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Wer Veränderung will, der bringe mit: Kaffee, Milch, Zucker, Zeit. „Im Winter treffen wir uns jeden Tag um 10:30 Uhr zum Kaffee trinken, da wird dann viel diskutiert und die eine oder andere Idee geboren, wie wir unseren Betrieb noch besser machen können“, sagt Matthias Vögele, Geschäftsführer der Futtertrocknung Lamerdingen eG.

Im Sommer geht das nicht, denn in der Hochsaison sind alle Mitarbeiter auf den Beinen, um die Ernte der Landwirte zu Grascobs oder Luzerneballen zu veredeln. Sobald es im Herbst jedoch wieder ruhiger wird, gesellt sich Vögele vormittags zu den Kollegen. „Das ist mir sehr wichtig. Wir sind wie ein Familienbetrieb. Beim Kaffeetrinken erfahre ich, wo es hakt, und wir können gemeinsam Lösungen entwickeln. Das stärkt auch das Vertrauen der Mitarbeiter“, sagt der Geschäftsführer.

Rund 650 Mitglieder zählt die Futtertrocknung Lamerdingen, 48 Menschen bietet sie Arbeit. Im Ostallgäu ist sie ein wichtiger Betrieb für die regionale Landwirtschaft. In nur vier Jahren stieg der Umsatz um 50 Prozent auf sechs Millionen Euro. Diese Erfolgsgeschichte war so nicht absehbar. Denn nach dem Auslaufen der EU-Beihilfen im Jahr 2012 versiegten die Zuschüsse aus Brüssel. Die Genossenschaft musste nicht nur mit weniger Einnahmen kalkulieren, sondern sich dem freien Markt von Angebot und Nachfrage stellen. Dieses Beispiel zeigt, wie Gesetzgebung Geschäftsmodelle verändern kann. Vielerorts wurde schon der Abgesang auf die Futtertrocknungen angestimmt.

Nicht so im Ostallgäu. Die Lamerdinger waren auf die geänderten Rahmenbedingungen vorbereitet. Gemeinsam mit vier weiteren Trocknungen hatten sie bereits 2009 die Marke „Edelgrün“ ins Leben gerufen, um ihre Produkte als gentechnikfreies Premiumfutter zu vermarkten. Mit einem Landmaschinenhersteller entwickelte die Genossenschaft zudem einen vierachsigen Ladewagen, mit dem die Ernte besonders schnell und bodenschonend von der Fläche in die Trocknung gebracht werden kann. Der Energieverbrauch der Trocknungsanlage wurde um ein Drittel reduziert und gleichzeitig die Kapazität erhöht. Viele dieser Ideen wurden von den Mitarbeitern in der Kaffeepause diskutiert und so lange weiterentwickelt, bis alle Anforderungen erfüllt waren.

Verstärkt wurde der Veränderungsdruck durch die geänderten Bedürfnisse der Mitglieder. Sie bewirtschaften immer größere Flächen, weil andere Betriebe aufgeben. Das erfordert eine ausgefeilte Logistik bei der Grüngutanlieferung. Die Ansprüche an Eiweißgehalt und Nährstoffe im Futter steigen stetig. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die Trocknung daher zum spezialisierten, zwölffach zertifizierten Futtermittelhersteller mit umfangreichen Beratungsleistungen für die Landwirte. Selbst das von der Staatsregierung angenommene Artenschutz-Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat Auswirkungen auf den Betrieb. Vögele: „Wenn ein Landwirt seine Flächen später mähen will, wollen wir das in Zukunft möglich zu machen.“ Kurzum: Jede Menge Veränderungen in kurzer Zeit.

Unternehmen müssen sich laufend verändern

Damit ist die Futtertrocknung Lamerdingen nicht alleine. „Unternehmen müssen sich laufend verändern, um sich an neue Rahmenbedingungen anzupassen und weiterhin erfolgreich zu sein“, sagt der Hamburger Transformationsexperte Stefan Thode. Märkte, Wettbewerber, gesetzliche Vorschriften oder Konsumentenwünsche sind ständig in Bewegung und erfordern neue Strategien. Dazu kommen Megatrends wie die Digitalisierung oder der demografische Wandel, die sich auf alle Bereiche eines Unternehmens auswirken: auf Strategien und Produkte ebenso wie auf Prozesse und Systeme. Mit solchen Veränderungstreibern müssen sich Unternehmen permanent auseinandersetzen. „Eine längere Phase der Stabilität gibt es nicht mehr“, sagt Thode.

Viele Genossenschaften kennen das. Sie haben viele Veränderungen bewältigt, seit Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schultze-Delitzsch vor rund 160 Jahren die ersten Genossenschaften gründeten. Der technologische Fortschritt hat jedoch dazu geführt, dass die Innovationszyklen immer schneller und intensiver ablaufen. Das spüren alle bayerischen Genossenschaften – und sie stellen sich den Herausforderungen.

Die bayerischen Energiegenossenschaften zum Beispiel müssen sich laufend an veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen anpassen und daher auch ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln, um sich am hochpolitischen Energiemarkt zu behaupten. Sie verleasen deshalb neuerdings Photovoltaik-Anlagen, bieten schnelles Internet an oder heizen Neubauten mit Kaltwärme. Damit leisten sie einen wertvollen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung in den ländlichen Regionen.

Gleiches gilt für die genossenschaftlichen Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Bayern. Sie haben in den vergangenen Jahren auf den zunehmenden Wunsch der Verbraucher nach regionalen Lebensmitteln reagiert und fahren gut mit dieser Strategie. Auch die fränkischen Winzergenossenschaften haben sich auf dem deutschen Markt erfolgreich als Qualitätsanbieter etabliert. Das war nicht immer so: Anfang der 2000er Jahren hatten französische und italienische Produzenten den fränkischen Winzern mit leicht konsumierbaren Weißweinen den Rang abgelaufen. Erst als diese ihre Geschäftspolitik veränderten und auf Klasse statt Masse setzten, konnten sie das Ruder herumreißen.

Auch für die Genossenschaftsbanken sind Veränderungen in vielerlei Hinsicht ein Thema – etwa bei Fusionen, die es immer wieder gibt, wenn sich zwei Häuser auf die Konsolidierung von Strukturen einigen. Aber: Wie mache ich aus zwei Unternehmen eines? Unterschiedliche Kulturen und Arbeitsabläufe müssen zusammengeführt werden. Manche Institute nutzen diese Gelegenheit, um ihre internen Prozesse grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen und neu zu gestalten. Die VR GenoBank DonauWald ist diesen Weg gegangen und hat ihre Kreditorganisation im Privatkundengeschäft mithilfe des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) neu aufgestellt.

Unterstützung bei Fusionen

Die Fusion von Volksbanken und Raiffeisenbanken ist ein komplexes Unterfangen. Damit sie von der Planung über die Mitgliederversammlungen bis zum technischen Vollzug reibungslos klappt, steht der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) seinen Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite. Bei der Fusionsbegleitung des GVB übernehmen die Regionaldirektoren eine Schlüsselrolle: Sie steuern den Prozess und sind erster Ansprechpartner der Banken. Einen Überblick über die wesentlichen Schritte von der Sondierung über die rechtliche und steuerliche Beratung bis zum Verschmelzungsvertrag hat der GVB im Mitgliederbereich seiner Webseite zusammengestellt. Den Zugang erhalten die Banken von ihrer Regionaldirektion. Für weitere Tipps und Tricks zu Fusionen hat „Profil“ einige Beiträge aus dem Jahr 2017 zusammengestellt.

Herkulesaufgabe Digitalisierung

Einer Herkulesaufgabe müssen sich alle Unternehmen stellen: Die Automatisierung von immer mehr Geschäftsabläufen. Technische Innovationen wie das Smartphone und der zunehmende Stellenwert digitaler Dienstleistungen bei den Kunden führen dazu, dass ganze Geschäftsmodelle neu gedacht werden müssen. Immer mehr bayerische Genossenschaften verknüpfen deshalb die Vorzüge digitaler Dienstleistungen mit der Präsenz ihrer Mitglieder vor Ort.

„Die Digitalisierung bestimmt unser Handeln und unsere Strategie. Entscheidungen fallen zunehmend datengetrieben, alles wird messbar“, sagt Patrick Gottesleben, der in der Nürnberger Zentrale der VEDES als Geschäftsführer Marketing unter anderem den Bereich Digitalisierung verantwortet. Nicht zuletzt deshalb treibt das in Europa führende Handelsunternehmen für Spielwaren mit genossenschaftlichem Kern eine ganze Reihe strategischer Projekte voran, um ihre Mitglieder auch in den digitalen Märkten so zu positionieren, wie das die Kunden von ihrem Spielwarenhändler vor Ort gewohnt sind. Egal, über welchen Weg die Kunden zu ihrem Händler finden, sie sollen überall den gewohnt guten Service und das gleiche Angebot vorfinden. „Wir glauben ganz klar an das Omnichannel-Modell“, sagt auch VEDES Vorstand Achim Weniger.

Omnikanal ist auch bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken das Gebot der Stunde. Denn die Kunden entscheiden immer öfter spontan, ob sie ihre finanziellen Angelegenheiten in der Filiale, am Telefon, auf dem Smartphone oder am PC regeln.

Unterstützung zu KundenFokus

Die Strategieprojekte KundenFokus Privatkunden und  Firmenkunden sind zusammen mit der Digitalisierungsoffensive die Antwort der Volksbanken und Raiffeisenbanken auf den technologischen Fortschritt und die veränderten Kundengewohnheiten. Dazu bietet der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) seinen Mitgliedsbanken zahlreiche Unterstützungsleistungen an. Detaillierte Informationen zu den einzelnen Angeboten und Teilprojekten aus KundenFokus finden die GVB-Mitgliedsbanken im MuV-Manager unter dem Stichwort „KundenFokus“.

Das bestätigte unlängst eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB) unter mehr als 1.000 Bankkunden im Freistaat. Eine im Mai 2019 veröffentlichte Studie des Digitalverbands Bitkom besagt zudem, dass sich der Trend zum Online-Banking in den kommenden Jahren fortsetzen wird: Demnach nutzen inzwischen sieben von zehn Deutschen ab 16 Jahre Online-Banking. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 62 Prozent. Erstmals legen die Kunden bei der Auswahl ihrer Bank genauso viel Wert auf digitale Angebote wie auf persönliche Beratung.

Um ihren Kunden die Wahlfreiheit zu lassen, bauen die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken ihre digitalen Zugangswege aus. Im Schulterschluss mit den Unternehmen der genossenschaftlichen FinanzGruppe treiben sie dafür die Strategieprojekte KundenFokus Privatkunden und Firmenkunden voran. Die Fiducia & GAD liefert mit den geplanten Onlineplattformen für Privat- und Firmenkunden den Unterbau für die Digitalisierungsoffensive der Volksbanken und Raiffeisenbanken.

Auch das Taxigewerbe hat sich durch die Digitalisierung verändert, berichtet Frank Kuhle, Vorstand der Taxi-München eG. Vermittlerplattformen wie Uber oder MyTaxi versuchen, die Schnittstelle zwischen Kunde und Taxiunternehmer zu besetzen, zudem drängen mit Moia von VW oder Clevershuttle von der Deutschen Bahn auch in München Anbieter mit eigenen Autos auf den Markt. Für die Taxiunternehmer sind die Auftragsrückgänge schmerzlich. „Der Kuchen wird nicht größer, nur weil viele ein Stück abhaben wollen“, sagt Kuhle.

Um die Auslastung der Taxis zu steigern, hat die Genossenschaft zahlreiche Kooperationen abgeschlossen. Die Münchner Taxifahrer bringen rund 6.000 Patienten zuverlässig zur Dialyse und wieder nach Hause, sie fahren zu nachtschlafener Zeit Postboten, Zeitungsdrucker oder die Fahrer der Münchner Busse, Trambahnen und U-Bahnen zur ersten Schicht, wenn der öffentliche Verkehr ruht, und sie leisten im Auftrag des ADAC Tausende Male Starthilfe, wenn ein Fahrzeug liegen geblieben ist. Die Taxi-München eG hat rund 1.800 Mitglieder, die knapp 3.000 von 3.300 Münchner Taxis betreiben. Nachwuchssorgen hat Kuhle keine. Denn neben der Vermittlerzentrale bietet die Genossenschaft ihren Mitgliedern zahlreiche weitere Serviceleistungen an. „Die Taxiunternehmer erkennen den Wert der Genossenschaft heute mehr denn je. Zusammen sind wir stark. Dafür sind wir verlässlich und garantieren den Kunden Preissicherheit und Mobilität“, sagt Kuhle. Und eine eigene Taxi-App gibt es bei der Taxi-München eG seit 2010. „Wir bieten von der Telefonzentrale bis zur App rund um die Uhr 14 verschiedene Vermittlungssysteme auf allen Kanälen an“, sagt der Vorstand. „Da macht uns keiner was vor.“

Berührungsängste abbauen

Doch allein mit Investitionen in die digitale Infrastruktur ist es oft nicht getan. Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken unternehmen zudem einige Anstrengungen, um im eigenen Haus ein innovationsfreundliches Klima zu schaffen und die Mitarbeiter auf dem Weg in die digitale Zukunft mitzunehmen. Sie stoßen damit Veränderungen aktiv an. Bei der VR-Bank Neu-Ulm zum Beispiel gibt es die Innovationswerkstatt „GenoFaktur“. 15 Kollegen haben die Aufgabe, Innovationen ins Unternehmen zu bringen und Berührungsängste vor digitalen Anwendungen abzubauen. „Früher hat es gefühlte Ewigkeiten gedauert, bis wir neue Produkte einführen konnten. Durch die GenoFaktur haben wir deutlich an Schlagkraft gewonnen“, sagt Vorstand Wolfgang Seel.

Kunden und Mitarbeiter auf dem Weg der Veränderung mitnehmen – das ist auch für Fritz Fischer ein Erfolgsfaktor. Der Olympiasieger und Weltmeister im Biathlon ist gern gesehener Gast bei den Geno-Winterspielen der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. In Vorträgen setzt er sich regelmäßig damit auseinander, was Unternehmen und Leistungssportler gegenseitig voneinander lernen können. Sein Wahlspruch: „Keine Angst vor Veränderungen.“ Man könne sie ohnehin nicht aufhalten.

Wichtig sei, auf dem Weg der Veränderung niemanden alleine zu lassen und auch Kritiker ernst zu nehmen. „Wenn jemand meinen Vortrag mit ,So ein Schmarrn‘ kommentiert, dann gehe ich hinterher auf diese Person zu und frage sie nach dem Grund. Kann ja sein, dass sie recht hat“, so Fischer. Sowohl Trainer als auch Führungskräfte in Unternehmen müssten in der Lage sein, sich selbst zu hinterfragen und nicht alles vorzugeben. Es sei vielmehr die Aufgabe von Unternehmenslenkern, die Stärken der Mitarbeiter zu erkennen und zu fördern. „Der beste Chef ist der, der weiß, was jeder Mitarbeiter besonders gut kann.“

Den Menschen nicht vergessen

Veränderungen sind Chefsache. Das meint auch der Transformationsexperte Stefan Thode. „Das Topmanagement muss sich federführend um das Thema kümmern. Im Idealfall wirken dort Vorbilder, an denen sich das ganze Unternehmen orientiert.“ Weitere Erfolgsfaktoren sind laut Thode: eine klare Kommunikation der Vision und der Ziele, die Einbindung der Mitarbeiter und Expertise im Change-Management. „Nur große Konzerne können es sich leisten, einen eigenen Stab für das Thema Veränderungen vorzuhalten. Deswegen kann es Sinn ergeben, externe Expertise hinzuzuziehen“, so der Experte.

Fischer ist es jedoch ein großes Anliegen, bei allem Erfolgs- und Veränderungsdruck den Menschen hinter dem Mitarbeiter oder Sportler nicht zu übersehen. Den Computer könne man abends ausschalten – nicht aber Gefühle, Emotionen und Gedanken. „Erfolgreich sind Menschen nur, wenn sie sich wohlfühlen bei dem, was sie tun“, sagt Fischer.

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