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Dauerprobleme: Kosten und Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Dauerproblem für deutsche Unternehmen jeglicher Größenordnung entwickelt. Angesichts des bevorstehenden Altersstrukturwandels wird er vorerst auch ein Problem bleiben. Wahrscheinlich dürfte die Betroffenheit angesichts der demografischen Entwicklung, vor der Deutschland steht, zukünftig noch zunehmen.

Dies zeigen auch die Ergebnisse unserer seit 1995 halbjährlich unter 1.000 Unternehmen durchgeführten Mittelstandsumfrage, in der wir regelmäßig die wichtigsten aktuellen Problemfelder für die Unternehmen abfragen. Angesichts der Energiekrise haben zwar in unserer letzten Umfrage vom Herbst 2022 die Energiekosten den Fachkräftemangel als größtes akutes Problem abgelöst. Aber auch wenn der Fachkräftemangel damit von seiner angestammten Spitzenposition bei den aktuellen Problemfeldern rutschte, hat er für den Mittelstand selbst in der Energiekrise kaum an Bedeutung verloren. Vier von fünf Befragten identifizierten den Fachkräftemangel auch weiterhin als wichtiges aktuelles Problem. Ein halbes Jahr früher waren es mit 83 Prozent der Befragten aber noch etwas mehr gewesen.

Der leichte Rückgang bei der Zustimmungsrate darf jedoch nicht überbewertet werden. Er ist eher eine Folge der stark gestiegenen Kostenbelastung, auf die sich die Unternehmen derzeit konzentrieren müssen. Das zeigt auch das Beispiel der Elektroindustrie, in der sich das Fachkräfte-Problem seit dem Frühjahr sogar weiter verschärft hat. Der Anteil der Betroffenen stieg hier von 81 auf 86 Prozent.

Vier von fünf Unternehmen identifizieren den Fachkräftemangel in der VR Mittelstandsumfrage im Herbst 2022 als großes Problem (in Prozent der Befragten).

Im Vergleich dazu die VR Mittelstandsumfrage vom Frühjahr 2022: Vor der Energiekrise bereitete der Fachkräftemangel sogar 83 Prozent der befragten Unternehmen Sorgen.

Fachkräftemangel lässt Lohnkosten steigen

Eine Folge des Fachkräftemangels ist die zunehmende Konkurrenz um die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Fachkräfte. Aber auch um Experten im Unternehmen zu halten, muss neben nicht pekuniären Anreizen immer häufiger zum Mittel der Gehaltserhöhung gegriffen werden. Dazu kommt die hohe Inflation, die für deutlich zurückgehende Reallöhne sorgt. Da die Energie- und Lebensmittelpreise fürs Erste auf einem höheren Niveau bleiben dürften, nehmen trotz der für die Unternehmen schwierigen Krisen-Situation die Lohnforderungen zu. Mittlerweile klagen bereits rund zwei Drittel der in unserer Mittelstandsumfrage befragten Unternehmen über ihre Lohnkosten.

Dabei sinkt die Sorge um die Lohnkostenbelastung tendenziell mit zunehmender Unternehmensgröße. Besonders betroffen sehen sich neben den kleinen Mittelständlern mit einem Jahresumsatz von weniger als 5 Millionen Euro auch die mittelständischen Unternehmen im Agrarsektor, in den Dienstleistungen, im Ernährungsgewerbe und im Handel. Stark verschärft hat sich das Problem insbesondere bei den Dienstleistern, zu denen auch das Gastgewerbe gehört. Zeigte sich hier im Frühjahr 2022 „nur“ etwas mehr als die Hälfte betroffen, waren es im Herbst über 70 Prozent.

Mit Ausnahme des Ernährungsgewerbes identifizierten zwar unterdurchschnittlich viele Mittelständler in der Industrie sowie im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe die gestiegene Lohnkostenbelastung als Problem. Dennoch hat sich das Problem der Lohnkosten binnen eines halben Jahres in allen Branchen und fast allen Größenklassen verschärft.

Für immer mehr Mittelständler werden Lohnkosten zum Problem, wie die VR Mittelstandsumfrage im Herbst 2022 zeigt (in Prozent der Befragten).

Vergleich mit der VR Mittelstandsumfrage im Frühjahr 2022: Binnen eines halben Jahres hat sich das Problem der Lohnkosten verschärft.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Der Renteneintritt der Babyboomer wird das Problem des Fachkräftemangels noch deutlich verschärfen. Der in Deutschland geburtenstärkste Jahrgang 1964 wird bis spätestens 2031 in den Ruhestand gehen. Allzu lange Zeit lassen dürfen sich die Unternehmen daher mit ihren Gegenmaßnahmen nicht. Dies gilt vor allem, wenn ihr Anteil an älteren Arbeitnehmern recht hoch ist. Mit der Möglichkeit zum weitgehenden Arbeiten im Mobile Office könnten Unternehmen beispielsweise einen für junge Mitarbeiter möglicherweise unattraktiven Standort deutlich interessanter machen. Umgekehrt lässt sich in teuren Ballungsräumen ein für neue Mitarbeiter sonst notwendiger Umzug mit den damit verbundenen hohen Mietkosten vermeiden. Letztendlich geht es aber nicht nur darum, das Unternehmen zu verjüngen. Vielmehr muss das Arbeiten im Unternehmen möglichst attraktiv gestaltet sein, um ältere Fachkräfte zu halten und um jüngere Arbeitnehmer anzuziehen.

Geeignete Maßnahmen könnten hier etwa flexible Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit zum Mobile Office, eine betriebliche Altersversorgung und Gesundheitsförderung oder umfangreiche Qualifizierungsmaßnahmen sein. Aber auch das Gehalt spielt im Wettbewerb um die Mitarbeiter eine große Rolle. Mit Gehaltserhöhungen können Mitarbeiter im Haus gehalten werden, mit einem guten erfolgsabhängigen Vergütungssystem neue Mitarbeiter angeworben werden. Bei jüngeren Mitarbeitern dürfte sich auch eine Unterstützung bei der Kinderbetreuung anbieten, etwa über Betriebskindergärten oder die Vermittlung von Kindergartenplätzen. Insgesamt wird vor allem dem Thema „Work-Life-Balance“ eine immer größere Bedeutung zukommen müssen.

Auch die Politik ist gefordert

Aber auch die Politik ist gefordert. Die längere Beschäftigung älterer Mitarbeiter muss einfach möglich und steuerlich attraktiv sein. Dann würden auch mehr ältere Fachkräfte freiwillig über das eigentliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten, wenn es ihnen gesundheitlich möglich ist. Auch die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland muss deutlich einfacher werden. Hier darf den Unternehmen und den Interessenten die Bürokratie nicht im Weg stehen. Sonst sind deutsche Unternehmen für Fachkräfte aus dem nahen und fernen Ausland kein attraktives Ziel. Schließlich steht Deutschland hier im Wettbewerb mit anderen westlichen Industrienationen, bei denen sich das Problem des Altersstrukturwandels mehr oder weniger ähnlich zeigt oder zumindest in naher Zukunft ähnlich zeigen wird.


Dr. Claus Niegsch ist Branchenanalyst bei DZ Research der DZ BANK.

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