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Mitte der 1990er Jahre trat das „Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen“ in Kraft. Das sogenannte Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, ihren Angestellten die wesentlichen Bedingungen für das Arbeitsverhältnis mitzuteilen. Mit der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union vom 20. Juni 2019 erweiterte der europäische Gesetzgeber die Vorgaben und verpflichtete die Mitgliedsstaaten dazu, die Regeln bis 31. Juli 2022 in nationales Recht umzusetzen. Der Bundestag hat das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie am 23. Juni 2022 beschlossen. Die neuen Regeln treten am 1. August 2022 in Kraft und bringen für Arbeitgeber – also auch die bayerischen Genossenschaften – weitreichende Änderungen mit sich. So werden bestehende Nachweispflichten erweitert und geändert, bestehende Fristen zur Erbringung der Nachweise verkürzt und erstmalig Sanktionen bei Verstößen mit Bußgeld belegt.

Fortbestehende Regelungen

Einige grundlegende Regelungen des Nachweisgesetzes bleiben unverändert. Die drei wichtigsten Punkte vorweg im Überblick:

  1. Für den Nachweis der Arbeitsbedingungen ist weiterhin die strenge Schriftform erforderlich. Obwohl die EU-Richtlinie die elektronische Form ausdrücklich zulässt, wurde diese vom deutschen Gesetzgeber explizit ausgeschlossen (zum Unterschied zwischen Schriftform und elektronischer Form siehe Kasten).
  2. Der Arbeitgeber kann den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen weiterhin durch einen Verweis auf anwendbare Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen ersetzen. Voraussetzung ist, dass die Kollektivvereinbarungen die entsprechenden Regelungen enthalten.
  3. Das Arbeitsverhältnis bleibt auch bei Verstößen des Arbeitgebers gegen die Nachweispflichten wirksam. Allerdings kann der Arbeitnehmer – wie bisher auch – bei Verstößen des Arbeitgebers gegen die Nachweispflichten die Arbeitsleistung zurückhalten, ohne den Anspruch auf Vergütung zu verlieren. Im Prozess bestehen Beweiserleichterungen für den Arbeitnehmer bis hin zur Beweislastumkehr.

Formen für Rechtsgeschäfte im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

§ 126 BGB Schriftform

(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.

§ 126a BGB Elektronische Form

(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.

(2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren.

§ 126b BGB Textform

Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das

1. es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und

2. geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.

Wesentliche Änderungen und Ergänzungen

Künftig umfassen die Nachweispflichten des Arbeitgebers zusätzlich folgende Angaben:

  • das Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen;
  • die Möglichkeit der freien Wahl des jeweiligen Arbeitsorts, sofern vereinbart;
  • die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart; hier gelten aufgrund des ebenfalls geänderten § 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Besonderheiten bei befristeten Arbeitsverträgen;
  • die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen;
  • jeweils getrennt, die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts inklusive der Überstundenvergütung, Zuschläge, Zulagen und Prämien sowie Sonderzahlungen. Auch Art und Fälligkeit der Auszahlung sind anzugeben;
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen;
  • Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf, falls diese vereinbart ist;
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen;
  • bei Gewährung einer betrieblichen Altersversorgung den Namen und die Anschrift des Versorgungsträgers (relevant nur bei Unterstützungskassen, da ansonsten der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist, §§ 234 ff. Versicherungsaufsichtsgesetz);
  • welches Verfahren bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhalten ist, dass für eine Kündigung mindestens die Schriftform erforderlich ist, und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Bei Auslandsaufenthalten des Arbeitnehmers, die länger als vier aufeinanderfolgende Wochen dauern, greifen zudem erweiterte Dokumentationspflichten. Außerdem wird der Anwendungsbereich des Nachweisgesetzes erweitert. Künftig sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Nachweispflicht erfasst.

Fristen

Bei neu begründeten Arbeitsverhältnissen sieht das Nachweisgesetz abhängig von der Art der Arbeitsbedingungen unterschiedliche Fristen für die Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen vor. Diese reichen vom ersten Tag der Arbeitsleistung bis spätestens einen Monat nach vereinbartem Beginn des Arbeitsverhältnisses. In der Praxis wird das dazu führen, dass der Arbeitgeber alle Arbeitsbedingungen spätestens am ersten Tag des Arbeitsverhältnisses aushändigen wird. Änderungen der wesentlichen Vertragsbedingungen sind ebenfalls am Tag des Wirksamwerdens mitzuteilen.

Bußgeld

Erstmalig werden Verstöße gegen das Nachweisgesetz mit einer Geldbuße von jeweils bis zu 2.000 Euro geahndet, wenn der Arbeitgeber seiner Nachweispflicht nicht, nicht vollständig, in der falschen Form, unvollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt.

Altverträge

Altverträge, die vor dem 1. August 2022 abgeschlossen wurden, müssen nicht angepasst werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, diesem innerhalb von sieben Tagen die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich auszuhändigen.


Katrin Leonore Scholz ist beim Genossenschaftsverband Bayern zuständig für Arbeitsrecht.

Kontakt zur GVB-Rechtsberatung

Die Rechtsberatung des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) unterstützt die Verbandsmitglieder gerne in allen Rechtsfragen, so auch bei Fragen zum Arbeitsrecht sowie zur Novelle des Nachweisgesetzes. Kontakt: recht(at)gv-bayern.de oder 089 / 2868-3730. Alle Informationen und Dienstleistungen der GVB-Rechtsberatung finden Verbandsmitglieder im GVB-Mitgliederportal.

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