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An einem frühen Donnerstagmorgen im März war es soweit: Nach einem nächtlichen Verhandlungsmarathon verkündeten Vertreter des EU-Parlaments, der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission den Durchbruch in den Verhandlungen über die Reform der europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs). Der GVB hat das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleitet. Schon im Frühjahr 2017 beteiligte sich der Verband an einer vorbereitenden Konsultation, initiierte ein wissenschaftliches Gutachten zu den Kompetenzen der Aufseher und suchte während der Brüsseler Verhandlungen den Austausch mit Entscheidungsträgern. Denn für die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken spielt es eine immer größere Rolle, wie die EU-Aufsichtsbehörden – allen voran die für Kreditinstitute zuständige European Banking Authority (EBA) – wichtige Details der Bankenregulierung ausgestalten.

In ihrem Gesetzesvorschlag vom Herbst 2017 hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die EBA und ihre Pendants für Versicherungen (EIOPA) und Finanzmärkte (ESMA) zu europäischen „Super-Behörden“ aufzuwerten. In „strategischen Aufsichtsplänen“ sollten die ESAs die Arbeitsschwerpunkte der BaFin und anderer nationaler Aufseher definieren. Auch sollten die ESAs künftig ermächtigt werden, Auskunftsersuche unmittelbar an die Finanzinstitute zu richten. Zur Bewältigung der neuen Aufgaben war vorgesehen, dass die ESAs künftig von je fünf – anstatt wie bisher von zwei – hauptamtlichen Vorständen geleitet werden, die in einem „Executive Board“ wichtige Entscheidungen ohne Beteiligung der nationalen Aufsicht treffen.

Keine Entmachtung der nationalen Aufsicht

Bislang haben die drei EU-Behörden dagegen eine koordinierende Rolle inne – was dadurch zum Ausdruck kommt, dass im „Rat der Aufseher“ als oberstem Entscheidungsgremium die nationalen Kontrolleure den Ton angeben. Diese Struktur hat sich bewährt: BaFin und Co. haben ein gutes Verständnis für die Vielfalt der Finanzindustrie in den EU-Ländern und für die Besonderheiten der lokalen Märkte – wie etwa das Drei-Säulen-Modell im deutschen Bankensektor. Außerdem stehen sie in engem Kontakt mit den überwachten Finanzinstituten. Dies versetzt sie in die Lage, neue Regeln von vornherein auf ihre Praxistauglichkeit zu beurteilen. Deshalb plädierte der GVB schon in seiner Stellungnahme im Rahmen des Konsultationsverfahrens dafür, die bisherige Governance-Struktur beizubehalten. Eine Entmachtung der nationalen Behörden – wie sie im Bereich der laufenden Aufsicht mit der Schaffung des SSM bereits stattfand – lehnte der Verband ab.

EBA

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) verfolgt das übergeordnete Ziel, durch eine einheitliche Regulierung und Aufsicht die Finanzstabilität in der EU zu wahren und das ordnungsgemäße Funktionieren des Bankensektors zu garantieren. Sitz der Behörde mit rund 160 Mitarbeitern ist ab Juni 2019 Paris (zuvor London). Ihr Chef ist der Spanier José Manuel Campa, Generaldirektor Adam Farkas kommt aus Ungarn. Die EBA führt die Stresstests für europäische Banken durch.

ESMA

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wacht darüber, dass der europäische Wertpapiermarkt ordnungsgemäß funktioniert. Sie hat ihren Sitz in Paris. Ihr Chef ist der Niederländer Steven Majoor, Generaldirektorin ist die Deutsche Verena Ross. Ihnen sind rund 200 Mitarbeiter unterstellt. Die ESMA erarbeitet Regulierungsstandards auf der Grundlage der Finanzrechtsvorschriften der EU und gibt Leitlinien und Empfehlungen zur Anwendung der EU-Gesetzgebung im Finanzmarktbereich heraus. Sie soll außerdem Risiken und Fehlentwicklungen auf dem europäischen Wertpapiermarkt durch regelmäßige Berichte und Stresstests erkennen und bewerten.

EIOPA

Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) komplettiert das Trio der ESAs. Sie hat ihren Sitz im sogenannten Westhafentower in Frankfurt am Main. Chef der EIOPA ist der Portugiese Gabriel Bernardino. Generaldirektor Fausto Parente kommt aus Italien. Die Behörde mit rund 140 Mitarbeitern kümmert sich um die Regulierung des europäischen Versicherungsmarkts. Sie soll Schwachstellen und Risiken aufdecken und bewerten sowie nationale Aufsichtspraktiken angleichen.

Diese Position hat sich in den Verhandlungen durchgesetzt. Das von der EU-Kommission vorgeschlagene „Executive Board“ wird es nicht geben. Wichtige Entscheidungen fällt auch in Zukunft der „Rat der Aufseher“. Die Rolle der ESA-Spitzen erfährt lediglich eine moderate Aufwertung, denn künftig wird dort neben den 28 nationalen Aufsehern auch der Behördenchef bei einer Vielzahl an Entscheidungen stimmberechtigt sein. Anstatt der Vorgabe „strategischer Aufsichtspläne“ ist den ESAs künftig lediglich die Definition „strategischer Prioritäten“ gestattet, welche weitaus weniger Lenkungswirkung für das Handeln der nationalen Aufseher entfalten. Insgesamt bleiben die Behörden der Mitgliedsstaaten also tonangebend in den ESAs – aus Sicht der Volksbanken und Raiffeisenbanken mit ihren im europäischen Kontext besonderen Strukturen ist das zu begrüßen.

Bei der Finanzierung bleibt alles beim Alten

Eng verknüpft mit der Entscheidung über Kompetenzen und Governance der ESAs ist ihre Finanzierung. Auch hier hatte die EU-Kommission eine Neuregelung vorgeschlagen: Ein fixer Anteil von zunächst 40 Prozent des ESA-Haushalts sollte wie bisher aus dem EU-Haushalt bestritten werden. Anstelle der nationalen Aufsichtsbehörden, die derzeit für 60 Prozent der ESA-Budgets aufkommen, wollte die Kommission jedoch den Finanzsektor zur Finanzierung der EU-Aufseher heranziehen. Zudem sah der Gesetzesvorschlag vor, dass die Behörden nach eigenem Ermessen an der Gebührenschraube drehen können. Damit wäre jedoch die bislang gut funktionierende Budgetkontrolle durch die EU-Institutionen und insbesondere durch das EU-Parlament ausgehebelt worden. Wenn die ESAs dem Finanzsektor Ausgaben in beliebiger Höhe in Rechnung stellen dürfen, ist eine Verselbstständigung der Behörden zu befürchten. Diese Bedenken hat der GVB im Gesetzgebungsverfahren angemeldet – mit Erfolg: Bei der Finanzierung bleibt alles beim Alten. EBA und Co. müssen auch in Zukunft sparsam haushalten. Vor allem aber bleibt den Volksbanken und Raiffeisenbanken – die schon heute jährliche Zahlungen an die europäischen Institutionen SSM und SRM leisten müssen – eine weitere Aufsichtsgebühr erspart.

Nicht nur die Kontrolle des Budgets stand im Gesetzgebungsverfahren zur Diskussion. Auch bei der Überwachung der ESA-Aktivitäten zur Klärung von Regulierungs-Details hatte sich Handlungsbedarf gezeigt. Oft waren die Behörden bis an die Grenzen ihres vom Gesetzgeber verliehenen Mandats gegangen. Als Mitglied der Finanzplatz München Initiative (fpmi) hatte der GVB eine Suche nach Vorschlägen für eine bessere Kontrolle der ESAs angestoßen. Aus diesem Impuls ging ein Gutachten des Centrums für Europäische Politik (cep) hervor, welches den Entscheidungsträgern in Brüssel vorgestellt wurde.

Die Gesetzesnovelle sieht nun mehrere Mechanismen vor, die ein eigenmächtiges Vorgehen der ESAs verhindern solle: Dass die Behörden sich innerhalb ihres Mandats bewegen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen müssen, ist nun gesetzlich festgeschrieben. Falls die Aufseher darauf verzichten, neue Leitlinien in ihrem Beirat („Stakeholder Group“) oder in einer öffentlichen Konsultation zur Diskussion zu stellen, müssen sie dieses Vorgehen begründen. Außerdem wird es den Beiräten leichter gemacht, offizielle Empfehlungen an die ESAs zu richten. Geraten die Aufseher in Verdacht, mit einer Leitlinie oder Klarstellung („Q&A“) ihren Kompetenzbereich zu überschreiten, können Betroffene wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken künftig eine Beschwerde an die EU-Kommission richten. Aus Sicht des GVB ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wie wirksam die Kontrollmechanismen allerdings sind, muss sich erst zeigen – zumal die EU-Regeln nicht näher bestimmen, wie die Kommission mit Beschwerden über Mandatsübertretungen umzugehen hat. Erste Befunde dazu wird es in gut zwei Jahren geben, wenn die EU-Kommission ihren ersten Prüfbericht zur Neufassung der ESA-Verordnung vorlegt.

Christoph Schroeter ist Chefvolkswirt des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB).

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