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Was können Volksbanken und Raiffeisenbanken von Automobilherstellern lernen? „Viel“, sagt Carsten Krauß. Und ergänzt nach kurzem Überlegen: „Nein, sehr viel sogar.“ 2015 besuchte der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Roth-Schwabach gemeinsam mit den weiteren Führungskräften das Audi-Werk in Ingolstadt. Im Rahmen dieser „Learning Journey“ schauten sie sich die Produktion des A4 an und diskutierten mit den Managern über die Zukunft der Autoindustrie sowie die Parallelen zur Bankenbranche.

Die wichtigsten Informationen zusammengefasst

  • Die Raiffeisenbank Roth-Schwabach hat 2015 einen mitarbeiterorientierten Entwicklungsprozess gestartet.
  • Ziel ist es, die Mitarbeiter bei der Weiterentwicklung des Hauses stärker einzubinden. Das soll Ängste vor Veränderungen nehmen und dabei helfen, Herausforderungen wie den demografischen Wandel vorausschauend zu gestalten.
  • Das Projekt wurde intern sehr gut akzeptiert, da die Mitarbeiter selbst an der konkreten Umsetzung federführend gearbeitet haben.
  • Mitarbeitern außerhalb der Führungsebene Verantwortung zu übertragen, kann sich lohnen: Ein junger Mitarbeiter hat gemeinsam mit einer IT-Firma eine Beratungs-App entwickelt, welche die Bank nun standardmäßig einsetzt.
  • Die Raiffeisenbank hat im Rahmen des neuen Leitbilds eine Du-Kultur eingeführt, um das Vertrauen der Mitarbeiter untereinander zu stärken.

Nachhaltig beeindruckt war die Führungsspitze des Kreditinstituts von den eindeutigen Strukturen im Produktionsprozess des A4: Dort gibt es für alle Eventualitäten klare Vertretungsregeln, da der Schaden für Audi in die Millionenhöhe geht, wenn das Band mal stillsteht. Die Erfahrungen nahmen Krauß und Co. mit nach Schwabach und schraubten an den eigenen Vorgängen – beispielsweise an den Vertretungsregeln im Kreditvergabeprozess. Das finale Ergebnis kommt Bank und Kunden gleichermaßen zugute. Krauß: „Kein Kunde muss mehr auf die Kreditentscheidung warten, wenn etwa der zuständige Bearbeiter kurzfristig erkrankt. Wir haben saubere Vertretungs- und vor allem Kompetenzregeln geschaffen.“

Mitarbeiter gestalten Veränderungen

Die „Learning Journey“ bei Audi ist ein Mosaikstein im mitarbeiterorientierten Entwicklungsprozess der Raiffeisenbank Roth-Schwabach. Ziel der Initiative mit dem Titel „Commitment at its best“ ist es, „einen neuen Spirit in unser Haus zu bringen“, wie Krauß sagt. Der Vorstandschef betont, dass die rund 200 Mitarbeiter das wichtigste Gut der Bank mit einer Bilanzsumme von inzwischen über 1 Mrd. Euro sind. Sie sollen stärker in die Entwicklung des Unternehmens eingebunden werden. Nur wenn die Mitarbeiter neugierig und mutig sind, lassen sich Veränderungen gestalten – was insbesondere in der aktuellen Zeit wichtig ist, in der die Finanzbranche durch Entwicklungen wie die Digitalisierung, die niedrigen Zinsen und das veränderte Kundenverhalten unter Druck steht.

Überraschende Auszeichnung für Entwicklungsprozess

Für ihren mitarbeiterorientierten Entwicklungsprozess hat die Raiffeisenbank Roth-Schwabach im vergangenen November den „New Work Star 2019“ in Silber erhalten. Mit dem Preis prämiert das New Work Forum Nürnberg innovative Arbeitskonzepte in der Metropolregion. „Die Auszeichnung ist eine große Ehre für uns. Sie zeigt, dass wir offenbar ein hochmoderner und attraktiver Arbeitgeber sind und uns auch vor den großen Unternehmen in der Region nicht verstecken müssen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Carsten Krauß. Die Trophäe in Form eines Sterns steht gut sichtbar am Empfang des RaiBaCenters in Schwabach.

Ein Marktplatz für Ideen

Initialzündung für das Projekt war ein Generationenwechsel in der Chefetage des mittelfränkischen Kreditinstituts. Das heutige Führungsduo Carsten Krauß und Erwin Grassl ist seit 2014 gemeinsam am Steuerrad. Bei der Führungskräfteklausur im Jahr darauf entschied sich die neue Spitze dafür, den Entwicklungsprozess anzustoßen. Als Format diente der von der Akademie Deutscher Genossenschaften entwickelte Strategie-Workshop TABOR.

Im Rahmen des Workshops mit Gunter Nittbaur (Kite Manager) entwickelten die Mitarbeiter über 800 Ideen, um ihre Bank zukunftsfähig aufzustellen. Diese wurden anschließend auf einem „Marktplatz der Ideen“ in einem zentralen Raum der Bank ausgestellt. Dort konnten die Mitarbeiter – vom Azubi bis zum Vorstand – die Vorschläge diskutieren und für ihr Lieblingsprojekt abstimmen. „Das war ein sehr spannender Prozess. Plötzlich haben alle Mitarbeiter über die Ideen gesprochen und sich damit auseinandergesetzt, wie wir die Bank weiterentwickeln wollen“, sagt Personalleiterin Sandra Kreß, die bei dem Projekt stark involviert war.

Die Abstimmung ergab acht Projekte, die die Bank konkret umsetzen wollte. Die Titel: Leitbild und Kultur, Führung, Mitarbeiter, Einfachheit, Innovationen, Kundenbeziehungsmanagement, Zukunftsinvestitionen und Selbstmarketing. Die Mitarbeiter, die diese Themen ursprünglich vorgeschlagen hatten, übernahmen im Anschluss die Leitung dieser Projekte. Sie stellten sich aus interessierten Kollegen ein Team zusammen und trieben gemeinsam die Umsetzung voran. Eine Prämisse dabei: Alle Maßnahmen sollten letztlich dem Kunden zugutekommen. Nach drei Monaten präsentierten die einzelnen Gruppen ihre Ergebnisse dem Führungskreis des Instituts. Zusammen wurde entschieden, welche Ideen die Bank umsetzen sollte. „Für dieses Vorgehen gab es eine große Akzeptanz, da die Mitarbeiter die Projekte selbst gestalten konnten. Auf diese Weise sind viele gute Impulse entstanden“, sagt Kreß.

Eine App für Geschäftskunden

Im Rahmen des Entwicklungsprozesses hat der Vorstand der Raiffeisenbank Roth-Schwabach den Mitarbeitern außerhalb der Führungsebene viel Verantwortung übertragen. „Sicherlich war dieser Schritt mit etwas Risiko verbunden. Es hat sich aber definitiv gelohnt. In den Mitarbeitern schlummert so viel Potenzial, man muss es nur nutzen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Carsten Krauß. Ein Beispiel dafür ist die von einem jungen Mitarbeiter der Raiffeisenbank in Kooperation mit einer IT-Firma entwickelte App „Profi Gate“. In der Anwendung können die Firmenkundenberater via Tablet alle relevanten Unterlagen einstellen, abrufen und bearbeiten – im Büro und unterwegs beim Kunden. Um die Anwendung gemeinsam mit einer IT-Firma zur Marktreife zu bringen, bekam der Mitarbeiter ein Zeit- sowie Geld-Budget. „Dadurch haben wir eine schlanke und intuitive Anwendung erhalten, die wir nun standardmäßig in der Beratung einsetzen“, sagt Carsten Krauß.

Die Maßnahmen der einzelnen Projektteams hat die Bank seit 2016 nach und nach umgesetzt. Eine Idee waren beispielsweise die bereits erwähnten „Learning Journeys“. Neben dem Ausflug zu Audi hat die Raiffeisenbank auch das easyCredit-Haus der befreundeten Teambank in Nürnberg mehrfach besucht. Dort informierten sich Führungskräfte und Mitarbeiter darüber, wie der Verbundpartner moderne Arbeitswelten mit Großraumbüros, Rückzugsflächen und Kreativarealen geschaffen hat. Die Inspirationen ließ die Raiffeisenbank in ihr neues Domizil einfließen. Im RaiBaCenter, einem sechsstöckigen Gebäude in Schwabach, bezog das Institut im Dezember 2018 zweieinhalb Etagen, die anderen Flächen sind langfristig vermietet. „Die Mitarbeiter haben das Design und das Konzept für die Räumlichkeiten mitentwickelt. „Kurze Wege, offener Umgang, alle fühlen sich hier sehr wohl",  sagt Krauß (sehen Sie dazu auch den folgenden Videobeitrag).

Ein weiteres Projekt: Die Raiffeisenbank hat die Du-Kultur eingeführt. Seit der Betriebsversammlung vor vier Jahren sprechen sich die Mitarbeiter mit dem Vornamen an. Auch die beiden Vorstände machen mit, sie haben auf einer Betriebsversammlung allen Kollegen angeboten, sie zu duzen. Bankchef Krauß hat mit dem in Skandinavien und den Niederlanden alltäglichen Duzen gute Erfahrungen gemacht: „Es setzt enorme Kräfte frei, da die Mitarbeiter vertrauensvoller miteinander umgehen und gleichzeitig professionell agieren. Die Zukunft gehört meines Erachtens nicht den Einzelkämpfern, sondern einem starken Team. Deshalb war es der richtige Schritt. Es muss aber zur Kultur des Hauses passen.“ Außerdem hat die Raiffeisenbank einen neuen Dresscode eingeführt („Profil“ berichtete). Neben Kostüm und Anzug dürfen die Mitarbeiter ebenso dunkle Jeans, hochwertige Poloshirts sowie Pullover tragen. „Viele Kollegen freuen sich über die gewonnene Freiheit. Auch die Kunden reagieren absolut positiv darauf“, sagt Krauß.

Produktivität, Abschlüsse und Neugeschäft gesteigert

Neues Leitbild

Um den Entwicklungsprozess sichtbar nach außen zu kommunizieren, hat die Raiffeisenbank ein neues Leitbild definiert. Der Slogan: „Wir sind Mensch. Wir sind Genossenschaft. Wir sind Zukunft.“

Nicht einfach zu belegen ist, inwieweit sich die Maßnahmen ausgezahlt haben. Das sieht auch Krauß so: „Es ist schwer, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unternehmenserfolg und beispielsweise einer Du-Kultur herzustellen.“ Gleichzeitig gibt es laut dem Bankchef einige Indikatoren, die den positiven Effekt vermuten lassen. So ist das Betriebsergebnis des Kreditinstituts in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Auch die Zahl der Kreditanträge, Kundenkontakte und Abschlüsse nahm zu. Zudem konnte sich die Bank als „Talentschmiede“ immer stärker positionieren und einen Großteil der freien Stellen mit eigenen Mitarbeitern besetzen und wichtige Leistungsträger halten. „Wachstum aus innerer Kraft“, nennt das Krauß. „Gerade in Zeiten des demografischen Wandels müssen wir uns als sicherer und attraktiver Arbeitgeber positionieren. Maßnahmen wie der neue Dress-Code tragen dazu möglicherweise bei“, sagt Krauß weiter.

Um zu überprüfen, ob das Institut mit seiner Strategie auf dem richtigen Weg ist, benutzt die Raiffeisenbank eine sogenannte „Balanced Scorecard“. Vierteljährlich sprechen die Führungskräfte darüber, welche Themen gut laufen und wo es Nachholbedarf gibt. Weiterhin gibt es alle zwei Jahre eine Mitarbeiterbefragung, bei der das Institut die allgemeine Zufriedenheit misst. Zudem bewerten nicht nur die Führungskräfte ihre Mitarbeiter, auch die Mitarbeiter geben sehr aktiv Feedback. Durch die guten Ergebnisse sind Krauß und Grassl zuversichtlich, dass die Bank mit ihrem Konzept auf dem richtigen Weg ist: „Natürlich haben sich die Rahmenbedingungen im Markt seit 2015 noch deutlicher verschlechtert. Dennoch spüren wir eine große Entschlossenheit, die Herausforderungen anzugehen. Wir jammern nicht, sondern packen an.“

Fusion im südlichen Mittelfranken geplant

Die Raiffeisenbank Roth-Schwabach plant eine Fusion mit der Raiffeisenbank Weißenburg-Gunzenhausen zur Raiffeisenbank Südfranken. Im Sommer 2020 finden die Vertreterversammlungen statt. Es soll ein Institut mit einer Bilanzsumme von über 2,5 Milliarden Euro und knapp 500 Mitarbeitern entstehen. Motto: „Gemeinsam noch stärker“. „Unsere Erfahrungen aus dem Veränderungsprojekt sind dabei sicherlich hilfreich. Wir freuen uns drauf“, sagt Krauß.

Aber was können die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken nun tatsächlich von Automobilherstellern lernen? „Wir haben bei Audi gesehen, wie Prozesse medienbruchfrei, lückenlos, sicher und in Echtzeit funktionieren – und das für uns übersetzt“, sagt Krauß. Er hat direkt ein Beispiel parat: Die Digitalisierung der klassischen Kreditakten. Lange Zeit mussten die Mitarbeiter, wenn sie entsprechende Informationen aus den Akten brauchten, „in den Keller gehen" und die Dokumente händisch durchsuchen. Das kostete viel Zeit. Mittlerweile sind alle Akten digitalisiert und die Mitarbeiter können die Daten problemlos vom PC abrufen. Das beschleunigt den Prozess bei der Kreditvergabe teilweise erheblich. Bankchef Krauß ist mit der jüngsten Entwicklung sehr zufrieden: „Wir sind zwar nicht Audi, aber wir fahren sehr solide und geradeaus auf der linken Spur.“

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