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Professor Andreas Martin, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung: Ältere Menschen können die gleichen Dinge lernen wie jüngere

Wie helfen Weiterbildung und lebenslanges Lernen gegen den Fachkräftemangel? Andreas Martin, Leiter der Abteilung „System und Politik“ am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung/Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen in Bonn und Professor für Bildungswissenschaften an der Fernuniversität in Hagen, nennt drei Mechanismen:

  • Erstens lässt sich durch Weiterbildung ungenutztes Fachkräftepotenzial heben. Werden Menschen, die bisher nicht im Beruf stehen, entsprechend qualifiziert, stehen sie dem Arbeitsmarkt für Fachtätigkeiten zur Verfügung. „Das betrifft vor allem Migrantinnen und Migranten, aber auch Frauen, die teilweise noch nicht in dem Umfang erwerbstätig sind wie Männer“, sagt Martin.
  • Zweitens hilft Weiterbildung auch indirekt gegen den Fachkräftemangel. „Es geht nicht nur darum, durch entsprechende Qualifizierungen Lücken bei den Fachkräften zu schließen, sondern dafür zu sorgen, dass Lücken gar nicht erst entstehen“, sagt Martin. Wenn ein Unternehmen Mitarbeitende halten wolle, dann sei es wichtig, durch kontinuierliche Weiterbildung deren Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. „Schafft ein Unternehmen durch Weiterbildungsangebote Perspektiven für seine Mitarbeitenden, dann ist das ein wichtiger Faktor, um sie zu halten.“
  • Und drittens können Unternehmen durch Weiterbildungen Innovationen und moderne Technologien in das Unternehmen holen, zum Beispiel auf Kongressen. „Das ist die Grundidee der beruflichen und betrieblichen Weiterbildung. Sie erhöht das Humankapital und damit die Produktivität. So können Unternehmen unter Umständen mit dem gleichen Personal mehr produzieren oder mehr Dienstleistungen erbringen und auf diese Weise indirekt dem Fachkräftemangel begegnen“, sagt Martin.

Lebenslanges Lernen sei heute eine Notwendigkeit, mahnt der Professor. Interessanterweise sei der Begriff nicht von der Wissenschaft erfunden worden, sondern von internationalen Institutionen wie der Weltbank oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die damit auf die Dringlichkeit permanenter Bildung aufmerksam machen wollten. „Durch den schnellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Wandel ist es unausweichlich geworden, dass Menschen auch im Erwachsenenalter lernen, um mit der Entwicklung Schritt zu halten“, sagt Martin.

Das Problem sei, dass der gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Wandel heute wesentlich schneller verlaufe als die Generationenfolge. „Das heißt, Unternehmen können Veränderungen nicht mehr aussitzen und es der nächsten Generation überlassen, sich anzupassen. Dafür ist die Dynamik in modernen Wissensgesellschaften viel zu hoch“, mahnt Martin. Durch den internationalen Wettbewerb stünden Unternehmen unter ständigem Innovationsdruck. „Deshalb ist es fundamental, die Mitarbeitenden gezielt weiterzubilden, um das Wissen und damit die Produktivität im Unternehmen zu halten“, sagt Martin. Aber auch für die Mitarbeitenden habe sich die Bedeutung von Weiterbildung gewandelt. „Früher war das vor allem ein Aufstiegsmechanismus. Wer sich viel Fachwissen angeeignet hat, konnte schnell im Unternehmen aufsteigen. Heute besteht der persönliche Nutzen von Weiterbildung eher darin, nicht abzusteigen. Es geht nicht mehr darum, Status zu erwerben, sondern ihn zu halten und beschäftigungsfähig zu bleiben“, erklärt Martin.

„Ältere Menschen können die gleichen Probleme lösen und die gleichen Dinge lernen wie jüngere.“

Professor Andreas Martin

Der Professor räumt auch gleich mit einem Vorurteil auf. Der Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, sei falsch. „Erwachsene lernen genauso gut, das zeigt die Forschung ganz deutlich. Ältere Menschen können die gleichen Probleme lösen und die gleichen Dinge lernen wie jüngere“, betont Martin. Deshalb lohne es sich für Unternehmen immer, in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Die einzige Veränderung sei, dass ältere Erwachsene möglicherweise mehr Zeit brauchen, um vergleichbare Aufgaben zu lösen. „Das ist aber nicht gravierend. Kognitive Einbrüche kommen erst in einem sehr hohen Alter weit jenseits der Rentengrenze, wo es für Unternehmen nicht mehr relevant ist“, sagt Martin.

Was sich allerdings ändere, sei die Art des Lernens. „Man kann Erwachsene nicht die Schulbank drücken lassen, wie man das bei Kindern macht“, sagt Martin. Bei Erwachsenen sei lebenslanges Lernen ein viel stärker selbstgesteuerter Prozess. Das sei ein wichtiger Punkt für Unternehmen, um Mitarbeitende zum Lernen zu motivieren. Weiterbildung habe im Erwachsenenalter keinen festen Platz mehr in der Biografie, sie werde stattdessen kurz- und mittelfristig geplant und folge rationalen Entscheidungen. „Das heißt, man kann Erwachsene nicht zwingen zu lernen, aber man kann sie in ihrer Abwägung unterstützen“, sagt Martin.

„Erwachsene wägen die Opportunitätskosten einer Weiterbildung genau ab. Deshalb ist es wichtig, den Mitarbeitenden die persönlichen Vorteile aufzuzeigen.“

Professor Andreas Martin

Für Unternehmen heiße das, Barrieren abzubauen, die Erwachsene daran hindern, sich weiterzubilden. „Erwachsene wägen die Opportunitätskosten einer Weiterbildung genau ab. Deshalb ist es wichtig, den Mitarbeitenden die persönlichen Vorteile aufzuzeigen“, sagt Martin. Unternehmen könnten zum Beispiel sichtbar machen, welche Karriereperspektiven sich durch eine Weiterbildung eröffnen, oder etwas mehr Gehalt bieten. „Durch die höhere Produktivität des Mitarbeitenden macht sich diese Investition bezahlt“, ist Martin überzeugt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten sich auch die Kosten für die Fortbildung teilen. Wenn eigenes Geld aufgewendet werden muss, erhöhe das die Motivation, auch wirklich zu lernen. Wichtig sei außerdem ein anregendes Arbeitsumfeld, das zum Lernen animiere. „Wenn die Kolleginnen und Kollegen auf Fortbildung gehen und Spaß daran haben, dann macht es mir vielleicht auch Spaß“, sagt Martin. Hilfreich sei auch, wenn jemand im Unternehmen den Überblick hat und darauf achtet, dass sich die Mitarbeitenden regelmäßig weiterbilden. Diese Aufgabe könne sowohl zentral im Personalwesen angesiedelt sein als auch dezentral in den jeweiligen Bereichen und Teams des Unternehmens.

Was außerdem nicht fehlen darf, ist Zeit. „Unternehmen müssen bereit sein, ihre Mitarbeitenden für die Zeit der Fortbildung freizustellen, sonst sinkt die Bereitschaft, sich weiterzubilden, massiv“, sagt Martin. Hilfreich seien an dieser Stelle Software-Lösungen, die Mitarbeitende unkompliziert am eigenen Arbeitsplatz nutzen können. Das habe noch einen weiteren Vorteil, denn durch die Digitalisierung der Fortbildung steige auch das Angebot. „Es ist für Unternehmen gar nicht so trivial, bedarfsgerechte Weiterbildungslösungen zu finden. Während bei Präsenzangeboten regionale Nähe eine große Rolle spielt, können Unternehmen bei digitalen Lösungen im Prinzip auf Anbieter aus dem gesamten deutschen Sprachraum und sogar darüber hinaus zurückgreifen und ihren Mitarbeitenden so auch sehr differenzierte und spezifische Bildungsthemen zur Verfügung stellen“, sagt Martin.

Josef Pölt, Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg: Der „Change“ muss in den Köpfen der Mitarbeitenden passieren

Die Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg hat die Wichtigkeit des lebenslangen Lernens für sich längst erkannt – und auch einige Tipps von Professor Martin von sich aus umgesetzt. „Die Bedeutung des lebenslangen Lernens ist immens“, sagt Vorstand Josef Pölt, der auch dem Fachausschuss Bildung des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) vorsitzt. Kaum jemand übe mit 60 Jahren noch den Beruf aus, den er ursprünglich gelernt hat, sagt Pölt. „Und selbst wenn die Berufsbezeichnung gleichgeblieben ist, haben sich das Berufsbild und der Inhalt teilweise extrem verändert.“ Vor 20 Jahren seien die Kunden für nahezu alle Bankgeschäfte persönlich an den Schalter gekommen, heute könne fast alles digital abgewickelt werden. „Statt Schecks und Wechsel gibt es nun diverse Formen des digitalen Bezahlens – das Berufsbild des Bankkaufmanns und der Bankkauffrau und damit auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden haben sich stark gewandelt.“

Die Kolleginnen und Kollegen brauchen laut Pölt die persönliche Bereitschaft, sich den veränderten Bedingungen anzupassen – nicht nur in der Arbeitswelt, sondern in allen Lebensbereichen. „Wir unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen bei beruflichen und auch bei nebenberuflichen Weiterbildungen und Qualifizierungen, indem wir keine Urlaubstage für Seminarzeiten anrechnen, indem wir Fahrt- und Übernachtungskosten übernehmen und nebenberufliche Fortbildungen unter bestimmten Voraussetzungen finanziell unterstützen. Fachliche Weiterbildungen werden unabhängig vom Alter des Mitarbeitenden bezahlt, um lebenslanges Lernen auch bei älteren Generationen zu fördern“, betont der Bankvorstand.

Die Schlagkraft der Neuerungen nehme seit der digitalen Revolution zu. Weiterbildung sei daher wichtig, um am Ball zu bleiben – in der Arbeitswelt, um neue Aufgaben übernehmen zu können, aber auch, um Veränderungen mit Souveränität statt mit Angst zu begegnen. Lebenslanges Lernen habe aber nicht nur im beruflichen Kontext eine hohe Bedeutung, ist Pölt überzeugt: „Ich selbst lerne jeden Tag etwas dazu und bin überzeugt, dass die Neugierde auf Neues wichtig dafür ist, sich auch im Alter geistig fit zu halten.“

„Die Weiterbildung zu digitalen Themen muss konstant erfolgen, um den veränderten Arbeitsbedingungen und Kundenwünschen gerecht zu werden.“

Josef Pölt, Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg

Die Kolleginnen und Kollegen der Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg werden je nach persönlichem Bedarf laufend weitergebildet, betont Pölt. Übergreifend sehe er Weiterbildungsbedarf vor allem beim Thema Digitalisierung beziehungsweise digitale Kompetenzen. „Das Thema kann auch nicht durch eine einzige Schulung erlernt werden. Die Weiterbildung zu digitalen Themen muss konstant erfolgen, um den veränderten Arbeitsbedingungen und Kundenwünschen gerecht zu werden.“ Der „Change“ müsse in den Köpfen der Mitarbeitenden passieren. Diese müssten lernen, ihr privates Wissen und ihr Interesse zu technischen Anwendungen auch im Beruf einzusetzen.

Neben Fachqualifizierungen der Akademie Bayerischer Genossenschaften (ABG) und der Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG) bietet die Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg auch viele Inhouse-Schulungen an, zum Beispiel zu den Themen Zeitmanagement oder „Fit für den Vertrieb“. Für Fortbildungen nutzt die Bank zudem das Potenzial externer und interner Spezialisten. Dabei hat das Kreditinstitut stets im Blick, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter welchen Qualifikationsbedarf haben. „Wir haben für jede Stelle Musterentwicklungspläne entworfen. Diese enthalten sämtliche Kompetenzen, die unsere Mitarbeitenden an der jeweiligen Stelle haben sollen. Diese Musterentwicklungspläne gleichen wir jährlich mit dem Ist-Zustand ab und ermitteln im Jahresgespräch mit dem Mitarbeitenden, wo Qualifizierungsbedarf besteht“, berichtet Pölt.

„Digitale Bildungsformate bringen den Vorteil der Effizienz mit, Präsenzformate fördern den Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen.“

Josef Pölt, Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg

Die Bank lege Wert darauf, neben der Fachkompetenz auch die Persönlichkeits-, Sozial- und Methodenkompetenz der Kolleginnen und Kollegen zu schulen, so Pölt. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass hybrides Lernen, also die Mischung von digitalen Formaten und Schulungen in Präsenz, am besten funktioniere. „Digitale Bildungsformate bringen den Vorteil der Effizienz mit, Präsenzformate fördern den Austausch mit den Kollegen und Kolleginnen. Das stärkt den Gedanken- und Ideen-Austausch untereinander, ob im Betrieb oder extern“, berichtet Pölt.

Gute Erfahrungen hat die Bank auch mit der Einstellung und Qualifizierung von Quereinsteigern gemacht. „Allein in den vergangenen vier Monaten haben wir zehn Quereinsteiger eingestellt. Diese werden aktuell im Servicebereich und im telefonischen Kundenservice eingesetzt und sowohl intern als auch extern geschult, um bestmöglich auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet zu sein“, sagt der Vorstand. Den Quereinsteigern steht ein Mentor für alle Fragen zur Verfügung. Die Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg brauche in Zukunft auch hochqualifizierte Spezialisten, die keine Bankausbildung haben. „Wir haben zum Beispiel gerade einen IT-Spezialisten als Teamleiter eingestellt, um unter anderem die Umstellung auf die neue Arbeitswelt von Office365 besser bewerkstelligen zu können, die sehr stark von der Zusammenarbeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lebt“, sagt Pölt.

Der Bankvorstand wertet die Einstellung von Quereinsteigern als Erfolg. „Die neuen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Branchen spiegeln uns grundsätzlich eine hohe Zufriedenheit, insbesondere was die Arbeitszeiten betrifft, wider. Einzelne Quereinsteiger konnten bereits als Mentoren für die nächsten Neueinsteiger gewonnen werden. Wir werden also weiterhin gezielt nach Quereinsteigern suchen“, betont Pölt.

Interview mit Quereinsteigerin

In ihrem diesjährigen Geschäftsbericht hat die Volksbank Raiffeisenbank Starnberg-Herrsching-Landsberg die Quereinsteigerin Esther Eirenschmalz interviewt. Hier geht’s zum Geschäftsbericht.

Daniela Hüttinger, Molkerei Berchtesgadener Land: Die Welt entwickelt sich fort. Daher ist auch eine fortwährende Weiterbildung das Gebot der Stunde

Daniela Hüttinger, Personalleiterin bei der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land, hat zu lebenslangem Lernen eine klare Position: „Egal ob im Büro, Produktion, Labor, Lager und Logistik oder IT: Die Welt entwickelt sich laufend fort. Daher ist nach der Berufsausbildung eine fortwährende Weiterbildung für die Mitarbeitenden das Gebot der Stunde. Und eine fortlaufende Weiterbildung im jeweiligen Fachbereich ist Grundvoraussetzung für Unternehmen, um erfolgreich im Wirtschaftskreislauf zu bleiben.“

Bei der Molkerei Berchtesgadener Land beschränkt sich lebenslanges Lernen nicht auf den eigenen Betrieb. „Im Bereich Lebensmittel- und Ernährungskompetenz starten wir neuerdings mit der Bildungsarbeit schon bei den Kindern. Jedes Grundschulkind in der Region soll einmal auf einen Bauernhof und auch einmal in der Molkerei gewesen sein“, umreißt Hüttinger das Ziel. Bäuerinnen und Bauern, die am Schüler-Lernprogramm „Erlebnis Bauernhof“ des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums teilnehmen, erhalten in der Molkerei weitere Schulungen zu Milchverarbeitung, Ernährung oder Pädagogik, berichtet die Personalleiterin. Seit diesem Jahr würden sie zusätzlich zu Markenbotschaftern ausgebildet. „Alle Bäuerinnen und Bauern erklären Kindergartengruppen und Schulklassen pädagogisch aufbereitet die Zusammenhänge der Landwirtschaft im Alpenraum mit den dabei erzeugten Lebensmitteln inklusive der Milch auf den Bauernhöfen. In der Molkerei erfahren die Kinder dann, wie aus der Milch hochwertige Lebensmittel wie Joghurt, Butter, Topfen und Schlagrahm entstehen. Durch dieses spielerische Lernen wollen wir dazu beitragen, dass die Kinder in späteren Jahren ganz selbstverständlich Wissen aufnehmen – und im besten Fall bei uns eine Ausbildung beginnen, weil sie die Molkerei schon kennen“, sagt Hüttinger.

Die Molkerei Berchtesgadener Land sei seit Jahrzehnten ein wichtiger Ausbildungsbetrieb in der Region, betont Hüttinger. Inzwischen bietet sie sieben verschiedene Ausbildungsberufe an. „Seit Jahrzehnten haben wir alle unsere Auszubildenden nach der Lehrzeit übernommen. So ist es uns bisher noch gelungen, unseren Bedarf an Fachkräften relativ gut zu decken. Zudem haben wir begonnen, auch im IT-Bereich Fachinformatiker und Fachinformatikerinnen für Systemintegration selber auszubilden“, sagt Hüttinger. Da die Jahrgänge tendenziell geburtenschwächer werden, werde es zukünftig schwieriger, geeignete Bewerber zu finden. Deshalb präsentiere sich die Molkerei seit einigen Jahren auf regionalen Azubimessen und lade insbesondere siebte und achte Schulklassen zur Besichtigung in die Molkerei ein. Außerdem biete sie Schnupperpraktika an und mache beim Boys- und Girls-Day mit.

„Erfolgreiche Unternehmen stellen sich den Veränderungen und steuern hier ständig nach. Das gelingt nur mit gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“

Daniela Hüttinger, Molkerei Berchtesgadener Land

So wirbt die Molkerei Berchtesgadener Land schon heute um das Personal der Zukunft. Denn auch für sie gilt: Die Arbeitswelt ist laufenden Veränderungsprozessen unterworfen. „Erfolgreiche Unternehmen stellen sich den Veränderungen und steuern hier ständig nach. Das gelingt nur mit gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich fortlaufend weiterbilden“, sagt Hüttinger. Lernbedarf gebe es überall, weil Technik, Digitalisierung und veränderte Anforderungen vor produzierenden Unternehmen nicht haltmachen. So erforderten neue Anlagen meist eine individuelle fachliche Weiterqualifizierung des Personals. Hüttinger gibt zwei Beispiele: „Unsere Energiezentrale enthält einen Dampfkessel. Dieser wird von eigens dafür beauftragtem Personal betrieben, den Kesselwärtern. Um den Sachkundenachweis für den Betrieb eines Dampfkessels zu erbringen, benötigen sie eine Schulung. Oder die neue Mehrweg-Glas-Abfüllanlage, die wir vergangenes Jahr in Betrieb genommen haben. Das zuständige Team wurde vom Hersteller Krones geschult, um die Anlage erfolgreich in Betrieb zu nehmen. So ergibt sich beinahe täglich neuer Lernbedarf, den wir entsprechend steuern müssen.“

Neben der fachlichen Qualifikation legt die Molkerei auch Wert darauf, dass Führungskräfte lernen, wie sie andere Mitarbeitende führen. „Wir haben erkannt, dass mit sinkendem Personalangebot Softskills bei der Personalführung immer wichtiger werden. Daher werden bei der Molkerei Berchtesgadener Land seit über zehn Jahren für alle mittleren Führungskräfte Führungsseminare und Teambuilding-Maßnahmen umgesetzt“, berichtet Hüttinger. Führungskräfte können zudem ein individuelles Coaching in Anspruch nehmen.

Molkereifachleute und Labormitarbeiter, die sich weiterqualifizieren wollen, können die Meister- oder Technikerschule in Kempten beziehungsweise Triesdorf besuchen und anschließend wieder bei der Molkerei einsteigen. Alternativ gibt es für motivierte Mitarbeitende die Möglichkeit, bei der Molkerei Berchtesgadener Land ein Duales Studium zu absolvieren. „Unsere Laboranten nehmen regelmäßig an Ringversuchen teil, bei denen die Laborergebnisse mit anderen Unternehmen und Fachlaboren verglichen werden, um die anerkannten Messmethoden anzuwenden und die Messgenauigkeit hochzuhalten“, berichtet die Personalleiterin.

Wie wichtig gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, erläutert die Personalleiterin an einem weiteren Beispiel: Um die kosten- und qualitätsorientierte Investitionsplanung zu verbessern und eine Basis für Investitionsentscheidungen zu schaffen, führte die Molkerei 2017 ein neues Projektmanagement-Tool ein. Alle Projektleiter und viele Projektmitarbeitende wurden dafür seitdem in internen und externen Schulungen in die Techniken des Projektmanagements inklusive Zeit-, Kosten- und Personalplanung eingewiesen. Die Daten liefern die Grundlage, um Investitionsbedarf, Mitarbeiterbedarf und den Zeitrahmen von Projekten abzuschätzen und diese planmäßig abzuwickeln. Auf dieser Basis entscheiden auch Vorstand und Aufsichtsrat über Projekte. „Falsche Projektplanung kann Fehlentscheidungen zur Folge haben und im schlimmsten Fall das Unternehmen in Schieflage bringen. Gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier existenziell“, sagt Hüttinger.

„Wir haben ein E-Learning-Programm aufgebaut, das laufend erweitert wird. Darin werden jährlich nötige Standardschulungen, aber auch abteilungsspezifische Schulungen angeboten.“

Daniela Hüttinger, Molkerei Berchtesgadener Land

Bei regelmäßigen Fortbildungen setzt die Molkerei Berchtesgadener Land mehr und mehr auf digitale Anwendungen. „Wir haben vor fünf Jahren ein E-Learning-Programm schrittweise aufgebaut, das laufend erweitert wird. Darin werden seither jährlich nötige Standardschulungen für Arbeitssicherheit, Infektionsschutzgesetz, Hygiene, Datenschutz, Unternehmensschulungen, Lebensmittelsicherheit, aber auch abteilungsspezifische Schulungen angeboten, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Test abschließen“, berichtet Hüttinger. In das E-Learning-Programm seien auch die Schulungen für externe Besucherinnen und Besucher auf dem Betriebsgelände integriert worden. Mitarbeitende müssen die ihnen zugewiesenen Schulungen innerhalb von vier Wochen bearbeiten und mit einem Test abschließen, der zwei Mal wiederholt werden kann. „Andernfalls werden die Kandidaten persönlich nachgeschult“, sagt Hüttinger.

Zur laufenden Qualifizierung der Mitarbeitenden gehören aber auch regelmäßige Schulungen zu Produktqualität und -sicherheit, Arbeitssicherheit, den Werten und Zielen der Genossenschaft sowie zu spezifischen Themen wie Nachhaltigkeit. Im Technikbereich kooperiert die Molkerei bei den Azubis mit regionalen Unternehmen wie Wacker Chemie in Burghausen. Die Lkw-Fahrer erhalten zudem ein Eco-Fahrtraining. Schulungsinhalte seien zum Beispiel der richtige Luftdruck in den Reifen, wie der Drehzahlmesser im grünen Bereich bleibt oder vorausschauendes Fahren, erläutert Hüttinger. „Nicht nur modernste Fahrzeuge, sondern auch eine wirtschaftliche Fahrweise sparen Kraftstoff und Emissionen ein. Unsere Eco-Fahrtrainings sind ein weiteres Signal nach innen und außen, dass uns Nachhaltigkeit am Herzen liegt. Denn auch die Beschäftigung mit aktuellen Themen trägt zum lebenslangen Lernen bei. Am Ende haben alle was davon, beim Eco-Fahrtraining sogar die Umwelt“, sagt die Personalleiterin.

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