Gemeinschaftsaufgabe: Was verbirgt sich hinter dem neuen Betriebsmodell und wie profitieren davon die Volks- und Raiffeisenbanken? Margit Messika von Atruvia gibt Antworten.
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Frau Japec, ein wichtiges Thema bei den Atruvia Solution Days war das neue Betriebsmodell (nBM). Was sind die zentralen Vorteile für die VR-Banken?
Julia Japec: Ich bin davon überzeugt, dass das neue Betriebsmodell alternativlos ist. Schließlich geht es um nicht weniger als die Wettbewerbsfähigkeit der Genossenschaftsbanken. Im Kern heißt das, effiziente, automatisierte und fallabschließende Prozesse sowie Self-Service-Angebote zu entwickeln, die die Banken fit für die Zukunft machen. Damit versetzen wir die Banken technisch in die Lage, sich ähnlich schlank und effizient aufzustellen wie die Fintechs und Neo-Banken, die den Markt seit Jahren aufmischen. Zudem unterstützen wir die Institute dabei, den Bedürfnissen und Anforderungen der Bankkunden nachzukommen. Wir digitalisieren die Customer Journeys durchgehend und erhöhen den Anteil an Self-Services weiter signifikant. Mit effizienteren Prozessen können wir den drohenden Fachkräftemangel abfedern. Denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bis 2030 erwarten wir bei den Banken einen Personalrückgang von 30 Prozent. Das können die Institute nur mit effizienten, automatisierten Prozessen bewältigen.
Julia Japec arbeitet seit 2022 bei der Atruvia. Zunächst war sie im Management der IT-Portfoliosteuerung tätig. Im Mai 2025 ist sie zur Vertriebsvorständin des zentralen IT-Dienstleisters der genossenschaftlichen Finanzgruppe berufen worden. Foto: Atruvia
Wo stehen Sie aktuell in der Entwicklung sowie bei der Einführung des neuen Betriebsmodells?
Japec: Die Grundlagen für das neue Betriebsmodell sind gelegt, wir sind mitten in der Umsetzung. Im November veröffentlichen wir auf der Strategie- und Portfolioplattform (SPP) unsere Planung bis 2030. Dort ist übersichtlich dargestellt, wann wir welches Prozesscluster abschießen werden. Strukturgebend ist dabei die Prozesslandkarte für Genossenschaftsbanken. So entsteht eine durchgehende Logik, die es den Banken einfach macht, sich zurecht zu finden. Doch wir wollen unsere Lösungen nicht nur an die Rampe stellen und die Banken dann damit allein lassen. Nein, im Gegenteil: Wir haben eine ganze Reihe an Unterstützungsmaßnahmen im Gepäck, mit denen wir den Banken helfen, das neue Betriebsmodell erfolgreich zu etablieren.
„Es gibt schon sehr viel, was die Banken tun können – organisatorisch, technologisch, aber auch kulturell.“
Was können die VR-Banken heute tun, um die Einführung des neuen Betriebsmodells bestmöglich einzuleiten?
Japec: Das Wichtigste: Anfangen. Es gibt schon sehr viel, was die Banken tun können – organisatorisch, technologisch, aber auch kulturell. Der erste Schritt ist sicherlich, sich selbst über den Status quo bewusst zu werden: Wo steht die Bank gerade in Bezug auf Transformationsgrad, Kostenstruktur oder Digitalisierungsquote? Ausgangspunkt kann ein kritischer Blick auf die Anzahl der Prozesse im Haus und deren Sinnhaftigkeit sein. Oft sind Produkte historisch gewachsen und liegen in zahlreichen Varianten vor. Da hilft es, konsequent zu vereinfachen, um dann mit einer klaren, übersichtlichen Basis mit der Prozessautomatisierung zu starten. Außerdem ist eine hohe digitale Nutzungsquote essenziell für den Erfolg des neuen Betriebsmodells.
Doch das neue Betriebsmodell ist mehr als nur eine technologische Veränderung. Es verlangt von den Banken einen kulturellen Change. Und dieser muss wiederum begleitet werden – und zwar mit Fingerspitzengefühl – wie bei jedem Change in einem Unternehmen. Transparenz ist wichtig: Welche Maßnahmen zahlen auf welche Ziele ein und wo liegen die Vorteile für jeden Einzelnen? Wem es gelingt, das zu verdeutlichen, der hat es auf dem weiteren Weg viel einfacher. All das klingt erst einmal nach richtig, richtig viel Arbeit, ich weiß. Und ja, das ist es auch. Aber wir unterstützen die Banken auf diesem Weg und bieten dafür eine strukturierte Vorgehensweise an. Gerade starten wir mit den so genannten Orientierungsdialogen, in denen die Banken gemeinsam mit den Account Managern auf Grundlage einer Standortanalyse den konkreten Handlungsbedarf ermitteln. So helfen wir dabei, die Richtung zu bestimmen und skizzieren den Weg nach vorn.
„Das neue Betriebsmodell ist mehr als nur eine technologische Veränderung.“
Ein weiteres wichtiges Thema der Atruvia Solution Days war der BankingWorkspace. Was ist darunter zu verstehen und wie hängt er mit dem neuen Betriebsmodell zusammen?
Japec: Früher konnten die Banken steuern, wie, wann und wo sie mit ihren Kunden interagieren. Heute entscheiden Kundinnen und Kunden unabhängig und eigenständig über Zeitpunkt und Art der Kontaktaufnahme – sei es per App, OnlineBanking oder in der Filiale. Die technologische Basis für dieses Omnikanalbanking und damit auch für das neue Betriebsmodell ist unsere Omnikanalplattform (OKP) – der Name sagt es bereits. Sie bündelt die Daten, ganz egal, wer welchen Kanal nutzt. Der BankingWorkspace wiederum ist der Zugangsweg der Bankmitarbeitenden auf die OKP, so wie die App oder das OnlineBanking die Zugangswege für die Bankkunden sind. Erst mit dem BankingWorkspace wird es also möglich, dass Bankkunden und Bankmitarbeitende gemeinsam am selben Prozess arbeiten und auf dieselben Daten zugreifen. Wenn wir im Rahmen des neuen Betriebsmodells über effiziente Prozesse, Automation und Self- Services sprechen, wird schnell klar, dass wir den BankingWorkspace brauchen, um unsere Ziele zu erreichen.
„Mitarbeitende im Service – persönlich und digital-persönlich – können schon heute in großen Teilen mit dem BankingWorkspace arbeiten.“
Wo stehen Sie bei der Einführung des BankingWorkspace und welche Funktionen beziehungsweise Prozesse kommen als Nächstes?
Japec: Beim neuen Betriebsmodell gestalten wir Prozesse für die Omnikanalplattform und den BankingWorkspace neu und gehen dabei in Prozessclustern vor. Auf diese Weise wächst der Leistungsumfang des BankingWorkspace. Mitarbeitende im Service – persönlich und digital-persönlich – können schon heute in großen Teilen mit dem BankingWorkspace arbeiten. Gleiches gilt für Mitarbeitende in der Privat- und Firmenkundenberatung. Im nächsten Schritt folgt der Ausbau der Überblicksseiten, mit denen immer mehr Fachlichkeit aus den Bereichen „Liquidität & Bezahlen”, „Kontoservice” und „Kredit & Finanzierung” im BankingWorkspace zur Verfügung stehen wird. Einen weiteren großen Schritt gehen wir mit der technischen Umstellung der KundenServiceCenter-Anwendung in die Cloud. Damit legen wir den Grundstein für das Zielbild Kundenservice 2030: Vom klassischen Callcenter hin zu einer KI-unterstützten Vertriebseinheit, in der virtuelle Agenten die Service-Mitarbeitenden unterstützen.
Themen wie das neue Betriebsmodell oder Künstliche Intelligenz haben bei den Atruvia Solution Days viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Foto: Atruvia
Wie profitieren auch die Kundinnen und Kunden von der Einführung des BankingWorkspace?
Japec: Dank des BankingWorkspaces können Bankkundinnen und Bankkunden sowie Bankmitarbeitende gemeinsam an den Vorgängen arbeiten, denn beide greifen immer auf dieselben Daten zu. Die Verbindung der Vertriebskanäle ermöglicht es den Kunden zudem, sich in allen Vertriebskanälen auf die gleiche Art und Weise zu authentifizieren. Egal, ob in der App, im OnlineBanking, beim Anruf oder persönlich beim Bankbesuch: Die Authentifizierung kann immer über SecureGo plus erfolgen, um nur ein paar Vorteile zu nennen.
„Der Prozess ist deutlich effizienter als zuvor oder im Vergleich zu Individuallösungen in den Banken – die Mitarbeitenden sparen Zeit ein.“
Können Sie Beispielprozesse nennen, um die Vorteile des BankingWorkspace für Kunden wie Bank zu erläutern?
Japec: Lassen Sie mich zwei Beispiele herausgreifen: Zum einen den Prozess, im BankingWorkspace neue Kundinnen und Kunden anzulegen. Die Eröffnung des Kontos, die Einrichtung für den Zugang zum OnlineBanking, die Vergabe des TAN-Verfahrens oder die Freischaltung weiterer Produkte geschieht im Hintergrund automatisch. Der Prozess ist deutlich effizienter als zuvor oder im Vergleich zu Individuallösungen in den Banken – die Mitarbeitenden sparen Zeit ein. Ein zweites Beispiel ist die Nachlassverwaltung, die zentrale Abläufe rund um den Nachlassprozess standardisiert und automatisiert. Alle relevanten Informationen sind in einer zentralen Ansicht dargestellt. Das System stößt darauf aufbauend automatisierte Workflows an, die eine zügige und konsistente Weiterverarbeitung sicherstellen. Auch die Erben sind in den Prozess eingebunden, was die Zusammenarbeit erleichtert, Rechtskonformität stärkt und die Kommunikation deutlich erleichtert.
„Die genossenschaftliche Finanzgruppe muss sich verändern, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Atruvia kommt dabei als Digitalisierungspartner eine wesentliche Aufgabe zu, aber auch die Banken müssen sich wandeln.“
Sie haben bei den Atruvia Solution Days die Eröffnungsrede gehalten. Was waren Ihre Kernbotschaften?
Japec: Die genossenschaftliche Finanzgruppe muss sich verändern, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Atruvia kommt dabei als Digitalisierungspartner eine wesentliche Aufgabe zu, aber auch die Banken müssen sich wandeln, um den veränderten Anforderungen des Marktes und der Bankkundinnen und -kunden gerecht zu werden. Für die GenZ und Gen Alpha ist eine Bank in erster Linie eine App auf dem Smartphone. Und das verändert grundlegend die Art und Weise, wie Banken mit diesen Altersgruppen interagieren und was sie ihnen anbieten müssen. Diese (potenziellen) Kunden von morgen kennen keine analoge Welt mehr. Sie sind geboren in einer Welt, in der Smartphones und Social Media selbstverständlich zum Alltag gehören. Daraus ergeben sich drei wesentliche Punkte:
- Wir brauchen eine perfekte digitale Customer Experience – Banking muss einfach sein. Und es muss Spaß machen.
- Der Fokus muss auf Self-Services liegen, zur Not wird gechattet.
- Wir müssen die Menschen dort erreichen, wo sie stehen. In ihrer eigenen Lebensrealität.
Technologie ist dafür der Schlüssel. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen jetzt die Geschwindigkeit erhöhen und den Mut haben, die neuen Lösungen auch zu nutzen.
Wenn Sie die Atruvia Solution Days Revue passieren lassen: Welche Themen haben die Besucherinnen und Besucher besonders interessiert?
Japec: Es ist gar nicht so einfach, da etwas herauszupicken, alle Stände waren gut besucht. Wir haben die Inhalte der Veranstaltung erstmals nach unseren Themenwelten strukturiert. Unser Portfolio umfasst eine Vielzahl von Produkten und Leistungen und ist nicht immer einfach zu durchdringen. Die zehn Themenwelten erleichtern den Einstieg in dieses Portfolio und geben Struktur. Das kam auch auf den Solution Days sehr gut an. Übergeordnete Themen wie das neue Betriebsmodell oder Künstliche Intelligenz ziehen regelmäßig viel Aufmerksamkeit auf sich. Das war bei den Solution Days nicht anders. Was mich besonders gefreut hat: Der Stand zu unserem Atruvia Experience Center, das wir 2026 launchen werden, stieß auf reges Interesse: Mit diesem neuen Projekt schaffen wir für unsere Kunden ganzjährig einen Ort, an dem sie Banking zum Anfassen erleben können.
Mehr als 4.100 Gäste kamen zu den Atruvia Solution Days und informierten sich über aktuelle Initiativen des IT-Dienstleisters. Foto: Atruvia
Welches persönliche Fazit ziehen Sie zu den Atruvia Solution Days?
Japec: Ich genieße solche Veranstaltungen immer sehr: Der direkte Austausch, die spontanen Gespräche bei einem Kaffee mit den Kundinnen und Kunden – das alles ist für mich äußerst wertvoll. Und die Zahlen sprechen für sich: Über die unterschiedlichen Standorte hinweg konnten wir mehr als 4.100 Tagesgäste begrüßen und haben auch dieses Jahr wieder sehr gutes Kundenfeedback bekommen. Wir scheinen da etwas richtig zu machen, denn wer einmal da war, der kommt wieder. Das zeigen unsere Zahlen und das ist für mich das schönste Feedback. Zudem durfte ich in meiner neuen Rolle als Vertriebsvorständin auch erstmals Gastgeberin der Solution Days sein. Das war für mich persönlich natürlich ein besonderer Meilenstein.
Frau Japec, herzlichen Dank für das Interview!