investment bei einer Haushaltsbefragung herausgefunden hat. Haben Sie eine Erklärung für das Verhalten? Die Deutschen gelten ja nicht gerade als Volk der Aktionäre…

Hans Joachim Reinke: Es stimmt, insgesamt nehmen wir bei unseren Kunden keine Beunruhigung wahr. Im Gegenteil: Der Großteil hat trotz der gestiegenen Volatilität an den Kapitalmärkten besonnen reagiert. Die Anleger haben verstanden, dass vorübergehende Kursrückgänge keine Verluste nach sich ziehen müssen. Offensichtlich sind wir bei der Evolution des Sparens doch einen Schritt weiter als angenommen. Die Standhaftigkeit, mit der die Anleger auch während der zurückliegenden Wochen an ihren Sparplänen festgehalten haben, stimmt uns mit Blick nach vorne positiv. Dabei spielen die Berater in den Volksbanken und Raiffeisenbanken übrigens eine wichtige Rolle, denn sie standen ihren Kunden in diesen unruhigen Zeiten zur Seite. Egal ob per Video, Telefon oder Chat: Beratung ist ein nicht zu unterschätzender Baustein des Erfolgs im genossenschaftlichen Fondsgeschäft.

„Beratung ist ein nicht zu unterschätzender Baustein des Erfolgs im genossenschaftlichen Fondsgeschäft.“

Lohnt es sich, trotz der Kursschwankungen weiter in Aktienfonds zu investieren?

Reinke: Mit einem breit diversifizierten Aktienfonds können Anleger die Chancen der Aktienmärkte nutzen – auch in Zeiten starker Kursschwankungen. Wenn man den Aktienmarkt über eine längere Zeit betrachtet, dann wird schnell klar, dass es zwar immer mal wieder Krisen gegeben hat, die einen mitunter heftigen Kursverlust ausgelöst haben. Letztlich machen sich diese Einbrüche langfristig aber kaum bemerkbar, da sie stets wieder aufgeholt wurden. Als Beispiel dafür kann ich unseren Fonds UniGlobal nennen, der weltweit in Aktien investiert. In der Corona-Krise hat das Fondsmanagement um meinen Kollegen Marc Hellingrath unser 6,72 Milliarden Euro schweres Flaggschiff souverän gesteuert. Gemessen am Anteilspreis im Januar dieses Jahres, also vor der Corona-Krise, konnte der Fonds um gut 27 Prozent zulegen und damit sowohl seine Benchmark als auch seine Wettbewerber distanzieren.
 

Wie ist das Geschäft von Union Investment im ersten Halbjahr 2020 vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen gelaufen?

Reinke: Wir konnten das erste Halbjahr 2020 mit einem positiven Neumittelaufkommen beenden. So flossen im ersten Halbjahr Nettomittel in Höhe von insgesamt 4,3 Milliarden Euro zu. Das verwaltete Vermögen belief sich per Ende Juni 2020 auf 359,8 Milliarden Euro. Der Lockdown spiegelt sich in der Entwicklung der „Assets under Management“ und dem Neugeschäft im Vergleich zu den Vorjahren wider. Wir sind jedoch insbesondere wegen des starken Privatkundengeschäfts gut durch diese schwierige Phase gekommen. Es ist uns gelungen, beim Mittelaufkommen besser als erwartet abzuschneiden und dadurch unsere Marktposition trotz Corona weiter zu festigen.

Wo lag der Fokus der Anleger, welche Trends können Sie feststellen?

Reinke: Das Privatkundengeschäft erwies sich als tragende Säule des Neugeschäfts. Nachgefragt wurden vor allem Aktienfonds (1,8 Milliarden Euro), Mischfonds (1,8 Milliarden Euro) und offene Immobilienfonds (1,2 Milliarden Euro). Einen immer größeren Zuspruch finden Nachhaltigkeitslösungen bei Privatkunden. Jeder zweite Euro des Neugeschäfts floss im ersten Halbjahr 2020 in Nachhaltigkeitsfonds. Insgesamt erhöhten sich innerhalb eines Jahres die nachhaltigen Assets im Privatkundengeschäft auf 9,2 Milliarden Euro. Das Thema Nachhaltigkeit ist endgültig auch bei den Privatkunden angekommen. Für rund ein Drittel von ihnen ist Nachhaltigkeit nach Einschätzung von Bankberatern heute ein Grund, sich für Fonds zu entscheiden. Als Rückgrat des Neugeschäfts mit Privatkunden erweisen sich einmal mehr die Fondssparpläne. Ihre Zahl stieg selbst auf dem Höhepunkt der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Märkte im März 2020 weiter an. So wurden im ersten Halbjahr 232.000 neue Sparverträge netto abgeschlossen und damit deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum. Die durchschnittliche monatliche Sparrate aller Sparpläne beträgt 161 Euro. Bei den im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossenen Sparplänen liegt sie sogar bei 260 Euro.

„Die Chancen, dass wir weiter profitabel wachsen werden, sind größer als die Risiken.“

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie für das Gesamtjahr 2020 – auch im Vergleich zu 2019, in dem sie mit einem Neugeschäft von 19,4 Milliarden Euro eines der absatzstärksten Jahre in der Unternehmensgeschichte von Union Investment feiern konnten?

Reinke: Corona hinterlässt Spuren, aber Union Investment ist operativ stabil und weiter auf einem Wachstumspfad. Wir sind mit dem Geschäftsverlauf unter diesen Vorzeichen sehr zufrieden. Aus den Trends lässt sich ein erhöhtes Potenzial für die Fondsanlage ableiten. Die Chancen, dass wir weiter profitabel wachsen werden, sind größer als die Risiken. Das stärkt die Bedeutung des Fondsgeschäfts für die bayerischen Genossenschaftsbanken. Die Ertragsseite der Banken über einen Ausbau des Provisionsgeschäfts zu stärken, ist nicht neu, aber weiterhin entscheidend und mit hohem Potenzial für die Gewinn- und Verlustrechnung der Banken. Diese strategische Weichenstellung wird schon seit Jahren als Lösung gesehen, um sinkende Erträge an anderer Stelle zumindest ein gutes Stück weit auszugleichen.
 

Die Aktienkurse sind zuletzt gestiegen, doch die Realwirtschaft befindet sich nach wie vor in einer schwierigen Situation. Für den Herbst erwarten Experten gar eine Insolvenzwelle mit drastischen Folgen für Konjunktur und Arbeitsmarkt. Wie sollten sich Anleger in diesem Marktumfeld verhalten?

Reinke: Ungeachtet aller Nachrichten aus den Volkswirtschaften gibt es durchaus Gründe für die positive Stimmung am Aktienmarkt: Eine beachtliche Zahl von Unternehmen meldet weiter Gewinne und seit Kurzem auch wieder steigende Umsätze. Das gilt vor allem für die großen US-Technologiekonzerne, die in der Krise profitiert haben. Auch wenn es aller Wahrscheinlichkeit nach kurzfristig turbulent bleiben könnte: Vieles spricht nach Ansicht unseres Portfoliomanagements dafür, dass sich die Kurse mittel- bis langfristig erholen. In solchen Zeiten kann das Prinzip des Fondssparplans durch seine Kontinuität besonders vorteilhaft sein. Zum einen sorgt ein Fondssparplan dafür, dass Anleger auch dann Aktien oder andere Wertpapiere erwerben, wenn die Preise günstig sind. Ein Blick auf die Kursverläufe der letzten Jahrzehnte zeigt zudem: Jede Krise brachte nach Phasen des Abschwungs auch Phasen der Erholung mit sich und damit Gelegenheiten, an steigenden Kursen teilzuhaben.

In den vergangenen Wochen und Monaten hat Union Investment viele DAX-Unternehmen auf deren Jahreshauptversammlungen öffentlich auf Probleme hingewiesen. Unter anderem haben Sie Vorstand und Aufsichtsrat von Daimler nicht entlastet. Über die Kritik haben zahlreiche Medien wie die FAZ oder das Handelsblatt berichtet. Mit welchem Selbstverständnis tritt Union Investment bei solchen Veranstaltungen auf?

Reinke: Mit dem Selbstverständnis, im Sinne unserer Anleger als aktiver Aktionär zu agieren. Die Speerspitze unseres aktiven Engagements sind dabei die Reden auf den Hauptversammlungen. Die Saison 2020 steht natürlich ganz erheblich im Zeichen von Corona. Dennoch haben die bisherigen Aktionärstreffen sehr deutlich gezeigt, dass die ESG-Aspekte Umwelt, Soziales und nachhaltige Unternehmensführung weiter auf der Agenda bleiben und die inhaltlichen Schwerpunkte bildeten. Daher haben wir auch in dieser Saison bei den Hauptversammlungen durch unser Abstimmungsverhalten und unsere Wortbeiträge einen Schwerpunkt auf das Thema Nachhaltigkeit gelegt – unter anderem bei Daimler. Das Flaggschiff der deutschen Automobilindustrie ist bei den Flottenemissionen derzeit leider Schlusslicht in Europa und muss sich sehr anstrengen, um die Klimavorgaben der EU zu erreichen.
 

Zusätzlich führen Sie jährlich rund 4.000 Gespräche mit Unternehmen. Inwieweit kommt beides den Anlegern zugute, die ihr Geld über die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Fonds von Union Investment anlegen?

Reinke: Als Fondsgesellschaft haben wir ein Interesse am Erfolg der Unternehmen, in die wir für unsere Kunden investieren. Um diesen zu gewährleisten, haben wir die Aufgabe, die Prozesse in Aktiengesellschaften kritisch zu hinterfragen. Nicht weil wir den Unternehmen nicht trauen. Sondern weil unsere Anleger zu Recht erwarten, dass ihr Geld in Unternehmen fließt, die nach dem Prinzip des ehrbaren Kaufmanns agieren.

Der Skandal um die Bilanzmanipulationen beim DAX-Unternehmen Wirecard schlägt nach wie vor hohe Wellen. Inwieweit ist die Entwicklung ein Schlag für die Aktienkultur in Deutschland? Und was raten Sie denjenigen, die möglicherweise wegen Wirecard vor einem Investment in Aktien zurückschrecken?

Reinke: Anders als seinerzeit die Telekom hat Wirecard nie den Status einer sogenannten Volksaktie besessen. Dieses Einzelereignis macht aber wieder einmal deutlich, wie wichtig Diversifikation ist – gerade für Kleinsparer. Daher müssen wir unseren Anlegern intelligente und passgenaue Lösungen bieten. Dies gelingt uns in Zusammenarbeit mit den Genossenschaftsbanken sehr gut. Dabei sind die dezentrale Aufstellung und der persönliche Kontakt mit Experten vor Ort der Schlüssel für den Erfolg der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Sparer wünschen sich einen Partner an ihrer Seite, dem sie vertrauen können, der ihnen gerade in Krisenzeiten Rede und Antwort steht. Das können die Volksbanken und Raiffeisenbanken mit ihrer Nähe vor Ort. Wenn es uns gelingt, diese Stärke weiter auszuspielen, bleiben wir für die Menschen vor Ort weiterhin ein nutzenstiftender und regionaler Partner – und zwar unabhängig von den Entwicklungen auf der Welt.
 

Herr Reinke, vielen Dank für das Gespräch!

Hans Joachim Reinke ist seit Juli 2010 Vorstandsvorsitzender von Union Investment. Er ist zuständig für Strategie und Steuerung der gesamten Union Investment Gruppe. Bereits im Januar 2004 wurde Reinke Mitglied des Vorstands der Union Asset Management Holding AG und verantwortet seitdem insbesondere das Privatkundengeschäft von Union Investment.

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