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Die Spielwarenmesse ist zurück! Zwei Mal musste das Mega-Event wegen Corona aussetzen, doch Anfang Februar waren die Hallen auf dem Nürnberger Messegelände wieder voll. Über 2.100 Aussteller aus 69 Ländern präsentierten ihre Produkte, 1.700 davon aus dem Ausland. „Wir freuen uns sehr über das positive Ergebnis, das nahezu auf dem Vor-Corona-Niveau liegt und damit unsere Erwartungen übertrifft“, sagt Christian Ulrich, Sprecher des Vorstands der Spielwarenmesse eG. 95 Prozent der Aussteller hätten ihre Teilnahme an der Branchenschau als wichtig erachtet. Mit dem Verlauf seien 92 Prozent zufrieden gewesen.

Erfolgreicher Re-Start

Insgesamt kamen an den fünf Tagen 58.000 Händler und Einkäuferinnen aus 128 Ländern auf die Messe. Das entspricht einem Minus von 8 Prozent, das größtenteils auf den ausbleibenden Gästen aus China und Russland basiert. Der Zuspruch aus dem amerikanischen Spielwarenmarkt – seines Zeichens der weltgrößte – war laut Spielwarenmesse dagegen so hoch wie nie und wuchs um knapp 10 Prozent. Christian Ulrich zeigt sich mit dem Re-Start zufrieden: „83 Prozent der Aussteller planen ihre erneute Teilnahme bereits fest ein. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklung in der weltweiten Messelandschaft bietet die Spielwarenmesse der Branche einen stabilen Anker.“

Trotzdem wirken die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bei vielen Ausstellern nach. Zur letzten Präsenzmesse im Jahr 2020 waren über 2.800 Aussteller gekommen, im ersten Nach-Corona-Jahr 2023 waren es gut 2.100, also rund ein Viertel weniger. Vor allem in den Hallen 7 in der Kategorie Sport, Freizeit, Outdoor und 7A bei Modelleisenbahnen und Modellbau blieben Standplätze frei. Teile der Halle 7 waren abgetrennt und dienten als Lager, in Halle 7A füllten großzügige Sofalandschaften den freien Platz. Von weit über 100 Ausstellern aus der Modellbahnbranche seien dieses Jahr ganze neun übriggeblieben, meldete ein Modellbahnmagazin im Vorfeld der Messe.

Kidicraft: Qualität der Produkte erfühlen

Diejenigen Aussteller aber, die auf der Spielwarenmesse ihre Produkte präsentierten, zeigten sich durchweg zufrieden. Roy Greenwood, Direktor von Kidicraft aus dem britischen Nelson nördlich von Manchester, fasst die Vorteile der Spielwarenmesse im Vergleich zu digitalen Vertriebsaktivitäten in drei Schlagworten zusammen: „Alles ist schneller, leichter und bequemer.“ Kidicraft stellt Puzzle von 48 bis 3.000 Teilen her. Die Motive sind Lizenzbilder bekannter Marken wie Harry Potter, Star Wars oder Superman, aber auch vom deutschen Modellbahnhersteller Arnold. „Die Menschen können die Puzzle anfassen und erkennen sofort die Qualität. Auch der persönliche Kontakt macht vieles leichter“, sagt Greenwood. Allein für Deutschland sei er schon mit mehreren Händler ins Geschäft gekommen. Der Messebesuch laufe sehr erfolgreich, sagt der Brite. „So weit, so gut, wirklich!“

Spielwarenmesse: Gegründet 1950 als Genossenschaft

Hinter der Spielwarenmesse steckt eine Genossenschaft: Das Nürnberger Unternehmen veranstaltet die international renommierte Spielwarenmesse in Nürnberg, die um das Angebot der „Spielwarenmesse Digital“ ergänzt wird. Darüber hinaus gehören die „Kids India“ in Mumbai sowie die Fachmesse „Insights-X“ für Papier-, Büro- und Schreibwaren in Nürnberg zum Portfolio. Neu hinzugekommen sind die Internationalen Spieltage „SPIEL“ in Essen und die Messe „BRANDmate“ in Offenbach für Lizenzgeschäfte. Das Leistungsspektrum der Genossenschaft umfasst auch das internationale Messeprogramm „World of Toys by Spielwarenmesse eG“, das Hersteller gemeinschaftlich auf Fachmessen in Asien und in den USA führt. Weltweit ist die Spielwarenmesse eG durch Repräsentanten in über 90 Ländern vertreten. Zusätzlich sind die Tochterunternehmen Spielwarenmesse Shanghai Co., Ltd. für die Volksrepublik China und die Spielwarenmesse India Pvt. Ltd. für Indien zuständig. Das Tochterunternehmen Die roten Reiter GmbH mit Sitz in Nürnberg arbeitet als Kommunikationsagentur für die Konsum- und Investitionsgüterindustrie.

Die Geschichte der Spielwarenmesse eG reicht bis in die Gründungszeit der Bundesrepublik Deutschland zurück. Den Spielwarenherstellern fehlt nach der Teilung Deutschlands eine geeignete Messe für die Präsentation ihrer Produkte. Carl Ehmann (Märklin), Ernst Theodor Horn (Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Spielwarenindustrie), Arno Drottboom (Direktor der VEDES) und Hans Mangold (Spielwarenfabrik GAMA) beschließen deshalb, in Nürnberg eine deutsche Fachmesse ausschließlich für Spielwaren zu gründen. Die Umstände sind enorm schwierig – nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein Großteil der Stadt Nürnberg zerstört. Trotzdem gelingt das Vorhaben: Vom 12. bis 18. März 1950 stellen 351 Unternehmen auf der ersten Deutschen Spielwaren-Fachmesse in Nürnberg aus, 4.300 Einkäufer kommen. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard eröffnet die Messe.

Nach der erfolgreichen Premiere gründen der Messeausschuss und 46 Spielwarenhersteller am 11. Juli 1950 eine Genossenschaft für die Organisation einer deutschen Fachmesse für Spielwaren. Leitmotiv sind die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Die Spielwarenmesse eG wurde in der Branche geboren und repräsentiert die Branche: Die rund 150 Mitglieder kommen bis heute größtenteils aus der Spielwarenindustrie und dem Spielwarenhandel. Mit ihrer genossenschaftlichen Rechtsform hat die Spielwarenmesse eG ein Alleinstellungsmerkmal unter den Messegesellschaften.

Das komplette Unternehmensprofil ist unter www.spielwarenmesse-eg.de verfügbar.

Hans im Glück Verlag: Kontakte zu Autoren und Lizenznehmern

Moritz Brunnhofer vertritt den Hans im Glück Verlag aus München, der das bekannte und beliebte Gesellschaftsspiel „Carcassone“ vertreibt. Auch auf dem Messestand des Verlags war „Carcassone“ in mehreren Versionen vertreten. „Unsere Präsenz auf der Spielwarenmesse verfolgt zwei Hauptzwecke: Kontakte zu Lizenznehmern, denen wir unsere Spiele in Lizenz verkaufen, sowie Kontakte zu Spieleautoren für neue Ideen“, sagt Brunnhofer. Interessant sei die Messe auch, um zum Beispiel neue Produktionsmöglichkeiten für die Spiele auszuloten. Die Erwartungen des Hans im Glück Verlags wurden laut Brunnhofer erfüllt. „Wir konnten ausreichend Termine wahrnehmen, auch wenn im Vergleich zur letzten Messe weniger Besucher gekommen sind.“

Zwar sei es eine Option, den Vertrieb über digitale Kanäle zu organisieren, aber der direkte Kontakt sei doch besser, findet Brunnhofer. Die Spielwarenmesse bringe viele Menschen aus vielen Branchen zusammen. „Geschäftsbeziehungen werden enger und es lassen sich Pläne besser vermitteln.“ Der Verlag plant, 2024 wieder nach Nürnberg zu kommen. Nach einem regelrechten Hype in der Corona-Zeit erlebe das Geschäft mit Brettspielen aktuell einen massiven Rückgang, berichtet Brunnhofer. Als die Menschen in der Corona-Pandemie nicht reisen konnten, seien Brettspiele die Alternative gewesen. Nun seien die Lager voll, aber der Absatz stocke, weil die Menschen ihr Geld wieder für Reisen und andere Aktivitäten ausgeben können. Brunnhofer sieht es trotzdem positiv. „Brettspiele sind wieder ein Thema in den Medien geworden und für viele interessant. Wir gehen davon aus, dass sich das Interesse längerfristig erhöht hat.“

Ugears: Produktion trotz Raketenangriffen

Trotz des Kriegs sind auch zahlreiche Spielzeughersteller aus der Ukraine auf der Spielwarenmesse vertreten. Ugears zum Beispiel fertigt 3D-Bausätze und mechanische Modelle aus Sperrholz. Blickfang am Stand von Ugears ist eine komplexe dreidimensionale Murmelbahn. Die Murmeln werden über aufwändige Zahnrad-getriebene Aufzüge nach oben befördert, bevor sie über verschlungene Bahnen wieder nach unten rollen. Verkauft werden auch Bausätze, die den Verteidigern der Ukraine gewidmet sind. Dazu gehört ein Kampffahrzeug und – als Hommage an mutige ukrainische Bauern – ein Traktor, der einen russischen Panzer abschleppt.

Der Krieg im Modell: Das ukrainische Kampffahrzeug Dozor B von Ugears als Bausatz aus Sperrholzteilen und…

… ein ukrainischer Traktor, der einen russischen Panzer abschleppt. In den sozialen Medien gingen solche Bilder viral.

Neue Kontakte zu europäischen Unternehmen

Oleksiy Lysianyi ist Geschäftsführer von Ugears. Der Besuch der Spielwarenmesse habe sich gelohnt, berichtet er. „Zunächst einmal war es für uns ein Erfolg, dass Ugears dieses Jahr trotz der brutalen Angriffe Russlands auf unser Heimatland auf der Messe vertreten war. Wir haben einige der neu erschienenen Modelle, aber auch die für 2023 geplanten Bausätze präsentiert. Ugears hat viel positives Feedback zu unseren 3-D-Puzzles erhalten, einschließlich derjenigen, die den Verteidigern der Ukraine gewidmet sind, und wir konnten auch neue Verbindungen für eine mögliche künftige Zusammenarbeit mit europäischen Unternehmen knüpfen.“

Die Spielwarenmesse sei wichtig für Ugears, sagt Lysianyi. „Die Messe gibt uns auch die Möglichkeit, viel Feedback zu unseren Produkten zu bekommen und die wichtigsten Trends in der Branche zu sehen.“ Wird Ugears 2024 wieder an der Messe teilnehmen? Lysianyi ist optimistisch: „Wir hoffen, dass die Ukraine den russischen Krieg bis 2024 gewinnt, und wir werden nächstes Jahr mit Stolz noch mehr tolle Produkte auf der Spielwarenmesse präsentieren.“

Lager in Schutt und Asche gelegt

Unter welchen Umständen ihr Unternehmen aktuell produziert, darüber gibt Lysianyi ebenfalls Auskunft: „Das Büro und die Produktion von Ugears befinden sich im Dorf Horenka in der Nähe von Kiew. Im Frühjahr 2022 wurden sie wegen des Beschusses durch die russischen Truppen geschlossen und schwer beschädigt, und das Ugears-Lager wurde mit Produkten im Wert von 500.000 Euro in Schutt und Asche gelegt.“ Seit Ende Mai 2022 sei es Ugears gelungen, die beschädigten Gebäude zu reparieren und die Produktion wieder aufzunehmen, berichtet Lysianyi. Trotz regelmäßiger Raketenangriffe und Stromausfälle habe das Unternehmen über 20 neue Modelle auf den Markt gebracht, darunter eine lizenzierte Harry-Potter-Kollektion und Modelle, die den Verteidigern der Ukraine gewidmet sind. Zusätzlich zu den Produktionsherausforderungen habe die russische Invasion Ugears dazu gezwungen, die Produkte sofort an das Lager in Lettland zu liefern, und der Transport sei nun wesentlich schwieriger.

Dodo Toys: Finden, oder gefunden werden

Auch Olena Terpai stellt auf der Spielwarenmesse gerne die Produkte ihres Unternehmens vor. Dodo Toys produziert und vertreibt Puzzle, teilweise in Lizenz, außerdem Ausmalsets und speziell für Mädchen Kreativsets unter der Marke „U Girl“ zur Persönlichkeitsentwicklung. In einem Ringbuch befinden sich zum Beispiel Vorlagen für Kleider, die die Mädchen ausmalen, ausschneiden und dann einer Papierfigur anziehen können. „Leiterin Kreation und Design“ steht auf der Visitenkarte von Terpai. Für Dodo sei die Spielwarenmesse eine Gelegenheit, enger mit Stammkunden zu kommunizieren, Eindrücke auszutauschen, neue Produkte zu zeigen und ein erstes Feedback von Kunden über die Neuheiten zu erhalten, bevor die Massenproduktion beginnt. „Und natürlich bietet die Messe Gelegenheit, potenzielle Kunden kennenzulernen und zu sehen, wie sich der weltweite Spielwarenmarkt verändert hat, wie stark unsere Konkurrenten und die wichtigsten Global Player gewachsen sind“, sagt Terpai. Während die Treffen mit Stammkunden zu ihrer vollen Zufriedenheit verlief, werde die Zeit zeigen, ob auch neue Kunden gewonnen werden können.

Die Kreativchefin von Dodo nennt drei Gründe, warum die Spielwarenmesse wichtig für ihr Unternehmen ist:

  • „Erstens, um aus erster Hand zu erfahren, wie groß der Spielwarenmarkt in all seinen Erscheinungsformen ist, um Trends, Veränderungen und die Entwicklungsgeschwindigkeit von Unternehmen zu sehen. Das motiviert wirklich, Neues zu machen.
  • Zweitens kann man auf der Spielwarenmesse aktuelle und potenzielle Partner treffen, um Kontakte zu knüpfen und die Zusammenarbeit zu intensivieren.“
  • Drittens ist die Spielwarenmesse ein Ort, an dem man mit einem coolen Produkt und dem Ziel, neue Partner zu finden, immer welche finden wird, oder sie werden dich finden.“

Die Frage, ob Dodo auch 2024 wieder auf der Spielwarenmesse vertreten sein wird, erachtet Terpai als Selbstverständlichkeit. „Ja, natürlich. Wir haben bereits Pläne für das nächste Jahr mit neuen Produkten, neuen Ideen, die wir der ganzen Welt vorstellen wollen, und das kann man auf der Messe tun.“ Auch Dodo bekommt die Folgen des Kriegs zu spüren. „Unser Büro, die Produktion und das Lager befinden sich in Charkiw. In den ersten sechs Monaten des Kriegs war die Stadt täglich unter Beschuss. Glücklicherweise hat sich die Situation jetzt stabilisiert, obwohl weiterhin Raketen einschlagen, aber nicht mehr so massiv“, sagt Terpai.

Jammern ist keine Option

Glücklicherweise habe Dodo keine größeren Produktverluste erlitten, und die Produktion laufe trotz der Stromausfälle weiter. Zwar leide der ukrainische Spielwarenmarkt unter dem Krieg und auch der russische Markt sei für immer verloren, Jammern ist aber keine Option für Terpai. „Wir arbeiten weiter, suchen Partnerschaften in Europa und haben im letzten Jahr auch internationale Online-Plattformen erschlossen.“

Das Schwanken zwischen Hoffnung und Resignation der Ukrainer beschreibt Terpai so: „Wir glauben, dass die Ukraine bald siegen wird, aber wir leben auch in dem Bewusstsein, dass der Krieg vielleicht nie enden wird. Das ist die einzige Möglichkeit, zu arbeiten und zu existieren, ohne verrückt zu werden.“ Die Menschen in der Ukraine und im Team von Dodo seien hochmotiviert, das Land, seine Wirtschaft und den Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren durch ihre Arbeit zu unterstützen. „Deshalb sind wir sehr daran interessiert, neue Vertriebspartner in Europa und der ganzen Welt zu finden“, sagt Terpai.

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