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Die Umsätze der 992 bayerischen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften stiegen im Geschäftsjahr 2021 um 3,6 Prozent auf knapp 13,9 Milliarden Euro. Allerdings belasteten gestiegene Energie-, Kraftstoff- und Rohstoffpreise die Unternehmen auf breiter Front. Die genossenschaftlichen Unternehmen aus 35 Branchen boten mehr als 22.000 Menschen einen sicheren Arbeitsplatz. Im Vergleich zum Jahr davor war dies eine Steigerung um mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Reges Gründungsgeschehen

Einen positiven Trend zeigt auch das rege genossenschaftliche Gründungsgeschehen. 31 Genossenschaften nahm der GVB im vergangenen Jahr neu als Mitglieder auf (2020: 19; 2019: 18; 2018: 14). „Das Genossenschaftsmodell ist attraktiv wie eh und je“, sagte Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), anlässlich der Vorlage der Geschäftszahlen am Donnerstag in München. „Es hilft konkret dabei, Probleme zu lösen, es bindet Menschen vor Ort ein und setzt auf langfristigen Geschäftserfolg.“ Besonders augenfällig wurde dies erneut im Bereich der Nahwärmegenossenschaften, bei denen der Gründungstrend anhält. Alleine 14 haben sich im vergangenen Jahr gegründet. In den ersten drei Monaten dieses Jahres sind bereits 24 Nahwärmegenossenschaften in Bearbeitung.

Neue Genossenschaften in Bayern

In den Beiträgen „Wir glauben an die Kraft des Wir“ und „Vorreiter der Energiewende“ berichtet „Profil“ über die neu gegründeten Genossenschaften des Jahres 2021.

Die Gründung von Energiegenossenschaften könnte in den kommenden Jahren weiter an Fahrt gewinnen. „Energiegenossenschaften können einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten“, betonte Scheller. Sie treiben den regionalen Ausbau erneuerbarer Energien voran, halten die Wertschöpfung in der Region und können durch ihr Modell der Bürgerbeteiligung dazu beitragen, oftmals erbittert und emotional geführte Debatten zu befrieden.

Der GVB erwartet sich von der Bundesregierung eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Energiegenossenschaften. „Wer den Erfolg der Energiewende will, muss den Mut zu bürokratischen Entlastungen haben“, forderte Scheller. Das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung gibt bereits wichtige Hinweise, es bedarf aber noch der Nachbesserung und Konkretisierung. Die Eigennutzung selbst erzeugten Stroms in Genossenschaften (Energy-Sharing) wird nach wie vor durch bürokratische Hürden, Abgaben und Steuern erschwert. Dies muss im bereits angekündigten Sommerpaket behoben werden. Außerdem braucht es endlich Fairness bei den Netzentgelten. Erneuerbare Energien werden in erster Linie in ländlichen Regionen erzeugt. Durch unterschiedliche Netzentgelte in Stadt und Land wird der ländliche Raum nach wie vor benachteiligt. Und immer wieder kommt es zu Engpässen bei Netzkapazität und Anschlusspunkten. „Es gibt noch viel zu tun“, mahnte Scheller. „Das Jahr 2022 kann zum Jahr der Weichenstellung für den Erfolg der Energiewende werden.“

Steigende Strompreise führen zu Umsatzplus bei Energiegenossenschaften

Die 273 Energiegenossenschaften (plus 17) erwirtschafteten 2021 einen Umsatz in Höhe von 371 Millionen Euro, ein Plus von 9,4 Prozent. Höhere Preise sorgten dafür, dass der Umsatz über alle regenerativen Energieerzeuger – egal ob Wind, Wasser, Solarenergie oder Biogas – deutlich zulegte. Als Belastung für den Umsatz erwies sich das Wetter des vergangenen Jahres. Durch weniger Sonnenstunden und weniger Wind mussten einige Versorger Strommengen teuer zukaufen, konnten diese Mehrkosten aber nicht an ihre Kunden weitergeben.

Hinzu kam ein weiterer Zubau im Bereich Photovoltaik. Beim Ausbau von PV-Anlagen sieht der GVB allerdings noch einige Hindernisse: Zum Beispiel wird die Verfügbarkeit von geeigneten Flächen zunehmend zum Problem, da Genossenschaften gegenüber anderen Investoren häufig das Nachsehen haben. „Genossenschaften haben den Mitgliedernutzen im Blick und sind daher nicht bereit, jedweden aufgerufenen Preis für Flächen zu zahlen“, betonte Scheller. Bei der Vergabe staatlicher Flächen setzt sich der GVB daher dafür ein, dass neben dem Preis noch weitere Faktoren bei der Zuteilung ins Zentrum rücken sollten. „Die Beteiligung der Bürger und die regionale Wertschöpfung sollten vor allem bei der Vergabe staatlicher Flächen stärker zum Tragen kommen. Dies würde dem Gemeinwohl und damit den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen“, forderte Scheller. 

Raiffeisen-Warengeschäft gewährleistet Versorgungssicherheit

Auf ein erfolgreiches Jahr blicken die 81 Unternehmen im Raiffeisen-Warengeschäft zurück. Sie steigerten ihre Umsätze um 5,6 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Der Preisanstieg in vielen Produktgruppen, insbesondere beim Getreide, trug zu dem Umsatzplus bei. Darüber hinaus gewährleisten die Raiffeisen-Lagerhäuser die Versorgungssicherheit für die Landwirtschaft vor Ort. Der Raiffeisenhandel konnte die Versorgung mit Materialien stets sicherstellen, das galt für Dünger und Pflanzenschutzmittel ebenso wie für Baustoffe. „Das zeigt, welche Bedeutung dem regionalen Raiffeisenhandel in angespannten Situationen wie dieser zukommt. So konnten die Turbulenzen auf den Weltmärkten gut abgefedert werden“, folgerte Scheller. Den Genossenschaften kam zudem zugute, dass, im Gegensatz zu den Corona-bedingten Einschränkungen im Jahr 2020, ihre Märkte durchgehend geöffnet waren.

Sorgen bereiten den Warenhäusern aktuell die möglichen Folgen des Ukraine-Kriegs und dessen Auswirkung auf Lieferketten sowie die steigende Inflation. Dies könnte die Preise sowie die Belastung von Haushalten und Unternehmen weiter erhöhen und zu Kaufzurückhaltung führen. Zudem ist zu befürchten, dass die Versorgungssicherheit mit Energie leiden könnte.

Genossenschaften im Handel, Gewerbe und Handwerk mit Umsatzplus

Bei den gewerblichen Handels- und Handwerksgenossenschaften wirkten sich gestiegene Energie- und Rohstoffpreise sowie die Materialknappheit dämpfend auf die Geschäfte aus. Allerdings konnten die genossenschaftlichen Unternehmen in diesen Sparten ihre Umsätze steigern. Die 152 gewerblichen Genossenschaften legten beim Umsatz um 3,7 Prozent auf knapp 1,3 Milliarden Euro zu. Besonders gut gelaufen ist das vergangene Geschäftsjahr für Unternehmen aus dem IT-Dienstleistungssektor. „Drei Gründungen im Bereich Kommunikation IT und Kommunikation belegen, dass Genossenschaften auch in dieser Zukunftsbranche Lösungen anbieten“, erklärte Scheller. Hier wäre noch mehr möglich gewesen, aber Corona-bedingte Unsicherheiten wirkten sich dämpfend auf das Gründungsgeschehen aus.

Die 56 Handelsgenossenschaften steigerten Umsatz um 6,3 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro. Im Bereich Handel liefen vor allem Gesundheits-Dienstleistungen gut. Auf der anderen Seite drückten hohe Kraftstoff- und Energiepreise die Erträge. Bei Dorf- und Unverpackt-Läden setzt sich der Gründungstrend fort. Seit 2019 gründeten sich neun neue Läden. Deren Konzept der ökologischen Nachhaltigkeit durch die Vermeidung von Verpackungsmaterialen und in der Regel kurze Transportwege, passt in die Zeit. Die Gastronomie-Branche litt hingegen unter häufigen Personalausfällen aufgrund von an Covid erkrankten Mitarbeitern. Zudem fielen zahlreiche Veranstaltungen aus, was die Umsätze von genossenschaftlichen Großhändlern in diesem Bereich belastete.

46 Handwerksgenossenschaften sind Mitglied beim GVB. Sie erzielten Umsätze in Höhe von 814 Millionen Euro, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Neben genossenschaftlichen Handwerksbetrieben wie Brauern gehören dazu auch Genossenschaften für Handwerksberufe wie etwa Bäcker, Metzger und Dachdecker, die ihre Beschaffung oder ihren Vertrieb gemeinschaftlich organisiert haben. 

Insbesondere die Bäckereien können auf gute Geschäfte zurückblicken. „Brot, Semmeln und Brezn sind gefragt. Zudem bieten Bäckereien beliebte Pausensnacks an“, erklärte Scheller. Das schlug sich positiv bei Bäckereieinkaufsgenossenschaften nieder. Allerdings trübten Einbrüche im Café- und Bistrobereich das Bild. Weniger gut lief es auch bei Konditoren. „Ein Stück Torte genießt man gerne in Gesellschaft in einem Café. Wenn diese von Schließungen betroffen sind, bleibt das nicht ohne Folgen“, sagte Scheller.

Ein ähnliches Bild wie im Vorjahr ergab sich bei Brauereien. „Wer Bier in Flaschen abfüllt und im Lebensmitteleinzelhandel verkauft, kam gut durch das Jahr. Wer auf Fassbier und die Belieferung von Festen setzt, spürte die anhaltenden Einschränkungen und Absagen“, sagte der GVB-Präsident.

Weiter rege blieb im vergangenen Jahr die Bautätigkeit. Baunahe Dienstleistungen liefen entsprechend gut – auch bedingt durch höhere Preise. Das kam den Einkaufsgenossenschaften der baunahen Handwerksberufe zugute.

Ländliche Genossenschaften mit gemischtem Bild

Die 236 ländlichen Genossenschaften kamen auf einen Umsatz in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, ein Rückgang um knapp sechs Prozent. 

Bei den Fleischerzeugern war das Jahr noch von den Auswirkungen von Corona geprägt. Während der Absatz von Rindfleisch solide lief, kam es bei Schweinefleisch zu Einbrüchen. Klassische Absatzmärkte für Schweinefleisch wie die Gastronomie oder Kantinen waren nicht im gewohnten Umfang zugänglich. Durch den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest und die damit verbundenen Exportbeschränkungen fehlten alternative Absatzmärkte. Diese Entwicklungen führten zu einem drastischen Preisverfall. In dessen Folge ist die Zahl der gehaltenen Schweine bereits deutlich zurückgegangen, wodurch sich der Strukturwandel weiter beschleunigt hat.

Auf ein solides Jahr mit durchschnittlichen oder leicht überdurchschnittlichen Mengen und Qualitäten blicken die Winzer- und Weingenossenschaften zurück. Auch hier zeigt sich: Betriebe, die sich auf die Bewirtung von Festen und die Gastronomie ausgerichtet haben, verbuchten Einbußen – Betriebe, die ihre Produkte im Lebensmitteleinzelhandel absetzen, waren mit dem vergangenen Geschäftsjahr überwiegend zufrieden.

Positiv können die Trocknungsgenossenschaften auf das vergangene Jahr zurückblicken – vor allem im südlichen Teil des Freistaats. Im Norden spürten sie weiter die Folgen einer anhaltenden Trockenphase – wobei sich auch hier die Lage im vergangenen Jahr etwas entspannte.  

Milchgenossenschaften: Höherer Milchpreis aufgrund steigender Nachfrage

104 Milchgenossenschaften steigerten ihre Umsätze um knapp ein Prozent auf 3,23 Milliarden Euro. Die Nachfrage nach Milchprodukten entwickelte sich erfreulich, was auch national wie international zu gestiegenen Preisen führte. Infolgedessen stieg der Milcherzeugerpreis. Im bundesweiten Durchschnitt erreichte er 36 Cent, in Bayern waren es 37,2 Cent.

Als kostentreibend erwiesen sich hingegen höhere Preise für Logistik sowie für Verpackungsmaterial, das immer mehr zu einem knappen Gut wird. Gestiegen sind auch die Aufwendungen zur Erfassung und Verarbeitung der Milch, um steigenden Tierwohlstandards zu entsprechen. In der energieintensiven Molkereibranche schlugen gestiegene Energiepreise besonders zu Buche. Im laufenden Jahr dürfte die Verfügbarkeit von Energie zu einem entscheidenden Kriterium werden. „Ohne eine ausreichende und verlässliche Gasversorgung kann die Milch unter Umständen nicht mehr verarbeitet werden“, mahnte Scheller. Da Milch eine leicht verderbliche Ware ist, müsste sie dann in großem Stil weggekippt werden. „Es ist dringend erforderlich, eine verlässliche Energieversorgung der Molkereien sicherzustellen“, forderte Scheller. Der Umstieg von Gas auf Heizöl ist nicht nur aus Klimaerwägungen keine Option, auch die benötigten großen Mengen stellen die Betriebe vor Probleme.

Durch steigende Tierwohlauflagen wird sich auch in der Milchviehhaltung der Strukturwandel verschärfen. Nach Schätzung des GVB verfügten von den 23.500 bayerischen Milchlieferanten noch etwa 9.500 über ganzjährige Anbindehaltung, die aufgrund von Auflagen des Einzelhandels immer weiter unter Druck gerät. Von diesen Betrieben dürften nur etwa 1.000 offen sein  für  Investitionen in die Laufstall- oder Kombinationshaltung.

Scheller appellierte an den Lebensmitteleinzelhandel: „Die Händler müssen bereit sein, die zuletzt stark gestiegenen Preise an der Supermarktkasse auch an die Verarbeiter und Erzeuger weiterzugeben. Es darf nicht sein, dass auf der Erzeugerseite die Kosten für Tierhaltung und Energie stark steigen, diese aber auf den höheren Kosten sitzen bleiben, weil der Lebensmitteleinzelhandel Profite aus Preiserhöhungen in die eigene Tasche steckt.“

Ausblick

Für das laufende Jahr wird Energie zu einem entscheidenden Faktor – sowohl was die Verfügbarkeit als auch den Preis angeht. „Nicht zuletzt der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns die Verwundbarkeit unserer Energieversorgung deutlich vor Augen geführt. Es muss nun darum gehen, Abhängigkeiten zu reduzieren und eine sichere, verlässliche und günstige Energieversorgung zu gewährleisten“, mahnte Scheller. „Energiegenossenschaften können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“

Einen wichtigen Beitrag zu Versorgungssicherheit und  regionaler Wertschöpfung leisten auch die Unternehmen der Ernährungswirtschaft. „Deren Bedeutung ist angesichts der geopolitischen Entwicklungen deutlich zutage getreten“, sagte Scheller. „Was es braucht, ist eine neue Wertschätzung für deren Beitrag zu Versorgungssicherheit, Lebensmittelqualität und regionaler Wertschöpfung“, forderte Scheller.

Das gelingt nur, wenn Unternehmen auch ungestört arbeiten können. Immer neue bürokratische Auflagen machen vielen Unternehmen das Leben unnötig schwer. Der GVB fordert daher ein Belastungsmoratorium. „Neue Auflagen und Berichtspflichten müssen erst auf den Prüfstand. Es muss vor deren Einführung klar sein, in welchem Verhältnis Aufwand und Nutzen stehen. Wir wünschen uns für unsere Mitglieder mehr Mut beim Streichen von Auflagen“, resümierte Scheller.


Der Genossenschaftsverband Bayern e.V. (GVB) vertritt seit mehr als 125 Jahren die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1.167 Mitgliedern zählen 208 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie 959 Unternehmen aus Branchen wie Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit rund 50.000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Anteilseignern eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat (Stand: 31.12.2021).

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