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Symbolbild: Ein Mann mit Stift in der Hand (auf dem Bild ist nur die Hand zu sehen), checkt eine Tabelle.

Nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) werden die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken schon bald ein Schreiben in ihrem Briefkasten finden, welches sie über ihre sogenannte institutsindividuelle Eigenmittelempfehlung (bisher Eigenmittelzielkennziffer) informiert. Die gute Nachricht vorweg: Obwohl die Aufsicht den sogenannten Kalibrierungsfaktor von 0,65 auf 0,75 angehoben hat, muss weniger als die Hälfte aller Institute mit einer Mehrbelastung durch die individuelle Eigenmittelempfehlung rechnen, da alle Werte unter 2,5 Prozent voll mit dem Kapitalerhaltungspuffer verrechnet werden können. Auf der Grundlage der vorliegenden Zahlen ergibt sich für die Kreditinstitute im Mittel ein Rückgang von etwa 35 Prozent der aufsichtlichen Eigenmittelempfehlung im Vergleich zur Eigenmittelzielkennziffer aus dem Jahr 2019.

LSI-Stresstest als Grundlage

Basis der institutsindividuellen Eigenmittelempfehlung (beziehungsweise Eigenmittelzielkennziffer) ist der sogenannte LSI-Stresstest, den Bundesbank und BaFin seit 2015 alle zwei Jahre für die sogenannten „weniger bedeutenden Institute“ („Less Significant Institutions“; LSI) ansetzen. Zu dieser Gruppe zählen auch die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Aufgrund der Pandemie hatte die Aufsicht den für 2021 geplanten Stresstest in das Jahr 2022 verschoben. Die Banken mussten die Daten bis Ende Mai 2022 an die Aufsicht übermitteln, die Ergebnisse stellten Bundesbank und BaFin Ende September 2022 in einer gemeinsamen Pressekonferenz pauschal für alle Banken vor.

Obwohl die institutsindividuelle Eigenmittelempfehlung nach dem Wortlaut nur ein von der Aufsicht „empfohlener“ Stresspuffer ist, ziehen etwaige Unterschreitungen mindestens eine höhere Aufsichtsintensität nach sich. Ermittelt wird die Eigenmittelempfehlung nach demselben Muster wie die Eigenmittelzielkennziffer aus dem Jahr 2019: Im LSI-Stresstest 2022 mussten die Institute jeweils in einem Basis- und einem Stressszenario ihre Ertragslage und Widerstandsfähigkeit für die Jahre 2022, 2023 und 2024 simulieren. Dazu wurden die Gewinn- und Verlustrechnung sowie Zinsänderungs-, Kredit- und Marktrisiken der Banken entsprechend modelliert. Am Ende wurde für jedes Jahr ermittelt, wie viel hartes Kernkapital verzehrt wurde. Ausschlaggebend für das Ergebnis des LSI-Stresstests war die simulierte Kernkapitalquote des schlechtesten Jahres. Zur Ermittlung der individuellen Eigenmittelempfehlung wurde diese vom Ausgangswert des Jahres 2021 abgezogen und im Anschluss mit einem Kalibrierungsfaktor von 0,75 multipliziert (bisher 0,65). Siehe dazu auch die folgende Beispielrechnung.

Rechenexempel für die Eigenmittelempfehlung einer Beispielbank

  • Hartes Kernkapital zum 31. Dezember 2021 (Ausgangswert): 18,0 Prozent
  • Hartes Kernkapital zum 31. Dezember 2022 (Stress im ersten Jahr): 16,0 Prozent
  • Hartes Kernkapital zum 31. Dezember 2023 (Stress im zweiten Jahr): 15,0 Prozent
  • Hartes Kernkapital zum 31. Dezember 2024 (Stress im dritten Jahr): 14,5 Prozent
  • Stresstestergebnis: 18,0 Prozent (Ausgangswert) - 14,5 Prozent (schlechtestes Jahresergebnis) = 3,5 Prozent
  • Daraus abgeleitete institutsindividuelle Eigenmittelempfehlung: 3,5 Prozent x 0,75 = 2,63 Prozent
  • Nach Verrechnung mit dem Kapitalerhaltungspuffer von 2,5 Prozent: 2,63 Prozent - 2,5 Prozent = 0,13 Prozent
  • Ergebnis: Das Beispielinstitut erhält die „Empfehlung“ 0,13 Prozent mehr Eigenkapital vorzuhalten.

Die institutsindividuelle Eigenmittelempfehlung kann weiterhin mit dem Kapitalerhaltungspuffer in Höhe von 2,5 Prozent verrechnet werden. Ihre maximale Höhe bleibt bei 10 Prozent, um eine unverhältnismäßig hohe Eigenmittelempfehlung zu vermeiden. Darüber hinaus gibt es immer noch den individuellen Kapitalaufschlag zwischen 0 und theoretisch 9,5 Prozent aus dem Aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess der Aufsicht (Supervisory Review and Evaluation Process; SREP). Addiert man zur Mindestkapitalquote von 8 Prozent alle denkbaren Puffer und Aufschläge hinzu, errechnet sich für die Banken eine Kernkapitalquote zwischen 10,5 und theoretisch 27,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva (siehe dazu auch den Kasten unten). Zudem plant die BaFin, den antizyklischen Kapitalpuffer zum 1. Februar 2023 für Deutschland von 0 Prozent auf 0,75 Prozent zu erhöhen. Zwischenzeitlich hatte die Aufsicht diesen Puffer wegen der Corona-Pandemie bei 0 Prozent belassen. Zusätzlich soll ebenfalls ab 1. Februar 2023 ein neuer „sektoraler Systemrisikopuffer für mit Wohnimmobilien besicherte Kredite“ in Höhe von 2,0 Prozent eingeführt werden.

Wie viel Eigenkapital müssen Banken vorhalten?

Eigenkapital ist eine Grundvoraussetzung für einen sicheren und soliden Bankensektor. Aus diesem Grund sind alle Banken dazu verpflichtet, bestimmte Eigenmittelanforderungen zu erfüllen. Grundlage sind die internationalen Bankenregeln Basel III und ihre Umsetzung in europäisches Recht (CRR/CRD). Die Eigenmittelanforderungen hängen von der Höhe der sogenannten risikogewichteten Aktiva (RWA) ab. Das sind die gesamten Aktiva (vor allem Kredite, Beteiligungen und Anleihen) einer Bank, multipliziert mit ihren jeweiligen Risikogewichten. Ein unbesicherter Kredit hat zum Beispiel ein höheres Risikogewicht als ein besicherter. In Deutschland müssen die Banken folgende Eigenmittelanforderungen erfüllen (in Prozent der RWA):

  • Mindestkapitalquote: 8 Prozent
  • Kapitalerhaltungspuffer: 2,5 Prozent
  • Eigenmittelempfehlung (bisher Eigenmittelzielkennziffer): bankindividuell 0 bis 10 Prozent (wird mit dem Kapitalerhaltungspuffer verrechnet)
  • Bankaufsichtlicher SREP-Kapitalaufschlag: bankindividuell 0 bis theoretisch 9,5 Prozent
  • Antizyklischer Kapitalpuffer: aktuell 0 Prozent
  • Summe: bankindividuell 10,5 bis 27,5 Prozent.

Lennart Strobel ist Senior Referent für Banksteuerung beim Genossenschaftsverband Bayern.

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