Diese Website verwendet Cookies. Wenn Sie unsere Seiten nutzen, erklären Sie sich hiermit einverstanden. Weitere Informationen

ChatGPT sorgt für Furore. Der sprach- und textbasierte Chatbot, der auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert, ist zu einem weltweiten Gesprächsthema geworden. Inwieweit ist ChatGPT für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken relevant? Können sie ihn bereits heute sinnvoll nutzen? Und was sind perspektivisch Anwendungsmöglichkeiten? „Profil“ hat dazu mit Moritz Stigler, Generalbevollmächtigter bei der Münchner Bank eG, gesprochen. Das Kreditinstitut nutzt den Chatbot, Stigler hat sich intensiv mit dem Thema KI auseinandergesetzt.

Herr Stigler, die Münchner Bank eG setzt ChatGPT ein. Warum?

Moritz Stigler: Der technologische Fortschritt bei Künstlicher Intelligenz ist atemberaubend. Mit ChatGPT erleben wir nun einen iPhone-Moment. Das bedeutet: Die Technologie ist zwar nicht neu. So wie es vor dem iPhone schon Smartphones gab, so gab es vor ChatGPT bereits Anwendungen auf KI-Basis. Aber dank des Chatbots ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz nun massentauglich geworden und im Alltag der Menschen angekommen. Das wird massive Auswirkungen auf unser Leben und damit natürlich auch auf die Münchner Bank haben. In Zukunft werden wir anders arbeiten als heute und auch anders mit unseren Kunden und Mitgliedern interagieren. Darauf wollen wir vorbereitet sein und deswegen haben wir uns frühzeitig mit dem Thema KI beschäftigt. Insofern ist es nur logisch, dass wir nun auch ChatGPT einsetzen.
 

Wie sind Sie bei der Einführung vorgegangen und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen den Chatbot?

Stigler: Wir haben eine kleine Gruppe von sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgestellt, die ChatGPT nutzen. Ich leite das Projekt, weil ich mir bereits zuvor viel Wissen über KI angeeignet habe. Zum Beispiel habe ich im vergangenen Jahr ein zweiwöchiges Praktikum in einem Unternehmen absolviert, das Künstliche Intelligenz entwickelt. Das war sehr aufschlussreich. Zur Einführung von ChatGPT in der Bank gab es einen halbtägigen Workshop, bei dem uns KI-Experten des Unternehmens Alexander Thamm GmbH kompetent unterstützt haben. Daran teilgenommen hat das ChatGPT-Team mit Testern der obersten Führungsebene. Inhaltlich ging es unter anderem um die hinter dem Chatbot stehende Technologie, Vorteile und Grenzen sowie mögliche Anwendungsfälle.

„Wir möchten zunächst ausprobieren, Erfahrungen sammeln und Einsatzmöglichkeiten ausloten. Mit einem kleinen Personenkreis geht das am besten.“

Warum ist es sinnvoll, dass zunächst eine kleine Gruppe an Mitarbeitern mit ChatGPT arbeitet?

Stigler: Weil wir zunächst ausprobieren, Erfahrungen sammeln und Einsatzmöglichkeiten ausloten möchten – alles natürlich unter Beachtung des Datenschutzes und der Regulatorik. Mit einem kleinen Personenkreis geht das unser Meinung nach am besten. Diese Personen tragen das Thema als Multiplikatoren zu den Kolleginnen und Kollegen. Dazu kommt: ChatGPT bietet unglaublich großes Potenzial. Man muss aber wissen, wie die Technologie dahinter funktioniert, wie man die Fragen stellen sollte, was der Chatbot leistet und was er nicht kann. Der Output ist immer nur so gut wie der Input. Wer ChatGPT gewinnbringend nutzen möchte, sollte vorher geschult werden. Das haben wir mit dem Workshop getan und ich unterstütze die Kolleginnen und Kollegen laufend dabei.

„ChatGPT ersetzt nicht unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern schafft ihnen Freiraum für Kreativität.“

Lassen Sie uns über die Anwendungsfelder von ChatGPT sprechen. Wofür nutzen Sie den Chatbot?

Stigler: Ein Beispiel ist die Kommunikation. Auch als Führungskraft schreibt man regelmäßig Texte, etwa zu Verabschiedungen oder Dienstjubiläen von langjährigen Mitarbeitern. Wenn man ChatGPT nun auffordert, eine entsprechende Rede zu schreiben und ihm einige Zusatzinfos gibt, zum Beispiel, dass die Kollegin 15 Jahre eine Filiale geleitet und anschließend im Controlling gearbeitet hat, dann erhält man einen guten Entwurf. Anschließend lässt sich die Rede individualisieren und zum Beispiel mit Anekdoten anreichern. Das Beispiel zeigt gut: ChatGPT ersetzt nicht die Mitarbeiter, sondern schafft ihnen Freiraum für Kreativität. Denn was ich über Jahre nicht von meinen Mitarbeitenden erfahren habe, kann ich in keiner Rede verwenden.


Haben Sie ein weiteres Beispiel?

Stigler: Bleiben wir in der Kommunikation. Die Mitarbeiter haben beispielsweise einen Werbebrief geschrieben, der an erwachsene Menschen adressiert ist. Nun wollen wir das Schreiben an unsere jungen Kundinnen und Kunden schicken. Also müssen alle Formulierungen, in denen gesiezt wird, durch die Du-Form ersetzt werden. Natürlich kann ein Mitarbeiter nun jede Formulierung einzeln ändern. Oder er sagt ChatGPT: „Bitte in diesem Brief duzen“. Und schon ist der Brief umgeschrieben, und zwar grammatikalisch korrekt. Es geht also nicht darum, mit ChatGPT persönliche Ansprache zu ersetzen, sondern sukzessive Arbeitserleichterungen zu finden.

Bestimmt können auch andere Abteilungen jenseits der Kommunikation mit ChatGPT arbeiten?

Stigler: Ja, selbstverständlich. Nehmen wir den Personalbereich. Dieser soll eine Betriebsvereinbarung aktualisieren. Nun gibt es in solchen Vereinbarungen häufig Querbezüge, also Paragraf 10 bezieht sich auf Paragraf 5, Paragraf 20 auf Paragraf 3 und so weiter. Wenn ich nun neue Paragrafen in das Dokument einfüge, dann passen die Bezüge nicht mehr. Wenn ich aber richtig mit ChatGPT arbeite, dann fügt er den Paragraf an der gewünschten Stelle ein und passt automatisch alle Bezüge in der Vereinbarung an. Das spart erheblich Zeit, die die Mitarbeiter für sinnvollere Tätigkeiten nutzen können.


Ist ChatGPT auch etwas für die Mitarbeiter mit Kundenkontakt?

Stigler: Zum Kunden nein, für Mitarbeitende mit Kundenkontakt: Auf jeden Fall! Nehmen wir einen Firmenkundenberater, der eine Finanzierungsanfrage von einem Fahrradgeschäft erhält. Es ist das erste Mal, dass er mit dieser Branche zu tun hat. Also kann er ChatGPT fragen, welche Risikofaktoren es bei einer Kreditvergabe an ein Fahrradgeschäft gibt. So erhält er eine gute Grundlage für seine Analyse. Auch dieses Beispiel zeigt: ChatGPT nimmt keine Arbeit weg, sondern schafft eine gute Grundlage, um eine qualitativ hochwertige Entscheidung zu treffen.


Wie bewerten Sie die Qualität der Antworten von ChatGPT?

Stigler: Es kommt einerseits stark auf das Thema an. In manchen Feldern ist ChatGPT exzellent trainiert, in manchen Gebieten muss er noch lernen. Andererseits, das kann ich nur immer wieder betonen, kommt es auf die richtigen Fragen an. Wenn ich ChatGPT sage: „Schreibe einen Brief, in dem wir uns für ein Fehlverhalten entschuldigen“, bekomme ich natürlich nur Floskeln. Ich muss also konkretisieren: „Bei uns hat ein Geldautomat nicht funktioniert. Eine promovierte Juristin, 60 Jahre alt, hat sich darüber beschwert. Bitte schreibe mir zwei Varianten eines Entschuldigungsbriefs und biete ihr an, dass wir sie gerne zu einem persönlichen Gespräch einladen würden.“ So erhalte ich gute Vorlagen, mit denen ich weiterarbeiten kann.

„Unsere Grundregel: Keine Kundendaten in ChatGPT eingeben.“

Haben Sie Regeln für die Nutzung von ChatGPT aufgestellt?

Stigler: Als Bank nehmen wir das Thema Datenschutz sehr ernst, vor allem auch, weil ChatGPT nicht von einem deutschen Anbieter stammt. Deshalb haben wir die Grundregel aufgestellt, keine Kundendaten in ChatGPT einzugeben. Wenn wir Namen verwenden möchten, schreiben wir „Max Mustermann“ oder „Erna Mustermann“.


Was sind perspektivisch Einsatzgebiete für Chatbots, wenn sich diese nahtlos in die IT-Systeme und Prozesse integrieren lassen?

Stigler: Es ist zu hoffen, dass es Deutschland schafft, eine eigene datenschutzkonforme und rechtlich sichere KI-Plattform aufzubauen. Die Anwendungsmöglichkeiten sind aus meiner Sicht unbegrenzt. Schon heute gibt es KI, die beispielsweise Autos designt oder Videos produziert. Also ist zu erwarten, dass auch Banken künftig in immer mehr Bereichen Künstliche Intelligenz einsetzen. Sei es beispielsweise, um die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten zu ermitteln oder die Kunden zu beraten. Als einzelne Bank werden wir das nicht schaffen, da muss die gesamte Gruppe passende Lösungen entwickeln. Noch ist das alles Zukunftsmusik, aber wir sollten darauf vorbereitet sein.

„In zehn Jahren werden viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anders arbeiten als heute.“

Neue Technologien führen bei manchen Menschen dazu, dass sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Wird ChatGPT Mitarbeiter der Münchner Bank ersetzen?

Stigler: Durch die Digitalisierung hat sich die Arbeitswelt verändert. Als ich bei der Bank angefangen habe, haben einige Mitarbeiter händisch Überweisungen eingetippt. Das macht heute niemand mehr. Stattdessen wurden neue Tätigkeiten geschaffen. Ich bin überzeugt, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu einer ähnlichen Entwicklung führt. Dementsprechend werden viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zehn Jahren anders arbeiten als heute. Aber die KI wird die Menschen nicht ersetzen, sondern es wird neue Aufgabenfelder geben. Dank ChatGPT können wir unsere Ressourcen effizienter einsetzen und haben mehr Freiraum für Nähe zu unseren Mitgliedern, was die DNA einer Genossenschaftsbank sein sollte. Unser Ziel ist es, die Mitarbeiter auf diesem Weg zu begleiten. Auch in Zukunft werden wir engagierte und kompetente Fachkräfte benötigen.


Welchen Praxistipp haben Sie für VR-Banken, die ChatGPT einsetzen wollen?

Stigler: Mein erster Ratschlag ist, sich externe Unterstützung zu holen. Zum Beispiel kann ein Experte in einem halbtägigen Workshop die Grundlagen von Künstlicher Intelligenz erklären. Mein zweiter Tipp: Ein Team aus fünf bis zehn Leuten aufbauen, die ChatGPT ausprobieren und mögliche Einsatzfelder ermitteln. Die Teammitglieder können außerdem als Multiplikatoren tätig sein und ihre Kolleginnen und Kollegen über ChatGPT informieren und gemeinsam mit ihnen Einsatzmöglichkeiten entwickeln. Das hilft dabei, Ängste zu nehmen.


Herr Stigler, vielen Dank für das Gespräch!

Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten zu ChatGPT

1. Was ist ChatGPT?

Dazu ChatGPT selbst: „ChatGPT ist ein leistungsstarkes Sprachmodell, das auf der GPT-3.5-Architektur von OpenAI basiert. Es handelt sich um eine Künstliche Intelligenz, die entwickelt wurde, um natürliche Sprache zu verstehen und menschenähnliche Konversationen zu führen. Das Modell wurde darauf trainiert, Texteingaben zu analysieren und kontextbezogene Antworten zu generieren.“
 

2. Wer steht hinter ChatGPT?

ChatGPT ist ein Produkt von OpenAI. Das Unternehmen wurde im Dezember 2015 gegründet und sitzt in San Francisco. Zentrale Geldgeber sind der Unternehmer Elon Musk sowie das Unternehmen Microsoft. Das Hauptziel von OpenAI ist laut eigenen Angaben, sicherzustellen, dass Künstliche Intelligenz allen Menschen zugutekommt.
 

3. Wofür steht GPT?

GPT steht für „Generative Pre-trained Transformer“ (Generativ vortrainierter Transformator).
 

4. Wie lässt sich ChatGPT nutzen?

Als Chatbot ist ChatGPT vor allem darauf trainiert, Antworten auf Fragen der Nutzerinnen und Nutzer zu geben. Besonders gut eignet er sich für Frage-und-Antwort-Dialoge. Auf diese Weise dient er als Inspirationsquelle, beispielsweise, um Ideen für ein Thema zu sammeln. ChatGPT bietet unzählige weitere Interaktionsmöglichkeiten, einige populäre Beispiele: Texte strukturieren, Zusammenfassungen erstellen, Softwarecodes programmieren.
 

5. Was ist beim Einsatz von ChatGPT zu beachten?

Neben den rechtlichen und datenschutzrechtlichen Einschränkungen sowie Vorgaben (siehe Kasten folgend) ist es wichtig zu wissen, dass ChatGPT keine menschliche Intelligenz besitzt. Er arbeitet auf der Grundlage von Mustern und Informationen, die ihm antrainiert wurden (sogenanntes maschinelles Lernen). Die Informationen, die ChatGPT gibt, sollten nicht einfach übernommen, sondern kritisch bewertet und eingeordnet werden.
 

6. Wird ChatGPT weiterentwickelt?

OpenAI hat ChatGPT am 30. November 2022 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Chatbot basiert auf der Version GPT-3.5. Im März 2023 ist bereits die Version GPT-4.0 erschienen. Diese soll künftig auch die Fähigkeiten von ChatGPT erweitern. So soll der Chatbot beispielsweise dabei unterstützen, Videos zu erstellen. Zudem soll ChatGPT künftig in weitere Produkte standardmäßig integriert werden. Microsoft hat angekündigt, Programme wie Word, Outlook oder Powerpoint mit KI-Funktionen auszustatten. Die Entwicklung ist also rasant, einige Experten fordern sogar einen Entwicklungsstopp, um Regeln für den Umgang mit der Künstlichen Intelligenz festzulegen.

ChatGPT: Rechtliche Einschränkungen und Datenschutzrecht-Vorgaben beachten

In diesem Interview werden mögliche Einsatzgebiete und Anwendungen von ChatGPT beispielhaft dargestellt. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) weist darauf hin, beim Einsatz des Chatbots rechtliche Einschränkungen und Datenschutzrecht-Vorgaben sowie die Nutzungsbedingungen des Anbieters OpenAI sowie gegebenenfalls weitere rechtliche Vorgaben zu beachten. Die Nutzungsbedingungen sind auf der Webseite von OpenAI hinterlegt.

GVB-Mitglieder können sich bei Fragen zum Datenschutzrecht an die Abteilung Grundsatz Aufsichtsrecht des GVB (bankaufsichtsrecht(at)gv-bayern.de) und bei sonstigen rechtlichen Fragen oder Bedenken an die Rechtsabteilung des GVB (steuern_recht(at)gv-bayern.de) wenden.

Artikel lesen
Topthema