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Die Europäische Kommission zu den Zielen der MiFID II „Quick Fixes“:

 „Die Europäische Kommission hat (…) ein Maßnahmenpaket für die Erholung der Kapitalmärkte verabschiedet, das Teil ihrer umfassenden Strategie zur Bewältigung der COVID-19-Krise ist. Am 28. April hatte die Kommission bereits ein Bankenpaket vorgeschlagen, um die Kreditvergabe von Banken an Haushalte und Unternehmen in der gesamten EU zu erleichtern. Dank der heute beschlossenen Maßnahmen sollen europäische Unternehmen bei der Überwindung der Krise auf einfachere Weise durch die Kapitalmärkte unterstützt werden können.“

Dazu meine ich: „Nach den EU-Bankenregeln passt die EU krisenbedingt auch ihr Regelwerk für die Kapitalmärkte an. Das ist absolut folgerichtig: Insbesondere die Anpassung der EU-Richtlinie für Finanzmärkte, der sogenannten MiFID, ist überfällig. Denn die dort festgehaltenen bürokratischen Vorgaben haben Banken und ihre Kunden in ein regulatorisches Korsett gezwängt, das für die derzeitige wirtschaftliche Gesamtlage nicht geeignet ist. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass oftmals schnelles Handeln erforderlich ist, um massive Schäden für die Realwirtschaft abzuwenden. Daher bedarf es einem flexiblen regulatorischen Rahmen, um bestmöglich unterstützen zu können.

Seit dem Inkrafttreten der MiFID II im Januar 2018 war es vor allem für Privatanleger aufwendiger geworden, am Kapitalmarkt zu partizipieren sowie schnell und unbürokratisch Wertpapiere zu handeln. Dabei waren einige Regeln aus Anlegersicht weder sinnvoll noch geboten. Statt einem besseren Schutz wurde neue Bürokratie geschaffen. Durch die jetzt geplante Reform haben sie die Möglichkeit, wieder leichter auf Kapitalmarktprodukte zurückzugreifen.

Auch bei Banken mit Wertpapiergeschäft haben die MiFID-Vorschriften zu massiven Zusatzkosten geführt. Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum geht von Gesamtkosten, die durch die Einführung und Umsetzung der Kapitalmarktrichtlinien entstanden sind, von alleine 6 Milliarden Euro in Deutschland aus. Folgekosten sind dabei noch nicht eingerechnet. Eine Entbürokratisierung der Regeln kommt daher auch den Banken zugute.“

Die Europäische Kommission will Erleichterungen für Anleger schaffen:

„Die Kommission schlägt heute vor, mit einigen gezielten Änderungen an den Anforderungen der MiFID II den Verwaltungsaufwand für erfahrene Anleger im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen teils zu verringern. Weniger erfahrene Anleger (wie Haushalte, die ihre Ersparnisse für den Ruhestand investieren) bleiben genauso geschützt wie zuvor. (…) Die Neuausrichtung der Anforderungen sorgt für ein hohes Maß an Transparenz gegenüber den Kunden und zugleich für die höchsten Schutzstandards und akzeptable Befolgungskosten für europäische Unternehmen.“

Dazu meine ich: „Aus Sicht der Banken und ihrer Kunden ist vor allem zu begrüßen, dass die EU-Kommission mit dem vorliegenden Gesetzespaket die Informationspflichten lockern möchte. Erleichterungen soll es unter anderem beim telefonischen Wertpapierhandel geben. Das ist dringend nötig, denn bisher müssen Kunden vor dem Geschäftsabschluss eine Kosteninformation erhalten. Das bedeutet in der Praxis: Will ein Kunde ein Wertpapier kaufen oder veräußern, muss ihm der Berater vorab eine umfangreiche Kostenaufstellung zuschicken. Hat der Kunde kein digitales Postfach, erhält er die Informationen erst am nächsten oder gar übernächsten Tag per Post. Erst dann kann er den Handel abschließen. In Zeiten mit starken Marktbewegungen, wie sie beispielsweise aktuell während der Corona-Pandemie vermehrt auftreten, ist dieses Vorgehen nicht zeitgemäß und sorgt verständlicherweise für Frustration bei den Kunden. Mit dem vorliegenden Gesetzpaket will die EU-Kommission diesen Missstand korrigieren: In Zukunft reicht es aus, wenn die Kunden auf Wunsch die Kostenaufstellungen erst nach dem Handel erhalten. Damit können sich Banken sowie Kunden auf eine passende Beratung und im Zweifel einen zügigen Geschäftsabschluss ohne lange Vorlaufzeiten konzentrieren.

Weitere Anpassungen an der MiFID sind ebenfalls erfreulich. So sollen Privatanleger künftig wieder einfache Unternehmensanleihen kaufen können, bei denen der Emittent die Anleihe vor Ablauf kündigen und zurückzahlen kann (sogenannte Make-Whole-Klausel). Für Banken war es häufig nicht mehr möglich, solche herkömmlichen Anleihen an die Kunden zu verkaufen. Der Grund: Viele Emittenten scheuen den Aufwand, um die gesetzlichen Anforderungen der MiFID zu erfüllen. Diese Pflicht soll nun entfallen. Privatanleger erhalten damit wieder Zugang zu einem breiten Angebot an festverzinslichen Anleihen, welches vor allem in Niedrigzinszeiten attraktiv ist. Der gewohnt hohe Schutz der Anleger bleibt bestehen.“

Die Europäische Kommission möchte Chancen für Anleger schaffen:

„Die Änderungen beziehen sich auf eine Reihe von Anforderungen, bei denen bereits im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur MiFID und zur Finanzmarktverordnung (MiFIR) festgestellt wurden, dass sie viel zu aufwendig sind oder die Entwicklung der europäischen Märkte behindern. Angesichts der derzeitigen Krise ist es wichtiger denn je, unnötige Belastungen zu verringern und Chancen für neu entstehende Märkte zu schaffen.“

Dazu meine ich: „Mit den vorgeschlagenen Erleichterungen ist ein Schritt in die richtige Richtung getan. Allerdings sollte dies nur die erste Stufe sein. In der Praxis gibt es viele ungelöste Probleme mit der MiFID, auf die der Genossenschaftsverband Bayern erst jüngst bei einer öffentlichen Konsultation hingewiesen hat.

Ein oftmals großes Ärgernis für die Kunden ist beispielweise die Vorgabe, die die Banken zur Aufzeichnung des Beratungsgesprächs am Telefon verpflichtet. Von dieser Aufzeichnungspflicht kann der Kunde seinen Berater auch auf ausdrücklichen Wunsch nicht entbinden. Das führt immer wieder zu Abbrüchen oder großen Ärgernissen, da Kunden sich stark bevormundet fühlen. Auch sind Banken immer noch dazu verpflichtet, bei sich wiederholenden Orders identische Kosteninformationen zur Verfügung zu stellen. Viele Kunden sind dadurch verstimmt. Für diese praxisferne Vorschrift braucht es endlich eine Klarstellung des EU-Gesetzgebers.

Möglichkeit für Korrekturen gibt es schon in naher Zukunft: Noch dieses Jahr will die EU-Kommissionen einen Vorschlag für eine grundsätzliche Überarbeitung der MiFiD II vorlegen. Diese Chance sollte der Gesetzgeber nutzen, um die Regeln neu aufzustellen.“
 

Dr. Jürgen Gros ist Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB). Er twittert als @JGros_GVB und ist Mitglied des Netzwerks LinkedIn.

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